Vielleicht habe ich die Schweiz noch selten so intensiv erlebt wie in diesen letzten 5 Wochen, als ich zwecks Besuch und Arbeit gemeinsam mit Natasa in Bern wohnte und im Diemtigtal sowie in Golaten arbeitete. Im Diemtigtal ging ich meinem "Stammberuf" nach und unterrichtete eine gemischte Oberstufe in Bächlen. Ein Schulhaus, ein Schulzimmer und keine Fabrikglocke, welche die Studierenden in immer gleichen Abständen an ihren Arbeitsplatz zurück beordert. Der Turnunterricht fand mindestens einmal pro Woche, bei jedem Wetter, draussen statt. Ein Schulbus holte die Kinder von den umliegenden Höfen ab und brachte sie nach Bächlen, sofern diese nicht mit dem eigenen Töffli angefahren kamen, was bei 80 % der Kinder der Fall war. Ein grosses Vorbild war allen der frisch gekürte Schwingerkönig Wenger Kilian. Seine Mutter lernte ich kennen, sie arbeitet als Schulbusfahrerin. Die Lobeshymnen auf den Schwingerkönig dominieren auch Monate nach dem Kampf weiterhin in Form von Plakaten und aufgehängten Leintuchmalereien die Gegend. "Mir si stolz uf üse Kilian". Es war ein Erlebnis der besonderen Art in diesem Diemtigtal unterrichten zu dürfen. Es tut gut zu wissen, dass es solche Plätze gibt. Und als die Kinder zum Abschluss eine Party für mich organisierten, Zopf, Käse und Hamme auftischten und mir auf dem Schwyzerörgeli ein Ständchen gaben, so ging mir das wirklich zu Herzen. Am liebsten hätte ich damals die Stühle bei Seite geschoben, Sägemehl auf den Boden gestreut und mit einem starken Hosenlupf ein Kräftemessen veranstaltet; den Schwingen lässt sich bekanntlich nur unter Freunden.
An meinen schulfreien Nachmittagen arbeitete ich jeweils bei Michu in Golaten. Michu ist Gemüsebauer und bewirtschaftet zahlreiche Felder in und um Golaten herum. Während meines Aufenthaltes in der Schweiz staken noch immer die Petruschkas alias Peterliwurz in der Erde und bei einer goldenen Herbstsonne verbrachten ich und der slowakische Arbeiter Michael gar manche Stunde damit, auf den Knien rutschend Tausende dieser Rüben aus der Erde zu ziehen. Nach einem Nachmittag schmerzten mir bereits alle Glieder. Ein Glück hatte ich Michael zu meiner Seite. Der 60 jährige Slowake verbrachte gerade seine vierte Saison als Gastarbeiter in der Schweiz (die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, welcher ein solches Statut noch kennt...). Er konnte mich beruhigen, denn er meinte, dass ich nach einigen Tagen keine Schmerzen mehr spüren würde. Bei Sonne, Regen, Frost und Hitze arbeiteten wir uns durchs Petruschka Feld um schliesslich noch tonnenweise Kohl zu schneiden. Es wurde gelacht und geflucht auf dem Feld und unser Chef merkte bald, dass er mit zwei Tassen Kaffee am Tag unsere Leistung um mindestens 50% steigern konnte... Am letzten Abend lud uns unser Chef Michu in die "Glungge" zu Hühnerflügeli und Bier ein. Michael bestand darauf, dass vor dem Essen eine Runde Vodka getrunken wurde. Aus einer Runde wurden schliesslich deren vier und wäre der Glungge nicht das russische Gesöff ausgegangen, wir sässen wahrscheinlich noch die ganze Nacht lang dort und würden trinken.
Ich kam als Gastarbeiter in die Schweiz. Kurze 5 Wochen verbrachten Natasa, ich und Pintas in meiner Heimatstadt (ein herzliches Dankeschön unseren Gastgebern Gisu und Dome!). Nun sind wir zurück in Maribor wo wir die Wohnung für das grosse Ereignis im Februar bereit machen. Pintas muss sich daran gewöhnen, dass es Orte gibt, die für ihn in Zulunft tabu sein werden. Ich muss mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr jeden Tag meine Finger in die Erde stecken kann um irgendwelches Gemüse zu ernten; es wird mir fehlen.
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