Dienstag, 26. April 2011

Paloma



Zwei Mal die Woche fahre ich nach Slatki Vrh, auf den Süssen Berg, wo ich in der Hygiene-Papier-Fabrik „Paloma“ deutsch unterrichte. Ich würde unterdessen wohl auch ohne Bezahlung in der Fabrik Paloma arbeiten, dermassen habe ich diese Gruppe dort liebgewonnen. In unserem Deutschunterricht hat sich eine Tradition eingeschlichen, die wir besser nicht dem Fabrikdirektor, welcher den Deutschkurs angeordnet hat und auch nicht meiner Chefin von Berlitz verraten sollten; mit einer beinahen Regelmässigkeit bringt jemand etwas Kleines zu essen oder zu trinken mit in den Unterricht. Das Glück will es , dass einige meiner Studentinnen regelmässig geschäftlich in Südosteuropa unterwegs sind. So durften wir dann auch bereits montenegrinischen Wein, makedonische Ratluks oder kosovarische Halva degustieren. Ich meinerseits habe kürzlich ein gutes Stück Schweizer Käse mit in den Unterricht genommen, dazu einen Humagne Rouge du Valais, ein Geschenk meines lieben Copagnons aus der Schweiz. Dermassen, Wein und andere Köstlichkeiten kostend, lässt es sich doch bedeutend leichter studieren...
Übrigens: Die abgebildete Torte ist nicht zum Verzehr gedacht. Vielmehr ist sie ein Hilfsmittel für nach dem Verzehr jeglicher Torten. Sie war mein Geburtstagsgeschenk aus der Fabrik Paloma!

Sonntag, 10. April 2011

Pohorje


Dieser Wald! Etwas ist wirklich Besonders an diesem Wald. Deshalb zieht es mich auch immer wieder dort hinein und hinauf und hinunter, denn in diesem Wald zu spazieren bedeutet, über Steile Abhänge hochzusteigen oder im Bachbett eines der zahreichen Gewässer seinen Weg zu suchen. Der „Pohorije“ nennt sich zu deutsch „Bachern“. Ein Name der nicht unbegründet vergeben wurde; ziehen sich doch entlang des Pohorje hunderte von kleinen Bächen den Hügel hinab um später irgendwo am Waldrand zu versickern. Im Wald des Pohorije zu spazieren, transportiert mich immer in eine andere Zeit hinein. In eine Zeit der Elfen, Zwerge und Baumriesen. Vielleicht ist der Pohorije auch deshalb so besonders, weil diese vermeintliche Zeitreise gar keine Reise durch die Zeit ist. Vielleicht ist der Pohorije tatsächlich noch immer Heimat für Zwerge, Elfen und Baumriesen. Erstaunen würde es mich nicht!

