Montag, 31. Januar 2011

Rückblick

Während den letzten eineinhalb Jahren ist auf der gehcrew-Seite der ein und andere Text erschienen. Wie viel von all dem gelesen wurde kann ich nicht sagen und letztendlich spielt es ja auch nicht wirklich eine Rolle.
In den nächsten Tagen werden Natasa und ich ein Kind bekommen. Seltsam sieht dieser Satz aus, wenn er so geschrieben auf dem Bildschirm erscheint.
Wir freuen uns sehr darauf!
Viel Neues wird auf uns zukommen; Zeit Altes nochmals hervorzubringen. In etwas redigierter Form will ich in den nächsten Wochen den ein oder anderen Text aus den letzten eineinhalb Jahren nochmals abdrucken.
Und wenn das Kind einverstanden ist, dann gibts vielleicht bald einmal ein neues Mitglied der gehcrew!
Danke für die Treue!

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Bosnische Geschichte Teil 1



Mittelalter bis Osmanisches Reich

Ich denke, Geschichte lässt sich nur bruchstückhaft verstehen. Jedenfalls ging das mir in Sarajevo so und ich hatte es meiner langen Verweildauer zu verdanken, dass sich die Mosaiksteine der Geschichte immer mehr zu einer Art Bild zusammenfügten. So erinnerte ich mich im Verlauf der Zeit immer wieder an Aussagen über die Stadt und das Land, die mir meistens erst im zweiten Anlauf des Überdenkens verständlich waren.
Das Faszinierende für mich an Sarajevo und Bosnien-Hercegowina im Allgemeinen wird je längers je mehr die Überlagerung von historischen Eriegnissen und Hintergründen, die ihren Einfluss bis in die Gegenwart ausüben.

Wahrscheinlich ist Bosnien-Hercegowina in der Tat ein Sonderfall im Balkan oder sogar in ganz Europa.
Bereits vor der Osmanisierung war das Land als schwer berechenbar bekannt. Das Leben in Bosnien des ausgehenden Mittelalters bot ein buntes Bild, mitgeprägt von sächsischen Bergleuten, ragusanischen Handelsherren und italienischen Franziskanern. Die katholische Kirche wehrte sich mit aller Kraft gegen den Einfluss und das Aufkommen der Bogomilen, eine Sekte, die vorchristliche Elemente in die christliche Glaubensauffassung einbezog. Es war ein mythischer und naturnaher Glaube, der sich in Bosnien entwickelte. Die Bogomilen bauten keine Kirche oder sonstigen Denkmäler. Als heilige Orte wählten sie Kraftplätze in der Natur, wie zum Beispiel Blagaj in der Nähe von Mostar. Es mag auch an den Bogomilen gelegen haben, dass der Islam seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Bosnien immer mehr Fuss fassen konnte. Die Bewohner Bosniens waren in ihrer Glaubensauffassung dem Islam wohl näher als dem Katholizismus.

Die Osmanen verbreiteten damals ihren Glauben nicht mit Schwert und Feuer wie dies die katholische Kirche während den Kreuzzügen zu tun pflegte. Das Osmanische Reich hatte seine eigenen Methoden um die besten Männer für ihren Glauben zu gewinnen.
Mit der "devširme", der sogenannten "Knabenlese" begannen sie die bosnische Bevölkerung für sich zu gewinnen. Die unterworfenen Balkanstaaten mussten regelmässig ein Kontingent an jungen Burschen nach Stanbul (Istanbul) entsenden. Nach dem erzwungenen Übertritt zum Islam konnten sie, entsprechend ihrer Eignungen, eine Laufbahn im militärischen oder zivilen Bereich antreten. Viele christliche Adelsfamilien entsandten ihre Jünglinge nicht ungern nach Stanbul, war doch dieser einseitige Youth-Exchange oftmals mit Ruhm und Vermögen für die eigene Familie verbunden. Denn die Knaben kehrten nach verbrachtem Studium manchmal als Stadthalter in ihr Heimatland zurück oder zeigten sich aus der Ferne erkenntlich. In "ihrem Namen und Auftrag" wurden Brücken, Moscheen, Koranschulen und andere Bauwerke errichtet.

Berühmt und für mich dank der Lektüre des Buches " Die Brücke über die Drina" von Ivo Andrič besonders eindrücklich, ist das Beispiel von Višegrad. Der Groswesir Sokollu Mehmed Pascha, hat um 1570 herum von Stanbul aus den Auftrag zum Bau der Brücke erteilt. Als 10 Jähriger, aus einem Dorf in der Nähe von Višegrad stammend, kam er in die Knabenlese und ihm war im fernen Stanbul eine grossartige Karriere zugeschrieben worden. Das wunderschöne Bauwerk erleichterte den Karawanenzügen zwischen Stanbul - Sarajevo und Ragusa (Dubrovnik) die Reise, denn nebst der Brücke entstanden auch sogenannte Sarajs, Vorläufer der heutigen Motels.

Im Hotel in Srebrenica musste ich mit Staunen feststellen, dass selbst dieses, doch als unzerstörbar geltendes Bauwerk, nicht vor heutigen Vandalen sicher ist. In einer Zeitung habe ich dort gelesen, dass sich doch tatsächlich einige Kerle dazu erdreist hatten, einen 50 Kilogramm schweren Stein aus dem "Sofa" in der Mitte der Brücke zu stehlen. Ich habe das Glück gehabt, die Brücke einen Tag vor dem Diebstahl noch in ihrer vollen Schönheit und im ganzen osmanischen Glanz zu sehen.

Bosnische Geschichte Teil 2




Osmanische Herrschaft bis Erster Weltkrieg

„Dort, neben der alten Steinbrücke „des Seher-Cejaha“, irgend eines Bürgermeisters steht der dreieckige, maurische Prachtbau des Rathauses. Vor ihm bewegt sich zwischen Steinmauern die Miljacka wie schmelzendes, geläutertes Metall. Und alles ringsum wie aus dem Traume gerufen, wie von der Erinnerung an eine versunkene Zeit gesehen. Gleissende Kuppeln und die weissen Palmenschäfte der Minarets, hochragend über die im Gartengrün sich duckenden, flachdachigen Häuser mit rebenumsponnenen Erkern und dichtvergitterten Fenstern. Alles gedämpft, leisumschattet. Eine andere Seele spricht hier zu uns. Mag das moderne Sarajevo immerhin weiter drängen und wachsen, immer weiter hinaus ins niedere Land; dieses hier greift, das Lärmen des nichtigen Weltgetriebes fliehend, hoch hinauf an die Kämme des Felsenrundes, an dessen Riffen und Zacken das alte Festungsgemäuer hängt, gleich einem Hochzeitskranz über einem schönen Antlitz, das den Flammenschein kommender Zeiten wie eine Vision erblickt.“

Aus „Die Bosnische Staatsbahn“, 1908

Dermassen wird das um die Jahrhundertwende bereits seit 30 Jahren okkupierte Sarajevo beschrieben. In einem Buch mit alten Texten von k. u. k. Abgesandten und Bosnien-Reisenden finden sich zahlreiche solche Beschreibungen und zusammen mit den alten Fotografien versuche ich mir das damalige Bild der damaligen Stadt vor Augen zu führen. Die erwähnte „andere Seele“ dieser Stadt spricht noch heute zu uns. Auch wenn die Carsija, der türkische Markt, heute nicht mehr demjenigen gleicht, welcher die Österreichisch-Ungarischen Soldaten bei der Besetzung der Stadt 1878 vorgefunden haben, streichen in diesem Teil der Stadt noch immer die alten Geschichten über die ausgetretenen Pflastersteine.

