Dienstag, 25. Oktober 2011

Wertschröpfung



Mein kurzer Einsatz als Gastarbeiter auf dem Gemüsehof von Michu Hurni ist nun auch bereits wieder zu Ende. Heute hatte ich meinen letzten Arbeitstag und wir haben uns nochmals so richtig ins Zeug gelegt. Die nachmittägliche Ernte von rund 10 Tonnen Kohl lässt sich sehen... Michael, mein Gastarbeiter Kollege und sein Chef werden nun auf jeden Fall während den nächsten Regentagen genügend Arbeit im Rüstraum haben.

Es war einmal mehr eine sehr lehrreiche Zeit für mich. Mit einer grossen Bewunderung schaue ich auf Michus unermüdliche Einsatz auf dem Gemüsebetrieb. Täglich ist der junge Bauer rund 12 Stunden auf den Beinen um die vielen anstehenden Arbeiten zu erledigen, die es eben braucht, bis das Gemüse verpackt in der Ablage von Migros oder Coop dem Kunden präsentiert wird. Erschreckend wenig schaut dabei für den Bauer selbst heraus; aus der finanziellen Perspektive betrachtet. Mit Verkaufsmarchen von manchmal mehreren hundert Prozent könnte man meinen, dass sein Teil der Arbeit nur ein kleiner sei. Dass dem nicht so ist habe ich nun mal wieder feststellen können. Eine Feld der raren Peterliwurz, auf welchem wir gut und gerne eine Woche beschäftigt waren um all die Rüben von Hand aus der Erde zu ziehen, bringt ihm nur einen Bruchteil dessen ein, was schliesslich der Verkauf der Ware im Detailhandel ausmacht. Das Geld geht also nicht zu jenen Menschen, die die Ware anpflanzen, pflegen und ernten als viel mehr zu jenen, die sie nur gerade verkaufen. Da läuft was Grundlegendes falsch. Dass dies nicht nur im "Gemüse Business" so läuft ist mir natürlich bewusst.


Übrigens: Die Kürbisse zur Produktion des Golatener Kürbiskernöl sind erntereif. Nun werden in den nächsten Tagen die Kerne entnommen und diese dann in die Presse gebracht. Auf das Resultat warten wir alle gespannt. Dass "daraus nix wird" würde ich demnach nicht behaupten!



Mittwoch, 19. Oktober 2011

Feldarbeit




Zwei arme Bauern arbeiten gemeinsam auf einem Acker als mit ohrenbetäubendem Getöse ein Kampfjet über ihren Köpfen vorbei donnert.
„Hast du gesehen, das Flugzeug ist mit Raketen bestückt“, meint der eine Bauer zum anderen. „Wie viel wohl nur eine solche Rakete kosten mag?“, fragte ihn der zweite Bauer. „Bestimmt mehrere zehn Tausend Euro“, weiss jener. Darauf erhebt der erste Bauer seine Hände trichterförmig zum Himmel und schreit: „Oh Gott, hab Erbarmen mit uns und wirf uns eine solche Bombe zu Füssen!“

Michael, der Saisonarbeiter aus der Slovakei, mit dem ich zur Zeit in Golaten arbeite, weiss viele solche Witze zu erzählen. Es ist seine Art von Humor und ich komme ganz gut zu Recht damit. Michael, der mit seinen 62 Jahren nun schon das vierte Jahr als Saisonarbeiter in der Schweiz verbringt scheint grundsätzlich dem Leben mit viel Humor entgegen zu treten. Doch dass da mehr als nur Witze Klopfen dahinter steckt habe ich schon längst gemerkt. Seine Persönlichkeit strahlt eine kindliche Verspieltheit und ein unerschrockener Optimismus aus, der hier auf den Felder von Golaten bestimmt seines Gleichen sucht.

Es kommt immer mal wieder vor, dass wir gemeinsam während mehreren Stunden Tonnen von Kabis rüsten, diesen in Kisten verpacken und feinsäuberlich auf Holzpalletten stapeln. Eine Arbeit die eigentlich eintöniger nicht sein könnte, denn die Bewegungsabläufe sind dermassen gleichmässig, dass ich mir bereits am ersten Tag eine Sehnenendzündung geholt habe, die auch nach Tagen noch nicht abgeklungen ist. Doch geflucht wird bei Michael über Arbeit nie: „Arbeit ist Arbeit“, pflegt er zu sagen und meint damit in etwa so viel wie, dass es schlechte und gute Arbeit nicht gibt. Arbeit muss erledigt werden und da fällt automatisch diese Einteilung weg.