Mittwoch, 6. April 2011

Perspektivenwechsel

Perspektivenwechsel sind wünschenswert und werden grundsätzlich als Bereicherung angepriesen. Eine Reise in ein fernes Land, in eine fremde Kultur kann ein Perspektivenwechsel sein. Das Überwinden grosser Distanzen in sehr kurzer Zeit vermag den heutigen Menschen in Situationen hinein zu katapultieren, in welchen er auf einmal völlig neuen Gerüchen, Klängen und Bildern ausgesetzt ist. Perspektivenwechsel sind aber auch im alltäglichen Alltag möglich und ich erschrecke immer wieder darob, wie wenig ich davon Gebrauch mache. Manchmal mit unserem Hund Pintaš im Lift, während der Fahrt in den 5. Stock unseres Wohnblockes, kauere ich mich zum ihm hinunter und erlebe die Liftfahrt aus der Perspektive des Hundes und staune über das völlig neue Gravitätsgefühl, welches man erlebt, wenn der Lift im 5. Stock ruckartig in seiner Fahrt anhält. Ich kann mich erinnern, wie wir früher, als Kinder des Spieles Willen und als Jugendliche des Aufstands wegen, uns manchmal mitten in der Stadt auf den Boden gelegt haben, auf diesen schmutzigen Boden welcher sonst nur mit Schuhen begangen wird, auf welchem Zigarettenstummel und McDonalds Verpackungen liegen. Doch die Perspektive, dem schmutzigen Stadtboden nahe, war fantastisch. Die Menschen wie Riesen an einem vorbei gehen sehen, die Häuser schiessen wie Wolkenkratzer in die Höhe und zwischen den Strassenschluchten weisse Wolken, die in diesem Moment nur für dich da zu sein scheinen. Oder noch besser; kürzlich habe ich mich in einer riesigen Kathedrale auf den Boden gelegt, auf diesen kühlen Steinboden der alt und müde riecht, von den vielen Schuhen über Jahrhunderte schon abgetreten. Die Kathedrale wirkt dann natürlich ganz anders und vielleicht seit vielen Jahren wieder einmal wirklich gross und ehrführchtig. Das Gefühl, welches die Erbauer erwecken wollten, dass sich der Mensch klein und der Übermacht Gottes ausgeliefert vorkommt, kann einem in einer derartigen Perspektive wieder leicht anheim fallen. Doch versuche ich in solchen Momenten die Religion aus den Gemäuern wegzudenken und nur die Schönheit des Raumes zu fühlen, der in seiner scheinbaren Grösse doch begrenzt, vielleicht dem anscheinend unendlichen Universum gar nicht so artfremd ist. Auch folgende Vorstellung: Als Kind wünschte ich mir, wenn ich in einer der grossen Kathedralen stand, nichts anderes, als meine Arme auszubreiten und in diesem hohen Raum bis an die Decke zu fliegen um dann in einem segelnden Flug, die ganze Länge des Gotteshauses abzumessen. Ich stellte mir vor, wie diese Kathedrale aus fliegender Perspektive aussehen müsste, stellte mir die steinernen Muster des Kirchenbodens aus der Höhe betrachtet vor. Durch solche Kirchenräume zu segeln war immer ein grosser Wunsch von mir. Gestern Nacht hatte ich einen Traum. Ich stand mit Freunden auf einer grossen Wiese, neben uns ein schwarzer Hund, welcher auf einmal mit grossen Sprüngen sich vom Boden erhob und, ständig mit den Beinen in die Luft schlagend, begann sich über unseren Köpfen fortzubewegen. Der Hund flog über die Wiese. Es sah zwar anstrengend aus, vergleichbar auch mit der Schwimmweise eines Hundes, doch war nicht abzustreiten, dass dieser Hund fliegen konnte. Niemand war darüber wirklich erstaunt gewesen. Ich auch nicht. Und so kam es dann, dass ich das Gleiche versuchte wie der Hund, nämlich in die Luft zu springen und mit meinen Beinen an irgendwelchen Molekülen mich abstossend langsam an Höhe zu gewinnen. Das Unterfangen gelang mir nicht beim ersten Anlauf, doch nach und nach konnte ich, alle meine Glieder wild bewegend, für längere Zeit in der Luft bleiben. Ich gewann auch an Höhe und auf einmal sah ich meine Freunde weit unten auf der Wiese stehen. Ich bewegte mich durch die Luft, der Gravität trotzdend oder besser gesagt gegen sie ankämpfend erstreckte sich nach und nach eine Landschaft unter mir, die ich aus einer solchen Perspektive noch nie gesehen hatte. Es war wunderschön. Wenn wir doch nur fliegen könnten... Fliegen aus eigener Kraft, fliegen aus eigenem Antrieb. Das dachten Nataša und ich auch vor einigen Tagen wieder, als wir von Meranovo aus über die zahlreichen Hügel des Pohorje und Kosjak hinunter nach Maribor geschaut haben. Wie wäre uns die Welt auf einmal zugänglich... Wäre sie uns zugänglicher? Jurij schaute auch über die Hügel und in den blauen Frühlingshimmel. Er schaute und staunte, eine Regung, welche bei ihm noch eins zu sein scheint. Vielleicht sah er den fliegenden Hund, vielleicht auch fliegende Menschen und wer weiss, vielleicht ist er selbst für eine kurze Zeit aus dem kleinen Körper hinausgeschlüpft um über die wunderschöne Landschaft zu fliegen. Können wir fliegen? Fliegen aus eigener Kraft, aus eigenem Antrieb. Würde Jurij mich das hier und heute fragen ich würde ihm mit Ja antworten. Hoffentlich werde ich das auch später noch tun und hoffentlich werde ich auch viele andere Fragen mit Ja beantworten. Vielleicht muss ich Jurij dann eingestehen, dass ich es verlernt habe, dass ich die Fähigkeit zu fliegen nicht mehr besitze, was aber nicht heisst, dass man es nicht kann. Denn schliesslich bleibt es doch für alle Zeiten so: Was im Traum, was in der Vorstellung, was in der Phantasie möglich ist, das ist möglich. Unsere Realität hat damit nichts zu schaffen. Und wenn wir unserer Realität mehr Bedeutung zumessen als den Träumen dann ist das allein unser Problem. Deshalb Jurij: Wir können fliegen!