Bis zur Okkupation galt Bosnien in Europa als ein Land, das irgendwo „hinten in der Türkei“ liegt. Der Einmarsch der fremden Armee und die in den folgenden Jahren eintretenden Reformen rückten das unbekannte Land ans bekannte Europa heran. Österreich-Ungarn veränderte das Land in einem rasend schnellen Tempo, dem die ursprünglichen Bewohner nicht gewachsen waren und die sie auch oft bewusst von sich wiesen. Beschaut man das Land in seinem heutige Zustand, so erscheint die Epoche zwischen 1878 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wie ein märchenhaftes Intermezzo. Die Prachtbauten, die Villen und die damals erstellten Verkehrswege sind dabei in den Wellen der Zeit zu versinken, vielleicht langsamer als sie entstanden sind, aber trotzdem unaufhaltbar.

Der „kranke Mann am Bosporus“, wie das langsam zerfallende Osmanische Reich auch genannt wurde, musste sich 1875 seines äussersten Teils entledigen. Überall in diesem riesigen Reich traten Spannungen auf und im erwähnten Jahr entluden sie sich in Unruhen, denen schliesslich der Aufstand der christlichen Bevölkerung gegen das von ihnen als drückend empfundene „osmanische Joch“ folgte. Im Juni 1878 wurde in Berlin die „Orientalische Frage“ auf einem Kongress der europäischen Mächte wie Folgt gelöst: Österreich-Ungarn erhielt das Mandat für die Okkupation Bosnien-Hercegowinas. Bis zur Vollständigen Anexion 1908 behielt aber der Sultan in Stambul formell die Oberhoheit über das Land. Eine komplizierte Situation, die nicht unblutig in die Wege geleitet werden konnte.

Mochten sich die Generäle der k.u.k Monarchie die Besetzung des Landes auch noch so leicht vorgestellt haben, die Realität sah freilich anders aus. In Sarajevo wurden sie nicht mit Blumen empfangen. Das noch rund 23.000 Mann starke türkische Heer leistete der ungenügend ausgerüsteten Armee zwar keinen erbitterten Widerstand, doch kam es zur Gegenwehr, wenn sie in ein Gefecht verwickelt wurden.

Der wahre Feind für die k.u.k. Truppen waren die aus der einheimischen Bevölkerung rekrutierten Kämpfer. In einer Art Guerillia-Krieg lieferten sie der fremden Armee erbitterten Widerstand. Vorallem in Sarajevo kam es zu heftigen Kämpfen. Bekannt sind die Geschichten von Frauen und Kindern, die, aufgehetzt von religiösen Führern, die Minarette erkletterten und von oben Steine auf die Eindringlinge warfen. Der Feldzug dauerte ganze vier Monate und erst im Oktober 1878 wehte die k.u.k Fahne auf der Burg, hoch über dem türkischen Markt Sarajevos.

Von allen Bewohnern Sarajevos, hat sich für die Muslime damals die Situation am weitgreifendsten verändert. Sie verloren ihre führende Stellung in der Gesellschaft. Die folgenden Jahre erforderten von den Österreichisch-Ungarischen Behörden ein grosses Fingerspitzengefühl um die religiösen und gesellschaftlichen Gefühle nicht zu stark zu verletzen.

Bosnien-Hercegowina befand sich nach der Okkupation in der Situation eines Entwicklungslandes. In den letzten Jahrzehnten der osmanischen Herrschaft wurden zahlreiche Reformen vernachlässigt und so machten sich die österreichisch-ungarischen Beamten emsig an die Arbeit diese Missstände auszubessern. Unter der einheimischen Bevölkerung waren diese Beamten rasch dafür bekannt, dass sie ihre Arbeiten bis ins kleinste Detail genau planten und pflichtgemäss durchführten. So machten sie sich denn auch daran, eine Hauszählung durchzuführen und gaben den Befehl heraus, dass alle Häuser mit einer Hausnummer beschriftet werden mussten. Den einheimischen Bewohner Sarajevos kam das aber äusserst suspekt vor, hatten sie doch keine Ahnung wozu eine solche Nummerierung dienen sollte. So wurden dann die Hausnummern auch kurzerhand wieder von den Hausbewohnern entfernt. Auch die Einrichtung einer obligatorischen Schulpflicht war im neu besetzten Land mit grösseren Schwierigkeiten verbunden. Vor dem Einmarsch der k.u.k. Armee beschränkte sich die Schulbildung oftmals auf das auswändig Lernen von Koran-Zitaten. Nun sollten die muslimischen Eltern ihre Kinder auf einmal in eine fränkische Schule schicken, wo sie von raubeinigen Offizieren unterrichtet wurden.

Doch der Österreichisch-Ungarischen Verwaltung gelang in Bosnien-Hercegowina ein kleines Wunder. In knapp 40 Jahren modernisierten sie das Land dermassen, dass es zu einem grossen Anziehungspunkt für Reisende wurde. Ob auf dem Dampfschiff die Neretva hoch oder in läppischen 10 Stunden in einer bequemen Pferdekutsche; von der Adria herkommend liess sich via Metkovic das schöne Städtchen Mostar gut erreichen. Kaiser Franz-Joseph liess sich diese Gelegenheit nicht entgehen und besuchte 1910, die vor zwei Jahren annektierten „Neuen Reichstheile“. Mit erhabenen Schritten überschritt er damals die mit kostbaren Teppichen ausgelegte „Stari Most“. Knapp 100 Jahre später besuchte der englische Thronfolger Prinz Charles die nach der vollständigen Zerstörung wiederaufgebaute Brücke in Mostar.

Doch der „Flammenschein kommender Zeiten“ traf 1914 in Sarajevo ein. Mit dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand ging die Österreichisch-Ungarische Besetzung des Landes ihrem Ende entgegen.

Bosnische Geschichte Teil 3




Jugoslawien bis Kriegsende 1995


„Die Geschichte lehrt uns, dass Bosnien niemals von grösseren Mächten kontrolliert oder davor bewahrt werden musste, sich selbst zu zerstören. Vielmehr trifft das Gegenteil zu: Was Bosnien stets in Gefahr brachte, waren nicht interne Spannungen, sondern der Ehrgeiz stärkerer Mächte und benachbarter Staaten.“

Noel Malcolm, Bosnia- A short history

Mit den tödlichen Schüssen auf den Thronfolger Franz Fredinand am 28. Juni 1914 begann auch der Niedergang der Österreich-Ungarischen Macht in Bosnien-Hercegowina. Gavrilo Princip, der Attentäter, ein Student aus Serbien, wurde ein paar Monate später vor Gericht gestellt und begnadigt; er erhielt lebenslängliche Gefängnisstrafe. Ein volles Auskosten derselben blieb dem Jüngling aber erspart; noch während des Krieges starb er dort in Folge schwerer Krankheit.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Aussage eines Sarajeli, welcher mir erzählte, dass er früher als junger Mann zu Zeiten Titos in Sarajevo Stadtführungen angeboten habe. In jenen Jahren galt Gavrilo Princip noch als Nationalheld dem man gebührende Ehren entgegen zu bringen hatte. Dementsprechend tadelte er dann auch vor einer Gruppe ausländischer Besucher die damals saumässig schlechten Bedingungen in den Österreichisch-Ungarischen Gefängnissen an, weswegen der Held sterben musste. Diese Aussage stiess bei den ausländischen Besuchern auf Unverständnis und der Sadtführer unterliess solches Gerede zukünftig.

Nach dem Attentat gab es schwere Vergeltungsmassnahmen gegen die serbische Bevölkerung Bosnien-Hercegowinas und deren Land wurde häufig beschlagnahmt oder die Güter zerstört. Österreich-Ungarn beschuldigte Serbien der passiven Unterstützung am Attentat. Ende Juli wurde Serbien den Krieg erklärt. Mit der Kriegserklärung begann ein kompliziertes Bündnissystem sein Wirken und im Verlaufe der nächsten vier Jahre wurden zahlreiche Länder in den Strudel des Ersten Weltkrieges gerissen.