Ich arbeite hier in der Schweiz täglich zehn Stunden pro Tag. Das ist viel, sogar für Schweizer Verhältnisse. Mein Chef bringt es gut und gerne auf zwölf Stunden pro Tag. Der Lohn fällt einem hier nicht in den Schoss, pflegt er zu sagen und meint damit wohl, dass man Geld bestimmt anderswo leichter verdienen könnte. Michael arbeitet acht Monate im Jahr als Saisonarbeiter in Golaten, den Rest des Jahres verbringt er mit seiner Frau und dem Kind in der Ukraine. Die Ukraine sei am Arsch, hat er mir heute gesagt, aber trotzdem ein herrlicher Ort zum Leben.
Solche Aussagen machen uns Schweizer stutzig und wir würden das gerne genauer erklärt haben, doch haben wir nicht die Geduld uns das bei Alkohol, Zigaretten und vielen Umschweifungen erklären zu lassen.

Samstag, 15. Oktober 2011

das Gemüse steht uns bis zum Hals

Bild: Unterwegs in die Schweiz


Seit zwei Tagen bin ich in der Schweiz. Bei meinem bald schon langjährigen Arbeitgeber in Golaten habe ich erneut eine temporäre Anstellung auf dem Gemüsebetrieb bekommen. Im Moment steht uns die Arbeit bis zum Hals, denn noch stecken weiss nicht wie viele Tonnen Kabis im Boden und auch die Petruschkas, die Peterliwurz, muss noch geerntet werden. Für mich ist es immer wieder erschreckend anzusehen, wie viel Gemüse weggeworfen, beziehungsweise den Kühen verfüttert wird (ok, die müssen auch was fressen, aber nicht unbedingt das, was ursprünglich für Menschen angebaut wurde..). Eben hat der Bauer 20 Tonnen Kartoffeln vom Prüfer zurückbekommen. Die Kartoffeln weisen Schlagschäden auf. Dadurch sind sie zwar noch lange nicht ungeniessbar, aber wie Konsumenten wollen ja nur das Beste. Die ehemalige Bäuerin des Betriebs nennt dies immer wieder eine Sünde. "Ist es nicht eine Sünde, so viele Lebensmittel wegzuwerfen?"

Ich selber kann mit dem Wort Sünde wenig anfangen. Bestimmt aber ist etwas in unserem Versorgungssystem völlig falsch gelaufen!

Freitag, 7. Oktober 2011

Ökologen ohne Grenzen

Bild: Im Sommer 2008 machte ich mit Teo eine Fahrradtour durch Rumänien. Im Süden des Landes trafen wir auf einen Wochenmarkt der seines Gleichen sucht. Schuhe und Kleider gab es dort im Zentner zu erwerben.



Die Ökologen ohne Grenzen sind in Slowenien seit ihrer äusserst erfolgreichen Kampagne "cleaning Slovenija in one day" in aller Munde. Der Verein beschäftigt im Moment elf Vollzeitangestellte und immer noch geht den Aktivisten die Arbeit nicht aus.

Diese Tage arbeitet Natasa zusammen mit den Ökologen ohne Grenzen. Gemeinsam haben sie eine Kleidertausch-Börse im Zentrum Maribos auf die Beine gestellt. Die Idee ist: Bringe Kleider die du nicht mehr brauchst und tausche sie gegen solche die du tragen möchtest. Doch hinter dieser ganz simplen Idee versteckt sich ein echtes Problem, welches die Aktivisten von Ökologen ohne Grenzen nun angehen möchten.

In Slowenien exisitiert nach wie vor kaum eine Kleidersammelstelle, es gibt demnach auch keine recyclage von Textilien wie das etwa in der Schweiz der Fall ist. Nun mag man denken: Textilien sind ja wohl das kleinste Problem in der grossen Abfallflut. Die Recherche von Barbara, eine der Aktivistinnen, zeigte aber ganz andere Resultate:

Alleine im Jahr 2006 wurden 18'000 Tonnen Textilien nach Slowenien importiert. Das entspricht 9 Kilogramm pro Kopf. Im gleichen Jahr wurden nur gerade 1,114 Tonnen Textilien in Sammelstellen zusammen getragen. Das entspricht knapp einem halben Kilogramm pro Kopf. Die Schlussfolgerung: Alleine im Jahr 2006 sind pro Kopf in Slowenien 8,5 Kilogramm Textilien irgendwo untergekommen. Die Frage ist nur, wo? Im Kleiderschrank? Im Abfall?