Samstag, 2. April 2011

Rollschuhlaufen

Auf dem Balkon hier in Maribor stehen seit geraumer Zeit meine BigStar Rollschuhe. Es sind dies Rollschuhe der alten Mode, bei welchen die Räder nicht inline sondern paarweise angeordnet sind wie bei einem ordentlichen Gefährt üblich. Diese Rollschuhe besitze ich seit mindestens 15 Jahren und noch immer passen sie mir. Heute Nachmittag habe ich sie wieder einmal angezogen und bin rollend über den neu asphaltierten Fahrradweg nach Süden gefahren, vorbei an vor einigen Jahren gepflanzten Bäumen dem Pohorje entgegen. Das Rollschuhfahren habe ich in all den Jahren nicht verlernt, denn damit verhält es sich wahrscheinlich wie mit dem Fahrradfahren; hat man es einmal raus, so bringt man es nicht mehr weg. Noch immer kann ich mich in voller Fahrt um 180 Grad drehen um dann mit unverminderter Geschwindigkeit, meinen Blick der Fahrtrichtung abgeneigt, weiter zu sausen. Man darf sich dabei nicht überlegen, was einem bei einem derartigen Manöver alles passieren könnte, denn sonst wird es wirklich gefährlich. Wahrscheinlich haben nicht unbedingt die motorischen Fähigkeiten abgenommen seit meiner Blütezeit des Rollschuh-Fahrens. Wahrscheinlich hat nur die Angst vor einem allfälligen Sturz zugenommen und mit der Zunahme dieser Angst höchstwahrscheinlich auch die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Unfalles. Dass ein solches Umfallen immer mit grösseren Schäden verbunden ist zweifle ich noch heute an, doch gehört es zweifelsohne nicht mehr zu den alltäglichen Erfahrungen eines Dreissigjährigen. Bedenkt man, dass Umfallen als Kind als fixer und häufiger Punkt eines jeden Tagesablaufes zu verzeichnen war, so mutet es doch seltsam an, dass dies als Erwachsener eigentlich kein Thema mehr ist. Wahrscheinlich ist dies nicht deshalb so, weil wir motorisch geschickter geworden sind. Wahrscheinlich muten wir uns einfach weniger zu und bewegen uns mit Sicherheit grundsätzlich bedeutend ärmer, als wir dies als Kind getan haben. Ich jedenfalls nehme mir vor, in regelmässigen Abständen wieder meine Rollschuhe anzuziehen um diese 180 Grad Wende in voller Fahrt auszuprobieren. Solange ich es mir zutraue, so lange glaube ich, dass ich nichts zu befürchten habe.

Mittwoch, 30. März 2011

Feier im Schloss Fala


Am vergangenen Samstag Nachmittag waren wir beim Grafen zu Fala zum Essen eingeladen. Es war eine Gesellschaft von rund dreissig Nasen, die sich vom Butler Blaz staunend und auch mit etwas Ehrfurcht durch die vielen Räumlichkeiten des Schlosses führen liess. Für die meisten Freunde war es der erste Besuch im Schloss Fala, wenige wussten auch darüber Bescheid, dass sich das Schloss seit einigen Jahren in Privatbesitz befindet.

Empfangen wurden wir alle im Eiskeller des Schlosses. Dies ist eine Art Pavillon, der sich am äussersten Rand des Schlossgartens befindet und in innerhalb dessen Mauern die Temperaturen auch im Sommer eine sehr angenehme Frische aufweisen. Der Butler Blaz liess uns wissen, dass in früheren Zeiten in diesem Pavillon Eisstücke bis in den August hinein aufbewahrt werden konnten. Das Eis wurde aus der Drava geholt welche damals im Winter noch über weite Stellen zufrieren konnte. Heute hat dieser altertümliche Eiskeller seine Funktion verloren und auch die Drava friert nicht mehr zu genau so wenig wie die Flösser auf ihren langen Schiffen von Maribor in Richtung Belgrad und später bis ins Schwarze Meer fahren; alle paar Kilometer staut die Mauer eines Elektrizitätswerkes den Lauf der Drava. Der Eiskeller vermochte jedoch den Aperitif-Schnaps auf eine angenehme Temperatur runter zu kühlen und man genehmigte sich das ein oder andere Gläschen.