Die männlichen bosnischen Staatsbürger kämpften vorerst an der Seite der Österreichisch-Ungarischen Armee und galten bald als einige der besten Soldaten weit und breit. Die Gastgeber-Armee tat ihr mögliches um auch während der Kriegszeiten den religiösen Bedürfnissen der Muslime gerecht zu werden. Wenn immer möglich war es ihnen erlaubt, ihre fünf täglichen Gebete auszuführen und anstelle der üblichen Militärkappen erkannte man die muslimische Streitmacht bereits von weitem am Tragen des Fez; der türkischen Kopfbedeckung.

Der Krieg endete für Österreich-Ungarn mit einer bitteren Niederlage was dazu führte, dass bereits im Oktober 1918 ein neues Nationalkomitee für Bosnien-Hercegowina aufgestellt wurde. Im selben Jahr verliessen die letzten Beamten der alten Besatzungsmacht das Land und Ende des Jahres wurde ein neues Königreich ausgerufen, welches bis zum nächsten grossen Krieg über Bosnien-Hercegowina regieren sollte; das Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen.

Für die muslimische Bevölkerung des Landes begann eine schwierige Zeit. Sie wurden immer ärmer, ihre Ländereien wurden beschlagnahmt und ihre Rechte zurück gebunden. Die vorher blühende Hauptstadt als kulturelles und administratives Zentrum wurde zunnehmends margialisiert. Ein grosser Teil der muslimischen Bevölkerung wanderte in die Türkei oder in den Sanjak aus, ein von Muslimen bewohnter Landstrich in Serbien.

Im Jahre 1921 zählte Sarajevo 66'317 Einwohner.

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen überstand den Zweiten Weltkrieg nicht.
Am 6. April 1941 bombardierten deutsche Kampfflugzeuge die Stadt Sarajevo und nur zwei Tage später flohen der König und das Jugoslawische Parlament von Belgrad nach Sarajevo, von wo aus sie wenig später nach England emmigrierten.
Die Kapitulation des Jugoslawischen Königreiches hatte eine Besetzung des Landes durch die faschistische NDH Regierung des „unabhängigen“ Kroatiens zur Folge. In der Folge kam es zu Massenvernichtungen und Deportationen der bosnischen Juden und auch der Serben. Die Ustasa, so wurde die mit den deutschen kooperierende kroatische Armee genannt, baute zahlreiche Konzentrationslager, in welchen in den folgenden Jahren zehntausende Menschen den Tod fanden. Tausende Juden wurden in Sarajevo verhaftet und in die Konzentrationslager in ganz Europa verfrachtet.

Im Nationalmuseum in Banja Luka, Hauptstadt der Republika Srpska in Bosnien-Hercegowina, besuchte ich eine Ausstellung über die Zeit während dem Zweiten Weltkrieg. Schwerpunkt der Ausstellung war die Massenvernichtung der serbischen Bevölkerung durch die kroatische Ustasa. Beim Besuch dieser Ausstellung wurde mir bewusst, welche tiefen Wunden diese Zeit ins „Gedächtnis“ der serbischen Bevölkerung Jugoslawiens gerissen hatte. Genau diese Wunden brachen 1991 wieder auf, als der Krieg zwischen Serbien und Kroatien losbrach. Viele serbische Soldaten sahen darin wohl auch eine Vergeltung der erlittenen Übel zwischen 1941 und 1945.
Interessant fand ich, dass im Nationalmuseum in Banja Luka aber kein einziges Wort über den Krieg verloren wurde welcher zwischen 1992 und 1996 im Land herrschte.
Ist es noch zu wenig lang her? Ist es noch nicht Geschichte?

Am 6. April, genau vier Jahre nach der Bombardierung Sarajevos befreite die Partisanenarmee unter der Führung des Generals Tito die Stadt Sarajevo. Zu Ehren dieses Tages wurde das Ewige Feuer im Zentrum Sarajevos errichtet, eine Flamme die danach ständig brannte bis zur abermaligen Besetzung der Stadt durch serbische Truppen; dem Ewigen Feuer ging das Gas aus.

Im Jahre 1955 zählte Sarajevo bereits 167'000 Einwohner und bereits sechs Jahre später waren es über 213'000. Die Stadt erhielt ihre frühere Bedeutung zurück, nun im Staatenbund der Jugoslwischen Republiken.
In den 60er und 70er Jahren entstanden in Sarajevo zahlreiche Wohngegegnden, es wurden Hotels und Spitäler gebaut und die Infrastruktur der Stadt wurde modernisiert.

Die 14. Olympischen Winterspiele wurden 1984 in Sarajevo ausgetragen, eine Stadt welche damals bereits mehr als 400'000 Einwohner zählte. Mit diesem grossen Ereignis rückte Sarajevo in den Fokus der Weltgemeinschaft und wurde bekannt als Stadt des Friedens, der Liebe und der Prosperität. Die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt durften sich zu den glücklichen Bewohner einer blühenden Metropole Europas zählen. Der Zukunft schaute man voller Optimisimus entgegen.

Ich habe mit einem Mann, welcher heute fürs Rote Kreuz arbeitet, über jene zeit gesprochen. Er besass damals ein grosse Gasfirma kurz Hassan-Gas genannt. Er beschäftigte über 100 Arbeiter und seine Firma machte dermassen hohe Gewinne, dass er mit seiner Familie regelmässig in der Welt herum gereist ist. In die Schweiz kam er zum Ski fahren, die Türkei besuchte er wenn er sich am Meer ausspannen wollte. Dann kam der Krieg. Hassan verlor alles! Seine Firma wurde buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht, er rechnet mit einem Verlus von 5 Millionen Euro. Aber Hassan klagt nicht. Für ihn und seine Familie sei der Krieg glücklich vorüber gegangen, niemand musste in ihm sein Leben lassen.
Heute arbeitet Hassan fürs Rote Kreuz und dank Wohnungen die er vermietet ist es ihm wieder gelungen Ersparnisse anzulegen. Als ich mit ihm im Auto war hielt er bei einem Wohnblock kurz an, stieg aus und drückte einer alten Frau, welche gebückt im Hauseingang gestanden hatte, eine Geldnote in die Hand. Zurück im Wagen sagte er mir, dass er dieser Frau, welche seit dem Krieg ganz alleine in der Welt stehe, regelmässig Geld gebe. Heute seien es 50 Mark gewesen, zu viel hätte die Frau gesagt, aber Hassan hat ihr nur die schwache Hand über der Geldnote geschlossen.

Als der Krieg losbrach konnten die meisten Bewohner dieser Stadt nicht glauben, dass er lange dauern sollte. War es doch schlicht unmöglich, dass die Weltgemeinschaft, welche acht Jahre zuvor nur lobende und zukunftsträchtige Worte für Sarajevo übrig hatte, die Stadt und deren Bewohner im Stich lassen würde. Es würde etwas geschehen, es würde geholfen werden, man würde Sarajevo nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
Vier Jahre lang wurde Sarajevo von der serbischen Armee eingekesselt und ausgeblutet. Während dieser ganzen Zeit hatte die UNO eine Schutztruppe in Sarajevo stationiert. Doch es stellte sich bald heraus, dass diese ihrer Aufgabe nicht gewachsen war. Unter dem Auge der UNPROFOR Soldaten wurden täglich Zivilisten von Granaten oder Heckenschützen umgebracht. Während den vier Jahren war jeder Tag im Leben eines Sarajeli ein Überlebenskampf.

