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Montag, 31. Januar 2011
Rückblick
Bosnische Geschichte Teil 1
Ich denke, Geschichte lässt sich nur bruchstückhaft verstehen. Jedenfalls ging das mir in Sarajevo so und ich hatte es meiner langen Verweildauer zu verdanken, dass sich die Mosaiksteine der Geschichte immer mehr zu einer Art Bild zusammenfügten. So erinnerte ich mich im Verlauf der Zeit immer wieder an Aussagen über die Stadt und das Land, die mir meistens erst im zweiten Anlauf des Überdenkens verständlich waren.
Das Faszinierende für mich an Sarajevo und Bosnien-Hercegowina im Allgemeinen wird je längers je mehr die Überlagerung von historischen Eriegnissen und Hintergründen, die ihren Einfluss bis in die Gegenwart ausüben.
Wahrscheinlich ist Bosnien-Hercegowina in der Tat ein Sonderfall im Balkan oder sogar in ganz Europa.
Bereits vor der Osmanisierung war das Land als schwer berechenbar bekannt. Das Leben in Bosnien des ausgehenden Mittelalters bot ein buntes Bild, mitgeprägt von sächsischen Bergleuten, ragusanischen Handelsherren und italienischen Franziskanern. Die katholische Kirche wehrte sich mit aller Kraft gegen den Einfluss und das Aufkommen der Bogomilen, eine Sekte, die vorchristliche Elemente in die christliche Glaubensauffassung einbezog. Es war ein mythischer und naturnaher Glaube, der sich in Bosnien entwickelte. Die Bogomilen bauten keine Kirche oder sonstigen Denkmäler. Als heilige Orte wählten sie Kraftplätze in der Natur, wie zum Beispiel Blagaj in der Nähe von Mostar. Es mag auch an den Bogomilen gelegen haben, dass der Islam seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Bosnien immer mehr Fuss fassen konnte. Die Bewohner Bosniens waren in ihrer Glaubensauffassung dem Islam wohl näher als dem Katholizismus.
Die Osmanen verbreiteten damals ihren Glauben nicht mit Schwert und Feuer wie dies die katholische Kirche während den Kreuzzügen zu tun pflegte. Das Osmanische Reich hatte seine eigenen Methoden um die besten Männer für ihren Glauben zu gewinnen.
Mit der "devširme", der sogenannten "Knabenlese" begannen sie die bosnische Bevölkerung für sich zu gewinnen. Die unterworfenen Balkanstaaten mussten regelmässig ein Kontingent an jungen Burschen nach Stanbul (Istanbul) entsenden. Nach dem erzwungenen Übertritt zum Islam konnten sie, entsprechend ihrer Eignungen, eine Laufbahn im militärischen oder zivilen Bereich antreten. Viele christliche Adelsfamilien entsandten ihre Jünglinge nicht ungern nach Stanbul, war doch dieser einseitige Youth-Exchange oftmals mit Ruhm und Vermögen für die eigene Familie verbunden. Denn die Knaben kehrten nach verbrachtem Studium manchmal als Stadthalter in ihr Heimatland zurück oder zeigten sich aus der Ferne erkenntlich. In "ihrem Namen und Auftrag" wurden Brücken, Moscheen, Koranschulen und andere Bauwerke errichtet.
Berühmt und für mich dank der Lektüre des Buches " Die Brücke über die Drina" von Ivo Andrič besonders eindrücklich, ist das Beispiel von Višegrad. Der Groswesir Sokollu Mehmed Pascha, hat um 1570 herum von Stanbul aus den Auftrag zum Bau der Brücke erteilt. Als 10 Jähriger, aus einem Dorf in der Nähe von Višegrad stammend, kam er in die Knabenlese und ihm war im fernen Stanbul eine grossartige Karriere zugeschrieben worden. Das wunderschöne Bauwerk erleichterte den Karawanenzügen zwischen Stanbul - Sarajevo und Ragusa (Dubrovnik) die Reise, denn nebst der Brücke entstanden auch sogenannte Sarajs, Vorläufer der heutigen Motels.
