Dienstag, 28. Dezember 2010

langsamer Zerfall

Noch nie konnte ich bisher einem Haus bei seinem eigenen Verfall sprichwörtlich zuschauen. Ich stand einmal mehr vor den Mauern des prunkvoll heruntergekommenen Schlosses an der Drau, wenige Kilometer ausserhalb Maribors. Letzten März haben wir zum ersten Mal dieses Schloss besucht und erfahren, dass das Gebäude einst einer der zahlreichen fürstlichen Herrschaftssitze in der Gegend war und später, in jugoslawischen Zeiten, als Altersheim genutzt wurde. Irgendwann sind dann wahrscheinlich alle alten Menschen verstorben, das Schloss blieb eine Zeit lang unbewohnt und, das haben unbewohnte Häuser so an sich, verfiel zusehends. Hinzu kam, dass es vor rund 20 Jahren vollständig geplündert wurde. Mit der Folge, dass es heute keine Fensterscheibe mehr gibt. Alles was nicht niet und nagelfest war wurde abgeschraubt, abmontiert und abtransportiert. Zurück blieb ein Skelett eines einst prunkvollen Schlosses. Vor wenigen Jahren hat ein Mann das Schloss mitsamt dem riesigen dazugehörigen Park gekauft. Ich liess mir sagen, dass solche Schlösser vor kurzem noch zu "Schnäppchen-Preisen" zu haben gewesen seien. Doch kaum jemand hatte Lust, Zeit und Interesse sich einem solch wunden Monster anzunehmen. Wir haben den Mann getroffen, welcher sich zum Ziel gesetzt hat, das Schloss nach und nach vollständig zu sanieren. Damals im März fanden wir ihn mit Schaufel und Kessel bestückt in einem der riesigen Räume des Schlosses. Er war gerade dabei Schutt tonnenweise aus den Räumen zu befördern. Das Dach hatte er als erstes renoviert, nun regnete es wenigstens nicht mehr hinein. Im März meinte dieser Mann, dass bereits im Sommer 2010 ein kleines Restaurant hier eröffnet werden sollte und er zeigte uns eine komplett renovierte Terrasse; wunderbar die Aussicht in den Park und hinunter zur Drau. Sofort würde ich hier zu Speis und Trank vorbei kommen.
Bei unserem Besuch gestern hat es aber ausgesehen, als hätte etwas einen Strich durch die Rechnung des Mannes gemacht. Alle Türen waren abgesperrt oder zugemauert, keine Menschenseele weit und breit.
Einmal mehr stand ich vor den Mauern des prunkvoll heruntergekommenen Schlosses an der Drau und hörte und sah wie die Mauer langsam zusammen stürzte. Es war gespenstisch mit anzusehen, wie sich ganze Mörtelstücke von alleine lösten und ins nasse, sonnenbeschienene Gras hinunter fielen. Die Zeit rennt diesem Schloss davon, dachte ich bei mir und wünschte dem Mann, der nicht hier war, viel Kraft und Energie bei der Umsetzung seiner Pläne.
Später fuhren Natasa und ich durch die hügelige Landschaft des Kosijak, vorbei an alten, teils ebenfalls heruntergekommenen Bauernhäusern, hoch hinauf zum Sveti Duh, zur Kirche des Heiligen Geistes an der slowenisch-österreichischen Grenze. Von der Kirche aus lässt sich weit ins Land hinein schauen, man erkennt im Westen die Hügelzüge des Pohorije, im Osten ein schier endloses Auf und Ab von Wäldern und im Norden die österreichischen Alpen. "Wie schön muss diese Gegend früher gewesen sein, als noch alles belebt, bewohnt und bewirtschaftet gewesen ist", meinte Nataša.
Viele Menschen gibt es nicht mehr, die heute diese Gegend, welche reich an Wald und Wasser ist, bewirtschaften wollen. Die Bauernhäuser verkommen, die Ställe stehen fast überall leer. Dies bestätigte uns auch Marko, welcher als Bauer auf dem Pohorije lebt und arbeitet. Es gibt keine Zukunft für die Kinder hier, hört man sagen. Und bestimmt haben sie in gewisser Hinsicht auch recht, die die das sagen. Aber warum gab es früher eine Zukunft und heute nicht mehr. Das Land ist nicht schlechter geworden, das Wasser nicht weniger. Klar ist, das Wissen um die Bestellung des Landes geht allmählich verloren, dafür steigt das Wissen in buchhälterischen Fragen ständig. Doch rein buchhälterisch gesehen, wird es sich in einigen Jahren höchst wahrscheinlich lohnen, hier in dieser Gegend einen kleinen Bauernbetrieb zu besitzen und das Wissen darum, wie man einen solchen bewirtschaftet.

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