Nachdem im August 1995 eine Granate auf dem Marktplatz im Stadtzentrum 37 Menschen getötet hatte, schien es einmal mehr soweit, als hätte alles Reden und Verhandeln keinen Sinn gehabt. Die Bewohner der Satdt hatten es unterdessen längst schon aufgegeben, den Verhandlungen irgend eine Bedeutung beizumessen. Und doch; am 14. Dezember 1995 wurde in Dayton das Abkommen unterzeichnet, welches die Kämpfe endlich einstellte.

Freitag, 28. Januar 2011

begehbar

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Und wir laufen weiter...

Donnerstag, 27. Januar 2011

Echo der Zeit

Meistens gehe ich früh morgens mit unserem Hund Pintas auf einen Spaziergang. Ich mag diese Stimmung draussen, wenn die Luft noch eisig kalt ist, die aufsteigende Sonne aber schon die Ahnung von Wärme auf die gefrorenen Grashalme sendet. Ich habe mir während diesen Spaziergängen angewöhnt, die Nachrichtensendung "Echo der Zeit" des letzten Tages anzuhören. Zu diesem Zweck speichere ich vorgängig die wenigen Megabytes auf den MP3 Player, stecke mir die Stöpsel in die Ohren und spaziere los. Saublöd, werden nun die ein oder anderen denken. Vermiest der sich doch tatsächlich den frühen Morgen mit Nachrichten des letzten Tages.
Ihr habt recht, kann ich denen die "saublöd" denken nur sagen. Eigentlich ist es saublöd. Aber ich mache es trotzdem und erfahre so jeweils am Morgen, was am letzten Abend Thema war. Im Moment vor allem Strassenschlachten und erfolgte oder geplante Stürze von undemokratisch gewählten Präsidenten oder demokratisch zur Macht gekommenen Diktatoren. Über Menschen die sich via Facebook und Twitter organisieren und dann zu zigtausenden auf die Strasse gehen, sich in die Arme der mit Tränengas und Schlagstöcken bewaffneten Polizeit werfen.
Fast immer nehme ich den gleichen Spaziergang, wenn ich früh morgens mit Pintas hinaus gehe. Fast immer kann ich im Nachhinein gewisse Meldungen mit bestimmten Örtlichkeiten auf meinem Weg in Verbindung setzen. Das Interview mit Irene Meyer, der Nahostkorrespondentin, auf dem Feldweg am Bach, bei der alten Weide, dort wo die Enten sich im Wasser putzen. Die Aufstände in der albanischen Hauptstadt Tirana, beim Waldrand, dort wo der Kiesweg weiter in Richtung Fussball Platz führen würde. Denke ich dann zu Hause angekommen an Tirana zurück, so erinnere ich mich auch an den Waldrand; unsinnig zwar, aber unvermeidlich.
Das Besondere an der Tatsache, die Nachrichten des letzten Tages während eines Spazierganges zu hören ist, dass ich mich voll und ganz auf die Nachrichten konzentrieren kann. Ich höre wirklich zu und gerade weil ich wirklich zu höre, kann ich manchmal kaum glauben was da so alles gesagt wird. Es ist mehrmals vorgekommen, dass ich einige Sekunden zurück gehen musste, nicht auf meinem Spazierweg sondern in der Nachrichtensendung "Echo der Zeit", um mich nochmals zu vergewissern, wirklich richtig gehört zu haben. Nachrichten sind dermassen absurd, wenn man ihnen richtig zuhört.
Einen Satz wie: "Die Märkte reagierten gereizt auf die Ankündigung des US-Präsidenten", vermögen mich immer wieder in Erstaunen zu setzen. Der Markt wird zur Person, zum Inidividuum erhoben, welcher gereizt, zufrieden oder verängstigt auf gewisse Faktoren reagiert. Oder ich höre den Chef der Schweizerischen Handelsniederlassung in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, in Riat, wie er das Königreich als fortschtittlich, innovativ und sicher lobt. Ein Land, in welchem das Gesetz den Frauen nach wie vor verbietet Auto zu fahren. Das Öl fliesst reichlich, das Geld ebenfalls, die anderen Faktoren sind zweitrangig.
Manchmal, wenn ich früh morgens mit Pintas auf einen Spaziergang gehe, dann beneide ich diesen Hund. Er weiss von all dem nichts und markiert nur munter drauf los. Und wenn ich mich, zu Hause angekommen, noch immer an die ein oder andere Nachricht erinnere und mich frage ob ich wirklich richtig gehört habe, legt sich Pintas eine Weile schlafen.

Montag, 24. Januar 2011

Kürbiskernöl


Böse Zungen würden es Betriebsspionage nennen, was wir heute Nachmittag in Gornja Bistrica betrieben haben. Der Gemüsebauer Michu aus dem bernischen Seeland hat sich, als harmloser Tourist verkleidet, zusammen mit seiner Frau und zwei waschechten Slowenen in die Kürbiskernöl Presse von Gornja Bistrica eingeschlichen. Bald werden die Beiden den Zug in Ljubljana mit Reiseziel Zürich besteigen; im Gepäck viele Eindrücke aus Slowenien, den Geschmack frisch gepressten Öls und einen Sack voller Hochleistungszucht Kürbiskernen. Der Gemüsebauer aus dem Seeland will als einer der ersten Kürbiskernöl Produzenten der Schweiz in die Bücher eingehen.
Warum auch nicht? Klimatisch gesehen spricht in der Schweiz nichts gegen die Produktion von Kürbiskernöl. Alle Freunde von uns aus der Schweiz, die hier in Slowenien auf Besuch kommen, sind von diesem Kürbiskernöl begeistert und nehmen meistens mehrere Liter davon wieder mit nach Hause. Die Produktion ist nicht wahnsinnig kompliziert, vorausgesetzt man verfügt über die nötigen Maschinen.
Kürbiskernöl hat hier in Slowenien, wie übrigens auch im benachbarten Österreich, eine grosse Tradition. Ganze Felder werden deshalb nur des Öls wegen mit den grossen, orangen Ungetümen bepflanzt, welche im Herbst wie vom Himmel gefallene Meteoriten die Felder der Stajerska zieren. Das Öl ist sehr schmackhaft und stellt eine gesunde, einheimische Alternative zum Olivenöl dar. Einheimisch in dem Sinne, als dass Kürbisse auch bei uns eine immer grösseren Beliebtheit kennen.
Der Besitzer der Kürbisölpresse in Gornja Bistrica zeigte uns nach der Betriebsbesichtigung eine alte Fotografie an der Wand. Zu sehen war ein schwimmendes Häuschen, welches durch Pfähle und dank eine Steges, der das Haus mit dem Festland verband, dem Strom des Flusses Mura trotzte. Dies sei die alte Mühle seines Vaters gewesen, meinte der Mann nicht ohne stolz. Hier hätten seine Vorfahren mit Hilfe des Flusses, das Getreide zu Mehl verarbeitet und einmal im Jahr eben auch das Kürbiskernöl hergestellt. Vor vielen Jahren schon habe man die Mühle vom Fluss landeinwärts verlegt. Heute erledigt die Elektrizität die Kraftarbeit und man spezialisiert sich ausschliesslich auf die Herstellung von Öl. Früher konnte man im Herbst ein halbes Dorf damit beschäftigen, die getrockneten Kürbiskerne zu schälen. Die heutigen Zuchtsorten tragen nun Kerne ohne Schalen, was eben die Arbeit des halben Dorfes einspart.
Wer noch nie Kürbiskernöl probiert hat, soll sich bitte nächstes Jahr gegen Ende November beim Gemüsebauer Michu aus Golaten melden. Vielleicht kann der dann weiterhelfen.

