Slowenen mögen es sehr auf eigene Faust Pilze zu sammeln. Das scheint hier zu Lande beinahe ein Nationalsport zu sein. In der Schule wird es gelernt und während eines Musikfestivals in Maribor steht im Stadtpark ein Stand der Pilzenfreunde. Es wird munter gesammelt und zubereitet, denn die slowenische Küche ist reich an pilzhaltigen Gerichten.
Gestern auf dem Fahrrad traf ich etwas unterhalb des Areh auf einen älteren Radfahrer in kompletter Montur. Ich fragte ihn auf englisch nach dem Weg zur Bergspitze. Er meinte ich solle ihm ruhig folgen, er wolle dorthin, in rund einer Stunde könnten wir sie erreichen. Während wir uns die steile Strasse hochkurbelten begann er von Pilzen zu sprechen. Und auch von Pilzvergiftungen, denn eine davon hätte er bereits erlitten. Mit 30 Jahren servierte ihm seine Mutter einen Fliegenpilz (eine essbare Sorte soll dem Klassiker der Giftpilze verblüffend ähnlich sehen, nur halt ohne die weissen Punkte). In der Nacht hätte er dann angefangen zu spinnen, wollte auf dem Dachgiebel spazieren gehen und ähnlichen Blödsinn anstellen. Den Weg ins Spital hätte er schliesslich selber gefunden. Dort liess man ihn die ganze Nacht lang erbrechen.
Den russischen Soldaten aus Sibirien sei es in Slowenien nicht anders ergangen als ihm, damals vor 30 Jahren. Als die Rote Armee gegen Kriegsende 1945 einen Teil Sloweniens besetzte (ein anderer Teil wurde von Titos Partisanen befreit), bestand sie beinahe nur noch aus sibirischen Russen. Die "europäischen" Russen waren zu einem grossen Teil bereits während der Kämpfe gefallen. Die Soldaten waren ausgehungert und sehnten sich nach einer Nahrung, die sie an ihre Heimat erinnerte. Da trafen sie auf die Pilze, die in jenen Monaten gerade aus dem Boden zu schiessen begannen. Einer davon war grün, mit weissen Punkten; der grüne Fliegenpilz. Tödlich. Im Glauben darum es handle sich um denselben grünen Pilz, welcher die Frauen in ihrer fernen Heimat zu einem schmackhaften Gericht verarbeiteten, stürzten sich die ausgehungerten Soldaten auf den Giftpilz. Und starben daran in Dutzenden. Welch Ironie; da hat man Jahre des Krieges überlebt und stirbt in den ersten Tagen des Friedens an einer Pilzvergiftung. Die Führung der Roten Armee verbot draufhin das Sammeln jeglicher Pilze in Slowenien.
Dies und Ähnliches erzählte mir Vlado gestern, als wir mit dem Rad auf den Areh fuhren. Hinunter führte er mich dann über das Gelände der renommierten Skipiste von Maribor. Er, ausgerüstet mit Federgabelung und Handschuhen, ich im Freizeitanzug. Die Schläge über die holprigen Off-Road Pisten konnte ich kaum dämpfen und es surrte in meinem ganzen Körper als wir schliesslich bei der Talstation der Gondelbahn ankamen und uns zu einem Bier in die "Mala Lipa" setzten. Dort schauten wir uns noch die zweite Hälfte des Spiels Spanien-Portugal an. Fussball interessiert Vlado nicht, er sprach weiter über Pilze und ähnliches.
Mittwoch, 30. Juni 2010
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