In Slowenien gibt es nach wie vor unzählige illegaler Abfallsammelstellen. Diesen haben die Ökologen ohne Grenzen nun den Kampf angesagt. Auf einer Internetplattform können diese Abfalldeponien gemeldet werden. Anschliessend werden Freiwillige gesucht (und auch gefunden) die diese Sammelstellen reinigen und den Abfall getrennt dem Staat übergeben. Eine Kehrichtverbrennungsanlage gibt es in Slowenien nicht. Alles was nicht recycliert werden kann geht unter die Erde, nach wie vor.

In Slowenien steht man bezüglich Recycling bestimmt an einer ganz anderen Stelle als in der Schweiz. Das Bewusstsein der Menschen gegenüber dem Abfall der automatisch Tag für Tag anfällt muss erst noch geschaffen werden. Diese Aufgabe übernimmt hier in Slowenien nicht der Staat sondern es sind unzählige private Initiativen, die versuchen das Verhalten der Menschen zu beeinflussen. Doch so lange der Staat nicht eine Infrastruktur zur Verfügung stellt, die gute Intentionen unterstützt, werde Versuche, umweltbewusster zu leben, leise im Sand versickern.

Dienstag, 4. Oktober 2011

Figge Müli

Auf Sloweniens Grossbaustellen wird noch immer zu einem grossen Teil in der vormals jugoslawischen Landessprache gesprochen. Viele Bauarbeiter kommen aus Bosnien-Hercegowina.

Sie hantierte mit den Putzeimern im Erdgeschoss des Bürogebäudes in welchem auch die Berlitz Schule untergebracht ist. Es war acht Uhr abends und ich hatte eben meine wenigen Deutschstunden an diesem Tag beendet. Ich kannte sie bereits. Wir hatten einige Male zuvor miteinander gesprochen. Ich wusste dass sie deutsch sprach, denn vor zwei Wochen hat sie mich gefragt, ob der Begriff Wachfrau auf deutsch existiere. Dies sei nämlich eigentlich ihr Beruf. Ich wusste damals keine Antwort. Wachmann war mir ein Begriff. Aber Wachfrau? Erst zwei Tage später, als ich sie im Bürogebäude wiedertraf, sagte ich ihr, dass sie wahrscheinlich mit Wachpersonal am besten durchkomme. Wachpersonal also, okay, vielen Dank.
Sie ist eine Frau vielleicht Mitte Vierzig. Eigentlich habe sie zwei Berufe meinte sie gestern zu mir: Lebensmittelingenieurin und seit wenigen Monaten eben Wachpersonal. Für den letzteren Beruf habe sie eine Ausbildung besucht, die sie Tausend Euro gekostet habe. Dort lernte man Sicherheistanlagen zu bedienen, Alarmanlagen aus und einzuschalten. Ich stelle mir vor, dass dieser Berruf etwas Ähnliches ist wie bei uns in der Schweiz die Securitas. Doch irgendwie habe ich so ein ganz anderes Bild der Securitas vor mir. Ich sehe einen älteren, hochgewachsenen Herrn mit grossem Schnurrbart vor mir, der mit Tausend Schlüsseln und einer übergrossen Taschenlampe bestückt, die er im Notfall auch als Schlagstock einsetzen kann, nächtlich durch leere Bürogebäude wandelt. Aber ob es das hier in Slowenien auch gibt? Als Wachpersonal hat die Frau, die nun eben als Putzfrau arbeitet, keine Arbeit gefunden. Der Gedanke plagt sie, ob sie nicht vielleicht die Tausend Euro in den Sand gesteckt hat. Doch jeden Abend schalte sie zu Hause den Computer ein und suche nach Arbeitsstellen. Für Dutzende habe sie sich bereits beworben.
Als ich im letzten Februar hier in Maribor endlich eine Arbeit gefunden hatte, war ich darob überglücklich. Es schien fast wie ein kleines Wunder, sprach ich doch damals noch viel weniger slowenisch als heute. Doch ehrlich gesagt machte sich bald darauf auch etwas Ernüchterung breit. Denn mit den acht Euro, die ich pro Lektion verdiene, schaffte ich es monatlich auf Durchschnittlich 400 bis 500 Euro. Zudem verbrachte ich in den ersten Monaten pro Woche rund fünf Stunden im Auto um zu meinen Studenten zu fahren. Die Fahrkosten konnte ich zwar in Rechnung stellen, die Zeit jedoch nicht. Bald werde ich wohl ein anständiges Pensum kriegen und so vielleicht an die dreissig Stunden pro Woche arbeiten können. Ich werde dann knapp Tausend Euro pro Monat verdienen und damit einen überdurschnittlich hohes Gehalt haben!
Die Putzfrau im Bürogebäude, in welchem auch die Sprachschule Berlitz untergebracht ist, verdient netto 700 Euro. Ob sie alleine mit diesem Monatslohn durchkommen muss weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass in Slowenien sehr viele Menschen von Monatslöhnen unter Tausend Euro leben müssen und leben können. Bedenkt man, dass eine durchschnittliche Wohnung gut und gerne 300 bis 400 Euro kostet und dass die Lebensmittel im Supermarkt in etwa gleich teuer sind wie diejenigen in der Schweiz, so gleicht dies einem kleinen Wunder. Dies bestätigte mir auch ein Sozialarbeiter aus der Stadt Ruse, mit welchem ich kürzlich ein längeres Gespräch geführt habe. Für ihn ist es ein Wunder, wie Menschen hier in Slowenien mit diesen kleinen Monatslöhnen durchkommen.
Eines ist sicher: Sparen liegt unter diesen Umständen nicht drin. Das Wachpersonal, das Lebensmitteltechnik studiert hat und nun als Putzmannschaft in Bürogebäuden arbeitet, hat am Ende des Monats bestimmt nichts auf der Seite. Man lebt, man überlebt bestimmt sehr gut, aber viel mehr auch nicht.
Sparen. Das ist etwas was den Menschen in der Schweiz irgendwie in die Wiege gelegt wurde. Das Sparen ermöglicht uns erst Dinge zu tun, die über den gängigen Alltag hinaus gehen. Sparen ermöglicht uns erst zu Reisen, neue Länder, Menschen und Kulturen kennen zu lernen; all diese Dinge zu tun die für mich persönlich einen sehr hohen Stellenwert haben. Mit meinem Gehalt hier in Slowenien werde ich bestimmt nicht sparen können. Dafür muss ich immer mal wieder in die Schweiz reisen um dort zu arbeiten. Im Müli Spiel nennt man diese Situation doch „Figge-Müli“, nicht?