Samstag, 22. Januar 2011

Via Egnatia und der Zauberer von Oz


Vor kurzem habe ich mir den Film „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahre 1934 angeschaut. In dieser feinen Geschichte gerät das Mädchen Dorothy mit ihrem Hund Toto auf einmal in die Welt des Zauberers von Oz. Nachdem sie die böse Hexe des Ostens beseitigt hat wird sie von der guten Hexe des Nordens auf die Suche nach dem Zauberer von Oz geschickt. Das kleine Mädchen hat aber keine Ahnung von der Geographie des fremden Landes und bittet die gute Hexe deshalb um eine Wegbeschreibung. Die gute Hexe des Nordens muss ob der Frage des Mädchens lachen, denn es gibt doch nur gerade eine Strasse die zum Zauberer von Oz führt. Das Mädchen muss nichts weiteres tun, als dem mit gelben Steinen ausgelegten Weg zu folgen. Und tatsächlich spielt sich die nächste Stunde des alten Spielfilmes auch alles auf dem Parkett eben dieses gelben Weges ab.

Ganz so einfach ist es in der wirklichen Welt natürlich nicht. Zum Glück auch führen immer mehrere Strassen ans gewünschte Ziel. Mir scheint es jedoch, dass die Vielfalt an Strassen und Wegen es uns nicht selten erschwert, uns mit guter Überzeugung für einen Weg zu entscheiden.

Als ich zu Fuss unterwegs gewesen bin, habe ich mir nicht selten einen Weg, eine Strasse gewünscht, welcher ich einfach hätte folgen können. Einen Weg wie derjenige des Mädchens Dorothy im Land des Zauberers von Oz. Einen Weg voller Abenteuer und Überraschungen zwar, aber dennoch vorgezeichnet. Einen solchen Weg habe ich damals nicht gefunden.

Seit meiner langen Wanderung interessiere ich mich sehr für die Geschichte alter Wege und Strassen und ich hoffe, dass ich noch so einige von diesen Pfaden werde begehen können. Denke ich an meine Wanderung zurück, so bleibt mir ein Weg besonders eindrücklich in Erinnerung. Es war eine Strasse in Norditalien, kurz vor dem Gardasee. Sie wurde während des 1. Weltkrieges von italienischen Truppen gebaut und diente der Versorgung der Grenztruppen mit militärischem Material. Demenstprechend war sie auch mit grossen, schweren Steinen ausgebaut worden. Nach dem Krieg verlor dieser Weg aber seine Bedeutung und begann langsam zu zerfallen, zusammen mit den zahlreichen Forts und Bunker, welche den Wegrand säumten. Auf diesem Weg fühlte ich mich in eine andere Zeit, fast in eine fremde Welt entrückt und es hätte mich damals wohl kaum erstaunt, hinter einer Kurve den Zauberer von Oz anzutreffen (den ich damals übrigens noch nicht kannte).

Von Sarajevo aus hätte ich gerne eine der alten Verbindungs- und Handelsstrassen in Richtung Bosporus einschlagen wollen. Doch diese alten Strassen gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht mehr so wie ich sie mir vorstelle. Heute liegen sie begraben unter den asphaltierten Fernstrassen und sind Teil des Europäischen Fernverkehrs-Systems geworden. Denn die Routen haben sich nicht verändert und die Berge haben sich nicht abgeflacht.

Wenn ich mich nächstes Mal auf den Weg nach Istanbul mache, dann werde ich vielleicht die Via Egnatia einschlagen. Als östliche Fortsetzung der Via Appia war sie der direkte Weg zwischen Rom und Konstantinopel, den beiden großen Metropolen des spätantiken römischen Reichs. Die Via Egnatia führt von Durres im heutigen Albanien über den Ohrid See nach Thesaloniki und weiter durch Griechenland bis an den Bosporus. Teile der alten Heeresstrasse seien noch zu sehen, der grösste Teil jedoch liegt heute vergraben unter dem Asphalt von Autobahnen und Fernstrassen.

Freitag, 21. Januar 2011

Ein Hauch der weiten Welt


Wenn wir bei der Ausfahrt Lendava, im äussersten Osten Sloweniens, zur Tankstelle fahren, dann stehen dort immer zahlreiche Lastwagen, deren Fahrer gerade dabei sind eine kleine Ruhepause zu machen. Einige sitzen in ihren Kabinen und schauen sich einen Film an, andere scheinen zu schlafen, denn die grosse Frontscheibe wird von einer Art Vorhang bedeckt. Viele dieser Lastwagen-Fahrer haben, wenn sie bei der Tankstelle in Lendava rasten, bereits eine weite Reise hinter sich. Sie kommen von westen und wollen nach osten oder sie kommen von osten und wollen nach westen. Denn durch Slowenien führt die wohl wichtigste Verbindungsstrasse von der Küste des atlantischen Ozeans bis in die endlosen Weiten Russlands hinein. Wer von Spanien herkommend in die Ukraine unterwegs ist fährt durch Lendava, wer von Rumänien nach Frankreich will fährt durch Lendava. Englisch scheint sich bei den Lastwagen-Fahrern zum Glück noch nicht durchgesetzt zu haben. Bei der Infotafel auf der Tanksäule ist eine schier babylonische Sammlung von Sprachen anzutreffen, welche ein Hauch der weiten Welt am Strassenrand zurück lässt.

Montag, 17. Januar 2011

Eine Sprache lernen


"Gott erschuf die Welt in sechs Tagen. Und am siebten Tag hat er geruht."
Ungefähr so erzählt es uns das Alte Testament und demnach ist zu schliessen, dass der Montag der erste Tag der Woche ist. Die Existenz der Welt begann also an einem Montag. Der Montag war der erste Tag, an welchem die Erde das Licht der Welt erblickte.
Auf slowenisch heisst Montag "ponedeljek", was übersetzt soviel wie "vor dem Sonntag bedeutet". Wenn aber der Montag auf slowenisch damals bereits der Tag "vor dem Sonntag" war, dann kann logischerweise der Montag nicht der Anfang aller Dinge sein. Die Slowenen scheinen allgemein einen nüchternen Umgang mit den Wochentags-Name zu haben; so nennen sie den Donnerstag ganz einfach "cetrtek" (der Vierte) und den Freitag "petek" (der Fünfte). Ehrlich sind sie was die Bedeutung des Sonntags anbelangt: "nedelja" bedeutet soviel wie "der Tag an dem man nicht arbeitet".
Im Moment bereite ich mich darauf vor, so bald als möglich als Deutschlehrer für die Berlitz-Sprachschule in Maribor arbeiten zu können. Dafür muss ich diese Woche einen Intensivkurs belegen, welcher mich mit den Berlitz-Lehrmethoden vertraut macht. In diesem Kurs nimmt auch Gregor aus Melbourne, Australien, teil. Er ist mit seiner Familie vor 23 Jahren nach Australien ausgewandert, damals war er 8 Jahre alt. Als einziger der Familie ist er vor einigen Monaten nach Slowenien zurück gekommen. Er sagte mir, dass er in den letzten Jahren das Bedürfnis verspürte nach Hause zu gehen. Nach Hause, nach Maribor, Slowenien. Nächste Woche wird er seine Arbeit als Englisch-Lehrer aufnehmen. Englisch ist nun seine Muttersprache. Slowenisch spricht er zwar noch, jedoch mit einem Akzent.
Falls ich die Stelle bei Berlitz kriege, werde ich dort ebenfalls als Nativ-Speaker angestellt werden. Ich werde deutsch unterrichten und nur ab und zu, ganz behutsam, ein paar Brocken "Schwyzertüütsch" in meinen Unterricht einfliessen lassen. Nur so viel halt, dass die Business-Männer, die bei mir deutsch lernen, im Restaurant keinen Kaffee, sondern ein "Chäfeli" bestellen.