Im Schloss selber wurden wir anschliessend vom Grafen persönlich empfangen, der uns in seiner schwarzen Robe durch seine Gemächer führte. Die Räume des Wohntrackts des Schlosses Fala sind eine wahre Fundgrube für Spürnasen. Überall liegen, hängen und stehen alte Objekte, eine angebrannte Zigarre liegt auf dem Tisch, daneben ein alter Revolver, irgendwelche vergilbte Fotografien liegen verstreut auf dem Nachttisch neben dem schweren dunklen Holzbett, ein Hemd hängt zerknittert über einem Stuhl, gerade so, als hätte sich jemand eben erst aus dem Bett geschlichen und unauffällig das Weite gesucht. Was hier in Fala gelebte Realität und was nur Spiel ist lässt sich schwerlich sagen. Man ist geneigt zu glauben, der Graf Milan Slavic lebe wirklich so, umgeben von all diesen alten, scheinbar nutzlosen Dingen, alleine mit seinem Butler in diesem Schloss an der Drava mit seinen Dutzenden von Zimmern und der Unzahl an Kellerräumen, welche sich tief unter dem Schloss Labyrinth ähnlich ausdehnen. Das Nachtessen bei Kerzenlicht im Roten Saal liess nichts zu wünschen übrig. Alles aus dem Holzofen der Schlossküche, zubereitet von den Köchen des Schlosses Fala.

Es war definitiv eine andere Welt, welche uns später im Jazzclub Sachmo in Maribor erwartete, in welchem wir das Fest in Ruhe ausklingen liessen.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass so viele Freunde den Weg nach Fala gefunden haben. Aus der Schweiz Flo, Johanne, Cynthia und natürlich auch der Mitbegründer der gehcrew, mein lieber Freund dan. Aus Sarajevo ist Boris angereist, im Gepäck eine grosse Packung bosnischen Kaffees und eine Kiste der wohl besten Ratluks, die es zur Zeit in der bosnisch-hercegowinischen Hauptstadt zu finden gibt. Natürlich sind auch aus Maribor zahlreiche Freunde ans Fest gekommen. All Ihnen ein herzliches Dankeschön!

Montag, 21. März 2011

Blick nach innen


Vor einem Jahr bin ich von Maribor aus zurück nach Sarajevo gefahren um die Wanderung in Richtung Istanbul fort zu setzen. Dreihundertfünfundsechzig Tage sind seither vergangen und heute morgen trage ich den schreienden Jurij so lange in meinen Armen, bis er wieder einschläft. Gemeinsam sitzen wir oft frühmorgens hier in der Küche und schauen wie es draussen langsam hell wird. Dank Jurij weiss ich jetzt, dass die Vögel nach Borova Vas zurück gekehrt sind und bereits um halb fünf Uhr morgens in den Bäumen vor den grossen Wohnhäusern ihre Konzerte geben. Jurijs Blick schweift in diesen Stunden immer weit hinaus, auch wenn er nur die Wand in der Küche zu betrachten scheint. Er muss durch und über diese Wand hinaus sehen, er wird mehr sehen als ich es mir vorstellen kann. Jurijs Blick geht weit hinaus, durch die Wände unseres Wohnblockes hindurch, über die Bäume von Borova Vas und auch über den Pohorije, auf welchem der Schnee seinen letzten Auftritt vor dem hereinbrechenden Frühling zu geben scheint. Jurijs Blick geht weiter als ich jemals wandern könnte, denn seine Augen schauen auch nach innen. In diesen Momenten scheint er eins zu sein mit der Welt. Ein Zustand den wir Erwachsenen kaum mehr erreichen können. Es zu versuchen sollte aber immer wieder Priorität in unserem Leben haben. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen tanzen wir und schreiben wir Bücher, lieben und bekriegen wir uns, erforschen wir die Atome und reisen ins Weltall hinaus. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen versuchen wir nach Istanbul zu wandern, studieren wir an Universitäten und suchen Ruhe in Meditations Kursen. Jeder Mensch hat selber einmal die Fähigkeit besessen nach innen zu schauen und dabei vielleicht eine Einheit von „innen“ und „aussen“ gefühlt. Dass wir diesen Blick nicht mehr beherschen heisst aber hoffentlich nicht, dass wir ihn verloren haben.

„Bei deiner Geburt warst du ohne Gedanken. Nimm diese Wahrheit so tief wie möglich in dein Herz auf, denn dann öffnet sich dir eine Tür. Wenn man ohne Gedanken geboren ist, dann ist das Denken ein Produkt der Gesellschaft. Die Existenz geht dem Denken voraus.“

Osho

Montag, 14. März 2011

Samstag, 12. März 2011

Im richtigen Licht


Die Eisenbahnbrücke vor dem alten , wahrscheinlich unbewohnten Haus in Vuzenica, schluckt den grössten Teil der Morgensonne, welche ansonsten bei klarem Wetter auf die gelbe Fassade des alten Gemäuers scheinen würde. Für einen kurzen Moment jedoch kann man dank dieser Eisenbahnbrücke Gefühle erleben, als stände man als Haupdarsteller auf einer der ganz grossen Bühnen dieser Welt. Lässig an die Wand gelehnt oder auf der Bank sitzend geniesst man während einigen Minuten das Rampenlicht, welches von Osten her, sich an der Eisenbahnbrücke vorbei zu schummeln vermochte.

