Samstag, 12. Februar 2011

In der Kavarna des Stadttheaters



In der Kavarna des Stadttheaters in Maribor sitzen und etwas in die Agenda des Jahres 2011 schreiben, man hat kein anderes Schreibpapier dabei, einen Milchkaffe bestellen, eno kava slmekom, und in die vielen Spiegel schauen, die überall an den Wänden hängen, den Raum grösser erscheinen lassen als er wirklich ist und welche der Kavarna des Stadttheaters in Maribor, zusammen mit den rot gepolsterten Holzstühlen und den kleinen, schweren Marmortischen eine Eleganz , etwas Edles verleihen, eine Ausstrahlung, die ansonsten kaum ein Kaffehaus in Maribor ausmacht. Auf das Kind warten, das noch heute seine Füsse auf diese Erde setzten könnte, würde es sich dazu entscheiden, den letzten Teil der Reise hinaus in diese Welt anzutreten. Dem Radiosprecher zuhören, der über einen historischen Tag, über eine historische Wende berichtet, die man während den letzten Tagen, in Ermangelung eines Fernsehers, über den Live-Ticker einer Online-Zeitung mitverfolgt hat, genau so als würde man sich fortlaufend über ein Fussballspiel informieren, die Augen auf den Monitor geheftet - Jetzt spricht der Präsident zu seinem Volk - das leise Klicken des Rechners, wenn neue Gerüchte von möglich zukünftigen Fakten auf dem Bildschirm erscheinen. Historische Tage, eine historische Wende. Während Millionen Menschen durch ihre unnachgiebigen Demonstrationen eben gerade einen Präsidenten abgesetzt haben, der von allen Regierungen dieser Welt bis zum historischen Tag, zur historischen Wende, unterstützt und mitgetragen wurde, dessen Millionen man nun wohlweislich auf den Schweizer Banken ortet, hortet und blockiert -man darf da nicht zögerlich und nachgiebig sein - macht sich ein Mensch auf den Weg in diese Welt. Ein historischer Tag, eine historische Wende. Während das Kind, welches vielleicht heute noch zum ersten oder auch zum unendlich vielten Male, wer weiss das schon, das Licht dieser Welt erblickt, macht sich, vielleicht morgen schon, in den Gemütern der Millionen Menschen, die eben gerade ihren Präsidenten gestürzt haben, Ernüchterung breit. Niemand freilich hofft darauf, wie auch niemand sich gegen die Blockierung der Millionen des gestürzten Präsidenten, die im Moment auf Schweizer Banken gehortet werden, ausspricht. Denn schliesslich unterstützen wir diesen gestürzten Präsidenten nun nicht mehr. Ein Präsident geht, wenn Millionen Menschen gemeinsam gegen ihn auf die Strasse gehen und während Millionen Menschen für ihre Freiheit auf die Strasse gehen, kommen täglich Tausende Kinder zum ersten oder zum unendlich vielten Male auf diese Welt. Vielleicht werden auch sie einmal auf die Strasse gehen und einen Präsidenten stürzen, zusammen mit Millionen anderen. Ein Live-Ticker einer Online-Zeitung wird dann davon erzählen und irgend jemand sitzt dann in einem Theater-Kaffe in irgend einer Stadt dieser Welt und schreibt etwas in seine Agenda des Jahres 2031, weil gerade kein Papier zur Hand ist.

Vielleicht wird man sich kurz im Spiegel betrachten und sich fragen wer man eigentlich sei, um danach seinen Kaffe zu Ende zu trinken.

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