Sonntag, 16. Januar 2011

Zeitgeist im Udarnik


Das Kino "Udarnik" existiert seit Jahren offiiziell nicht mehr. Gemeinsam mit der Lichtspielhalle "Partizan" gab es einstmals zwei schöne, echte Kinos mitten im Altstadt-Zentrum von Maribor. Heutzutage finden Kinoveranstaltungen in Supermärkten oder im Multiple-Cine-Plex Kollosej statt.
Erfreulicherweise wurde in den letzten Monaten der Verein zum Erhalt des Kino Udarnik sehr aktiv. Im alten, wunderschönen Kinosaal finden Konzerte, Vorträge und Filmvorführungen statt.
Gestern wurde im überfüllten Udarnik die neueste Folge der Dokumentarfilm-Reihe "Zeitgeist" gezeigt. Das Kino war bis auf den letzten Platz gefüllt, eine Sondervorstellung musste später noch gegeben werden. Im Foyer konnte man Aufkleber der Zeitgeist-Bewegung erstehen und der Eintritt kostete lediglich 2 Euro. Schliesslich geht es ja den Zeitgeist-Machern nicht um Geld und Profit, sondern um Aufklärung. Ja, eigentlich wünschten sich die Zeitgeistler die Vernichtung des monetären Systems, etwas was der wohl grössten Revolution in der Geschichte der Menschheit gleichkommen würde. Während des gut drei stündigen Filmes werden einem Berge von Informationen um die Ohren geschlagen, so, dass man sich in der Pause nur noch betrinken möchte.

Die Zeitgeist-Bewegung ist faszinierend und erdrückend zugleich. Als Interview-Partner fungieren nur Männer mit grau melierten Bärten; als gäbe es keine Frau, die in dieser Hinsicht etwas zu sagen hätte.
Die revolutionären Ideen sind bestechend, weil fundamental anders, fundamental neu und wenn wir es uns eingestehen wollen, fundamental überzeugend. Und trotzdem; es ist nur ein Film. Immerhin im wunderschönen Kino Udarnik.

Samstag, 15. Januar 2011

Nix mit "Golden Fox"

Nach 25 Fahrerinnen wurde der "Goldene Fuchs" heute in Maribor also doch noch abgeblasen. Mehrmals bin ich während den letzten Tagen zur Skipiste gefahren um zu schauen, wie zum Teufel die dort aus nichts Schnee machen wollten. Während im Wald die ersten Blümchen ihre Hälse aus der feuchten Erde streckten, war den Organisatoren des FIS-Worldcup Rennens kein Aufwand zu schade, ihre Fahrerinnen, Zuschauer und Zuschauerinnen sowie die zahlreichen Sponsoren nicht zu enttäuschen.
Auch Natasa, ich und Pintas haben uns unter die Zuschauer gemischt. Ich war zum ersten Mal an einem Skirennen dabei. Dass die ganze Geschichte bereits nach 25 Fahrerinnen abgeblasen wurde wird wohl einiges dazu beigetragen haben, dass der Alkoholkonsum sich in Grenzen halten konnte. Denn ein Skirennen zu schauen ist nicht gerade unterhaltsam. Kaum hat man die Fahrerin im Blickfeld, ist sie auch schon an einem vorbei gesaust. Da schaut man lieber etwas tiefer ins Glas. Die traditionellen Faschingstänzer aus Ptuj waren für mich bei weitem interessanter.

Freitag, 14. Januar 2011

Donnerstag, 13. Januar 2011

Der Heilige Heinrich

Auf 1249 Meter über Meer, dort wo ein weiteres weitläufiges Skigebiet Maribors beginnt, steht die Kirche zum Heiligen Heinrich, auf slowenisch Sveti Areh genannt. Die Kirche steht inmitten einer grossen Waldlichtung und war im späten Mittelalter ein wichtiger Pilgerort gewesen. Heute wird sie fast ausschliesslich von Wanderer und Skifahrer bestaunt, welche in einer Berghütte bei einem Glühwein sitzend zu ihr hinüber spähen können.
Hier in Maribor sind die Veranstalter des "Golden Fox", so nennt sich der Weltcup-Damen-Slalom welcher hier nächstes Wochenende ausgetragen werden soll, langsam nervös und manch einer mag wohl den Heiligen Heinrich, den Sveti Areh, um Hilfe bitten, damit dieser doch noch etwas Schnee vom Himmel senden möge. Doch schliesslich wird das Rennen am Samstag höchstwahrscheinlich auch ohne echten Schnee über die Piste gehen; die Kanonen stehen allesamt schussbereit und den ganzen Tag über sieht man Menschen auf der Piste damit beschäftigt, die orangen Zäune zu montieren.
Denn wie einst zum Sveti Areh, pilgern seit Jahren zahlreiche Menschen zum "Golden Fox"; und mit ihnen will man sichs hier nicht verscherzen.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Halbwertszeit einer Waschmaschine

Slowenien ist doch nicht so sauber wie es auf den ersten Blick scheint.
Unter dem weggeschmolzenen Schnee ist in den letzten Tagen Haufenweise Müll ans Tageslicht gekommen. Petflaschen, Glasflaschen, Verpackungen aller Art und auch eine Waschmaschine. Sie blieb während zwei Wochen am Waldrand liegen. Ich und Pintas konnten bei ihrem langsamen Zerfall zuschauen. Jeden Tag wenn wir dort vorbei spazierten schien sie etwas zerstörter, ausgenommener auf dem feuchten Waldboden zu liegen. Pintas schnüffelte an ihr, bevor er ohne zu zögern das Bein hob und sie anpinkelte (etwas was er bei unserer Waschmaschine natürlich nie macht).
Vor einigen Tagen schliesslich war die Maschine auf einmal verschwunden. Jemand musste sie entsorgt haben. Sie verschwand auf mysteriöse Art, genauso wie sie gekommen ist. Viele Dinge verschwinden hier in Slowenien nach wie vor auf jene seltsame Weise, die wohl für manchen Schweizer etwas ungewohnt ist. Denn höchst selten findet man in schweizerischen Wäldern ganze Autowracks vor. Hier in Maribor steht ein solches in der Nähe unseres Hauses im Wald. Bestimmt schon seit mehreren Jahren. Obwohl die Menschen direkt nichts für ihren Abfall bezahlen (alles kann wann immer man will und in den gewünschten Mengen in den Container vor der Haustüre gebracht werden), verschwindet eine stattliche Menge davon irgendwo in der Natur. Fast als wollten die Leute ihre privaten Mülldeponien errichten.
Ich erinnere mich an die skuril anmutenden Szenen an den Ufern der bosnisch-herzegowinischen Flüsse; Tausende Plastiksäcke hingen dort in den Büschen und Bäumen. Wer wird sich darum kümmern?
Unterhalb unseres Wohnblockes gibt es eine Abfall-Entsorgungsstelle. Dort stehen fein säuberlich voneinander unterscheidbar fünf Container: Kehricht, Glas, Metall und Pet (lustigerweise wird das zusammen gesammelt), Papier und Kompost. Bei genauerem Hinschauen spielt es jedoch nicht wirklich eine Rolle welchen Container man nun für welches Material wählt. Denn im Innern der Container herrscht eine Multikulturalität sondergleichen: Bierbüchsen bändeln sich mit Glasflaschen an und das Plastik tarnt sich als Grünabfuhr. Ich habe noch niemanden gesehen, der den Kompost nicht direkt mitsamt seinem Plastiksack entsorgt. Ok, schliesslich ist ja Plastik auch aus Erdöl gemacht und irgendwann wird auch die farbenprächtigste Einkaufstüte ihren Weg zurück zu Mutter Natur finden. Ich und Natasa kommen uns beinahe schon etwas seltsam vor, wenn wir nach wie vor unseren Kompost über die vielen Plastiktüten zu schütten.
Wie lange zieht man so etwas durch? Wie viele unserer Nachbarn haben sich wohl auch bereits dieselbe Frage gestellt?
Übrigens: die Halbwertszeit einer Waschmaschine beträgt hier in Slowenien eine Woche.