Sonntag, 6. März 2011

Starkes Wasser


Kürzlich haben Natasa und ich unweit von unserem Haus einen Mann angetroffen, der einfach so auf der Wiese zusammengesunken ist. Die Erde und das Gras waren an diesem Tag feucht, dementsprechend schmutzig auch die gepflegte Lederjacke des älteren Herren. Als wir zu diesem Mann hingeeilt um ihm wieder auf die Beine zu helfen, sind wir zuerst erschrocken, denn er war überhaupt nicht ansprechbar. Bald einmal war uns jedoch der Grund des Zustandes des älteren Herren klar; denn eine unverkennbare Weinfahne entstieg dem Munde des Mannes, welche, in den späten Vormittagsstunden, bereits auf das ein oder andere Gläschen schliessen liess. In seiner Jackentasche fanden wir schliesslich auch einen Personalausweis, welcher uns erlaubte, den Mann zu seiner Wohnung zu begleiten (in Slowenien steht auf dem Personalausweis auch die Wohnadresse). Vor seinem Haus angekommen, wollte der Mann aber partout nicht zulassen, dass wir ihn bis zu seiner Wohnung im dritten Stock begleiten würden. Dies erschien uns wiederum jedoch unakzeptabel, konnte er sich doch kaum auf den Beinen halten und wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit kaum die Treppen alleine hochgestiegen. So blieb uns nichts anderes anderes übrig, als beim Nachbarn zu klingeln. Dieser schien den älteren Mann gut zu kennen und gemeinsam nahmen sie dann die wenigen Tritte bis zur Wohnungstür in Angriff.

Ein übermässiger Alkoholkonsum ist in Slowenien keine Seltenheit. Sloweninnen und Slowenen gönnen sich gern einmal ein Gläschen über den Durst und das Trinken des gegärten Traubensaftes kann hierzulande bereits als fester Bestandteil des kulturellen Lebens bezeichnet werden.

Zusammen mit meinem Vater habe ich letzten Sonntag die Weinkeller unterhalb des Freiheitsplatzes in Maribor besichtigt. Dieses weitverzweigte Netz an Weinkellern gehört zu den grössten europaweit. Während der Zeit des sozialistischen Jugoslawien wurden hier jährlich 15 Millionen Liter Wein hergestellt und gelagert. Diese Mengen war deshalb astronomisch gross weil es keine privaten Weinproduzenten gab. Die ganze Herstellung war eine staatliche Angelegenheit und zur Erreichung dieser Menge wurden sogar Trauben aus Mazedonien nach Maribor gebracht. Heute stehen die riesenhaften Eichen-Weinfässer nur noch als Kunstobjekt in den Kellern. Die 800'000 Liter Wein, die letztes Jahr in den Weinkellern in Maribor produziert wurden, werden allesamt in Metallfässern gelagert.

Alkohol scheint auch in unserem Wohnblock ein Thema zu sein. Jedenfalls muss es hier irgendwo einen Whisky Liebhaber geben...

Samstag, 5. März 2011

Us dr Region für d'Region

Nach vielen neblig, kalten und sogar verschneiten Tagen zeigt sich hier in Maribor endlich mal wieder die Sonne. Jurij hat seine ersten Spaziergänge hinter sich und er hat auch mit den Grosseltern beider Länder Bekanntschaft gemacht. Es ist ein neuer Rhythmus auf den wir uns nun einstellen müssen. Nun ist etwas in unserem Leben, das klar Vorrang hat.

Bei meiner Arbeit als "flying teacher" fahre ich wöchentlich mehrmals zu verschiedenen Firmen in der Umgebung Maribors. Beide Firmen liegen ganz nahe der österreichischen Grenze, eine eigentlich direkt auf der Grenze. Es ist dies die Papierfabrik "Paloma". Noch ist der slowenische Staat grösster Teilhaber des Konzerns, welcher heute rund 800 Angestellte hat. Vor einigen Jahren waren es noch doppelt so viele gewesen. Der Konzern ist nun zum Verkauf ausgeschrieben. Interessierte Käufer stammen aus Österreich, der Slowakei und Tschechien. Eine Unsicherheit wie es danach mit der Firma weitergeht ist bei den Mitarbeitern zu spüren. Ich jedenfalls kaufe nur noch das Toilettenpapier Marke "Paloma", denn ich sage mir: "Us dr Region für d'Region".