Montag, 3. Oktober 2011

Bildgalerie aktualisiert



Die lange Zeit vernachlässigte Bildgalerie der gehcrew wurde endlich mal wieder aktualisiert. Zu sehen sind einige Fotos vom Frühjahr bis zum Spätsommer dieses Jahres. Bilder aus Slowenien, Kroatien, Ungarn und der Schweiz. Und natürlich gibts den Jurij zu sehen....

Sonntag, 2. Oktober 2011

Logarska Dolina




Kurz bevor die Strasse in Richtung Wanderparadies Logarska Dolina immer enger und enger wird und sich schliesslich beinahe nahtlos an das kristallklare Wasser der Savinja, die in eben diesem Wanderparadies ihren Ursprung hat anschliesst, passieren wir eine Tankstelle am Strassenrand. „Erinnerst du dich an dieses Signet?“, fragt Sascha, die das Auto fährt Boris, der neben ihr sitzt. „Ja natürlich, diese Schilder gab es früher überall, das war unsere Tankstelle“, meint Boris. Sascha ist Slowenin und kommt aus der Region Dolenska. Boris kommt aus Bosnien-Hercegowina, aus Banja Luka. Beide lebten bis 1991 im gleichen Land und beiden kennen noch heute das Signet der vormals jugoslawischen „Petrol“ Tankstelle auswendig. Da steht es am Strassenrand; gross, schwer, fest und bestimmt in den letzten Jahren immer wieder neu gestrichen, denn von Rost keine Spur. Jemand scheint dieses Signet hier zu pflegen.
Mit Boris, Sascha und Pintas besteigen wir später den Kamensko Sedlo, den steinernen Sattel. Auf rund 1900 Meter gelegen, haben wir von dort oben einen fantastischen Ausblick auf die Bergkette, die sich wie ein Halbkreis rund um das Logarska Dolina, das Logarska Tal, zieht. Man kriegt Lust höher hinauf zu steigen, auf den Brana oder sogar auf den Planjava, der mit seinen beinahe 2400 Meter stolz in der fantastischen Landschaft steht. Boris und ich schmieden Pläne, wie wir nächstes Jahr uns dieser Berge annehmen werden während Sascha zum Abstieg mahnt. Unten in Logarska Dolina angekommen schmerzen uns die Beine und wir sind froh, haben wir den oftmals kritischen Abstieg sicher überstanden.
Eigentlich wollten wir ja zuerst den Triglav besteigen an diesem Wochenende. Vielleicht üben wir uns vorher doch noch einige Male an anderen Bergen...