Dienstag, 11. Januar 2011

Projekt-Menschen


Manchmal gibt es doch Wörter, die man so oft hört und vielleicht auch selber braucht, dass sie im Laufe der Zeit sich verwaschen, fast schon unbedeutend werden. Eigentlich sind es Wörter und Ausdrücke, die man mag, die man gerne in den Mund nimmt. Es kommt dann aber der Moment, an welchem man sie nur noch zögerlich über die Lippen bringt.

Einer dieser verwaschenen Ausdrücke ist für mich das Wort "Projekt". Ich bin ein "Projekt-Mensch" umgeben von "Projekt-Freunden". Gemeinsam ist uns nicht selten die Angewohnheit, dass wir uns gerne mit eigenen Projekten beschäftigen. Wir arbeiten mal in diesem, mal in jenem Projekt und versuchen zu verstehen, welches der vielen Projekte uns am meisten zusagt. Dies beschäftigt uns so lange, bis wir schliesslich unser eigenes Projekt realisieren und darin aufgehen möchten. Ganz wie ein Brot im Ofen.

Hier in Slowenien scheint mir diese Projekt-Arbeit unter unseren Freunden ebenfalls allgegenwärtig zu sein. Manchmal ist der fliessende Übergang von Projekt zu Arbeit nur schwer auszumachen. Matei arbeitet im Bereich der Kulturvermittlung, er gründete einen Verein welcher nun die Idee hat, im Jahr der Kulturhauptstadt 2012 ein Kulturtaxi ins Leben zu rufen; ein ausgebauter Kleinbus, welcher Kulturinteressierte von einer Veranstaltung zur anderen bringt und dabei noch Kunst im Bus erleben lässt. Ein Projekt. Viel Arbeit.

In der Schweiz gibt es meiner Ansicht nach auch viele Projekt-Menschen. Nur dort mit dem Unterschied, dass die meisten von ihnen sich Projekte für die Freizeit aufsparen. Daneben gibt es eine Arbeit, ein Arbeitsleben, mit allem was dazu gehört.

In Sarajevo traf ich fast keine Projekt-Menschen an. Das Projekt nennt sich dort Leben und man tut gut daran, so viel Zeit und Energie wie möglich dort hinein zu geben wenn man irgendwie vorwärts kommen will. Wer keine Arbeit hat sucht sich welche. Socken zu stricken und sie auf den Brücken der Stadt für 2 Euro zu verkaufen ist kein Projekt, sondern Überleben.

Nicht alle Projekte sind da, damit man sie realisiert. Einige existieren nur, damit man sich an ihnen die Zähne ausbeisst und irgendwie weiter kommt. Vielleicht kann man diejenigen Projekte auch Visionen nennen. Mir scheinen sie nicht weniger wichtig als die konkret umgesetzten Ideen. An Visionen kann man wachsen; wie in einem Wald sich von Ast zu Ast hangeln. Sie bringen uns dem Projekt "Leben" näher. In dieser Hinsicht sind wir alle "Projekt-Menschen".

Samstag, 8. Januar 2011

Und noch mehr Besuch


Unsere Wohnung war heute zum bersten voll, so dass wir bald einmal den Weg ins Freie gesucht haben. Auch Domagoj, Petra und Martina aus Zagreb haben heute den Weg zu uns nach Maribor gefunden. So war für einmal unsere Clique wieder vereint. Wir haben uns alle am gleichen Tag vor mehr als sechs Jahren auf der Insel Iz in Kroatien kennen gelernt. Seither kreuzen sich unsere Wege immer wieder. Die Ein oder Anderen von uns zieht es eines Tages vielleicht sogar wieder zurück nach Iz, ganz loslassen kann man auch von dieser Insel nicht.

Maribor zeigte sich heute von seiner windigen Seite. Kräftiger Südwind hat nun auch die letzten Skifahrer von der Piste vertrieben. So gehts.

Freitag, 7. Januar 2011

Alte Freunde in Maribor

Gemeinsam mit Brate Hitsch durfte ich gestern zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder meine Kenntnisse im Skifahren der Welt zeigen. Gross sind sie nicht und gross war auch nicht das Skigebiet welches wir gestern im Pohorje abfahren konnten. Wenn die Tage zuvor nicht Unmengen Kunstschnee auf die Pisten geblasen worden wäre, hätten wirs wohl kaum bis ins Tal runter geschafft.
In meinen Skihosen fand ich noch das Skiticket vom Dezember 2005. Damals, auf dem Pohorje, bin ich zum letzten Mal auf den Brettern gestanden.
Hitsch, Marijana, Riet und Maro sind bei uns zu Besuch!

Dienstag, 4. Januar 2011

Kleine Haltestellen und Farbtupfer

Ich habe eine Sendung über das Thema „Heimweh und Sehnsucht“ gehört. In dieser Sendung wurde erzählt, dass Schweizer Fremdenlegionäre, welche vor Jahrhunderten weit und breit für ihre Härte und Unerbittlichkeit bekannt gewesen waren, beim Klang von Kuhglocken in der Ferne oftmals krank wurden. Es soll sogar vorgekommen sein, dass die brutalen Kämpfer ob dem Klang der Glocken gestorben seien. Das Heimweh habe sie gepackt, sagte man damals. Die Krankheit Heimweh.
Sehnsucht kann sich natürlich durchaus auch auf die Heimat beziehen. Im Gegensatz zum Heimweh scheints mir aber, dass Sehnsucht auch vom Zuhause ausgehen kann. Sehnsüchtige Gedanken können in die Fremde schweifen, sie können Grund dafür sein, dass jemand überhaupt sein zu Hause verlässt.
Seit langem faszinieren mich Berichte davon, wie Menschen zu früheren Zeiten ihre Heimat verlassen haben. Welcher Mut, welche Entschlossenheit damals. Bestimmt und wahrscheinlich sogar nicht selten, welche Misere, welche Armut zu Hause. Auf jeden Fall gab es auch in früheren Zeiten bereits Menschen, die aus lauter Sehnsucht nach der Fremde das Zuhause, die Heimat verlassen haben. Sie mögen jedoch in der Minderheit gewesen sein.
Tagtäglich sind heute wohl Millionen von Menschen unterwegs, auf der Suche nach einer neuen Heimat. Der grösste Teil von ihnen unfreiwillig, viele wohl auf der Flucht. Glücklich können wir uns schätzen, die Möglichkeit zu haben unseren Aufenthaltsort zu wählen und eine Reise aus eigenem Antrieb unternehmen zu können.

„Das Rollen der Räder, das Zischen des entweichenden Dampfes zog die Menschen in ihren Bann, transportierte sie durch die Länder, löste ganze Völkerwanderungen aus. Fontana sah sie auf den Bahnhöfen ein- und aussteigen, sie trieben von Osten nach Westen, von Süden nach Norden, und die Maschine führte sie durch die Welt, die sich vor ihren staunenden Gesichtern entfaltete, sich vor ihren Augen in ihrer ganzen Vielfalt ausbreitete. Menschen, die bisher nur ihre angestammte Heimat kannten, die die Welt nur auf die kleine Umgebung ihrer Häuser und ihres Lebens bezogen, fuhren durch die Heimat anderer Menschen, liessen sich dort nieder, fanden oft keine Wurzeln, blieben fremd, zogen heimatlos weiter, in andere Teile dieser Erde, Heimat suchend, eine neue Heimat sich schaffend in immer ferneren, fremderen Landschaften.“

Es gibt doch diesen Satz: „Dort wo ich bin, da ist auch mein Zuhause“. Ein schöner Satz ist das, aber wann kann man das schon von sich sagen. Es kommt wohl nur selten im Leben eines Menschen vor, dass man sich überall zu Hause fühlen kann. Denn das bedeutet doch auch, dass man keine Bindungen und Verpflichtungen verspürt, die einem mal hier und mal dorthin ziehen. Auch wenn „Zuhause“ absolute Vertrautheit bedeutet, kann ich mir nur schwerlich vorstellen, dass man überall zu Hause sein kann. Wenn aber „Zuhause zu sein“ bedeutet, sich mit seiner ganzen Person, mit allem was man selber ist, jedem neuen Ort, jeder neuen Situation zu stellen, dann macht dieser schöne Satz für mich Sinn.

„Der Zug rollte vorbei an all diesen Dörfern und Städtchen, die nun irgendwo lagen, die nicht mehr den jeweiligen Mittelpunkt der Erde bildeten, die nur noch an irgend einer Eisenbahnstrecke lagen, bestenfalls kleine Haltepunkte waren, Farbtufper, kleine Muster in einer langen Kette, die sich zwischen zwei Endpunkten spannte, ein Muster über die Welt webte aus Stahl und Kohle und Bewegung und den Hoffnungen der Menschen.“

Zu wissen dass fast jeder Ort auf dieser Erde der Mittelpunkt für einen Menschen bedeutet, kann Vertrauen schaffen. Das Vertrauen darin, dass jeder kleine Haltepunkt, jeder Farbtupfer auf dieser Erde für einen bestimmten Menschen Vertrautheit und somit Heimat bedeutet. Darauf lässt sich aufbauen. Damit lässt sich Reisen.

Aus "Das Muster" von Dieter Forte

Montag, 3. Januar 2011

Aussicht vom Žigartov Vrh

Wanderung zum Žigartov Vrh

Mit Pintas habe ich heute eine Wanderung auf den Žigartov Vrh unternommen. Das Wetter war phantastisch, die Aussicht vom 1346 Meter hohen Berg ebenfalls.
Der Žigartov Vrh ist der höchste Berg im Pohorije rund um Maribor herum. Da er nicht über der Baumgrenze liegt muss man zum Schluss noch einen rund 15 Meter hohen Turm besteigen um das 360 Grad Panorama geniessen zu können.
Nataša wäre momentan wohl kaum die Feuerleiter hochgekommen...
Pintaš übrigens auch nicht, der stand unten am Fusse des Turms und weinte wie ein Schlosshund.

Sonntag, 2. Januar 2011

Unser Fürstenstein

Als ich letzten Winter mehrere Monate in Sarajevo zugebracht hatte, verspürte ich ein enormes Interesse daran, der Geschichte dieser Stadt und überhaupt der ganzen Gegend etwas auf den Grund zu gehen. Ich habe mir damals vorgenommen, diese Wachheit gegenüber der Gegend die uns umgibt mitzunehmen, wenn ich dann die Stadt verlassen sollte. Dass ich mir damit keine leichte Aufgabe gemacht habe, wird mir seither immer wieder bewusst. Nicht überall begegnet einem Geschichte dermassen auf Schritt und Tritt wie mir dies in Sarajevo passiert ist. Nicht immer hat man Zeit und Lust die eigene Umgebung zu hinterfragen und den Spuren, welche da überall im Laufe der Zeit hinterlassen wurden, nachzugehen.

Heute habe ich aber wieder einmal eine interessante und lustige Entdeckung gemacht. Zwar fehlt mir das historische Wissen um Details zu klären, Kenner mögen mir verzeihen, doch glaube ich durch eine Mischung aus Buch- und Internetrecherche die Verwandtschaft der Helveten und Helvetinnen mit den Sloweninnen und Slowenen entdeckt zu haben...

Beginnen wir mit dem verstorbenen österreichischen Politiker Jörg Haider: Nachdem die slowenische Nationalbank im Jahre 2007 bei der Einführung des Euro als Landeswährung den Fürstenstein auf der 2-Cent Münze abbilden liess, zögerte der damalige Landeshauptmann Haider nicht eine Sekunde, den historischen Fürstenstein aus dem Kärntner Landesmuseum demonstrativ in das Foyer der Kärtner Landesregierung transportieren zu lassen. Auf Haiders Initiative ist der Fürstenstein seit 2007 auf allen amtlichen Dokumenten und dem Briefpapier des Landes Kärnten als Symbol der Landesregierung abgebildet.
Die Slowenen wiederum sehen im Fürstenstein ein fast schon prä-national-historisches Relikt, wurden doch auf diesem Stein seit dem 6. Jahrhundert die slawischen Fürsten vereidigt; das Ritual fand damals in einer alt-slowenischen Sprache statt. Dass das Fürstentum Bayern, das Ritual rund um die abgeschlagene, römische Säule (dem Fürstenstein) später übernommen hat, macht für slowenische Historiker die Sache nicht unbedeutender.

Dass das österreichische Kärnten seinen Namen vom historischen Karantanien abgeleitet hat versteht sich von selbst. Forscht man im Internet etwas weiter rund um dieses Karantanien herum erfährt man jedoch so einiges Interessantes. Unter anderem eben auch von der Verwandtschaft der "Slowenen" mit den "Helveten".

Karantanien war ein im 7. Jahrhundert nach Christus entstandenes slawisches Fürstentum mit Zentrum im Gebiet des heutigen Kärnten. Über Kärnten hinausreichend und als ein erstes eigenständiges und stabiles Staatsgebilde nach der Völkerwanderung war es entscheidend für die Geschichte Kärntens und die der Steiermark und Sloweniens. Die in der Wissenschaft Alpenslawen, auch Vinedi genannten ethnischen Vorfahren der Slowenen, besiedelten am Ende des 6. Jahrhunderts in relativ kurzer Zeit den östlichen Teil der Ostalpen. Diese Slawen werden im 7. Jahrhundert als carantani, sclavani, sclavi, sclavoni oder veneti bezeichnet. Die Germanen nannten sie Winedi, Winadi oder Winden. Zwar exisitierte Karantanien nur gerade ein gutes Jahrhundert lang, hat aber sprachgeschichtlich wichtige Wurzeln hinterlassen.

Das in vielen europäischen Sprachen ähnlich klingende Wort „Sklave“ soll laut einigen Forschern demnach auch von der Volksgruppe der sclavani herstammen, also jener Alpenslawen, welche als Urfahren der heutigen Slowenen gelten. Die umliegenden Bevölkerungsgruppen gaben den Alpenslawen verschiedene Namen. Die Germanan nannten sie, wie bereits erwähnt, Winden. Ein Ausdruck der sich vom lateinischen Namen Venetae ableitet. Obwohl eine sichere ethnische Zuordnung der Venetae zu den Winden nicht möglich ist, hat diese Verbindung schon zu manchen Spekulationen Anlass geboten.
Der „Veneter-Kult“ und die Veneter-Theorie von den Historikern Šavli und Bor erfreuen sich selbstversändlicherweise allen voran in Slowenien großer Beliebtheit. Die slawischen Karantanen sollen nach Šavli und Bor von den antiken Venetern abstammen.

Ich persönlich würde die Verwandtschaftslinie sogar noch weiter nach nordwesten hin ziehen. Laut zahlreichen historischen Quellen wird nämlich vermutet, dass ihre Ansiedlung sogar noch weiter nach Norden reichte, nämlich mindestens bis an die heutige Schweizer Grenze. Der Bodensee wird in römischen Quellen als lacus venetus bezeichnet.

Obwohl historische Rundumschläge selten hilfreich und erhellend sind, freut es mich doch sehr, dass mir einmal mehr zum Bewusstsein gekommen ist, wie sehr Geschichte eine Frage des Standpunktes ist. Mit etwas Überzeugungskraft würde man nämlich bestimmt einige verrückte Helveter dazu bringen können, eine Entführung des Fürstensteins aus dem Kärntner Landesmuseum (dort steht er nämlich heute wieder) in die Wege zu leiten; schliesslich gehört er ja auch ein Bisschen uns.