Im Hotel in Srebrenica musste ich mit Staunen feststellen, dass selbst dieses, doch als unzerstörbar geltendes Bauwerk, nicht vor heutigen Vandalen sicher ist. In einer Zeitung habe ich dort gelesen, dass sich doch tatsächlich einige Kerle dazu erdreist hatten, einen 50 Kilogramm schweren Stein aus dem "Sofa" in der Mitte der Brücke zu stehlen. Ich habe das Glück gehabt, die Brücke einen Tag vor dem Diebstahl noch in ihrer vollen Schönheit und im ganzen osmanischen Glanz zu sehen.
Bosnische Geschichte Teil 2
„Dort, neben der alten Steinbrücke „des Seher-Cejaha“, irgend eines Bürgermeisters steht der dreieckige, maurische Prachtbau des Rathauses. Vor ihm bewegt sich zwischen Steinmauern die Miljacka wie schmelzendes, geläutertes Metall. Und alles ringsum wie aus dem Traume gerufen, wie von der Erinnerung an eine versunkene Zeit gesehen. Gleissende Kuppeln und die weissen Palmenschäfte der Minarets, hochragend über die im Gartengrün sich duckenden, flachdachigen Häuser mit rebenumsponnenen Erkern und dichtvergitterten Fenstern. Alles gedämpft, leisumschattet. Eine andere Seele spricht hier zu uns. Mag das moderne Sarajevo immerhin weiter drängen und wachsen, immer weiter hinaus ins niedere Land; dieses hier greift, das Lärmen des nichtigen Weltgetriebes fliehend, hoch hinauf an die Kämme des Felsenrundes, an dessen Riffen und Zacken das alte Festungsgemäuer hängt, gleich einem Hochzeitskranz über einem schönen Antlitz, das den Flammenschein kommender Zeiten wie eine Vision erblickt.“
Aus „Die Bosnische Staatsbahn“, 1908
Dermassen wird das um die Jahrhundertwende bereits seit 30 Jahren okkupierte Sarajevo beschrieben. In einem Buch mit alten Texten von k. u. k. Abgesandten und Bosnien-Reisenden finden sich zahlreiche solche Beschreibungen und zusammen mit den alten Fotografien versuche ich mir das damalige Bild der damaligen Stadt vor Augen zu führen. Die erwähnte „andere Seele“ dieser Stadt spricht noch heute zu uns. Auch wenn die Carsija, der türkische Markt, heute nicht mehr demjenigen gleicht, welcher die Österreichisch-Ungarischen Soldaten bei der Besetzung der Stadt 1878 vorgefunden haben, streichen in diesem Teil der Stadt noch immer die alten Geschichten über die ausgetretenen Pflastersteine.
Bis zur Okkupation galt Bosnien in Europa als ein Land, das irgendwo „hinten in der Türkei“ liegt. Der Einmarsch der fremden Armee und die in den folgenden Jahren eintretenden Reformen rückten das unbekannte Land ans bekannte Europa heran. Österreich-Ungarn veränderte das Land in einem rasend schnellen Tempo, dem die ursprünglichen Bewohner nicht gewachsen waren und die sie auch oft bewusst von sich wiesen. Beschaut man das Land in seinem heutige Zustand, so erscheint die Epoche zwischen 1878 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wie ein märchenhaftes Intermezzo. Die Prachtbauten, die Villen und die damals erstellten Verkehrswege sind dabei in den Wellen der Zeit zu versinken, vielleicht langsamer als sie entstanden sind, aber trotzdem unaufhaltbar.
Der „kranke Mann am Bosporus“, wie das langsam zerfallende Osmanische Reich auch genannt wurde, musste sich 1875 seines äussersten Teils entledigen. Überall in diesem riesigen Reich traten Spannungen auf und im erwähnten Jahr entluden sie sich in Unruhen, denen schliesslich der Aufstand der christlichen Bevölkerung gegen das von ihnen als drückend empfundene „osmanische Joch“ folgte. Im Juni 1878 wurde in Berlin die „Orientalische Frage“ auf einem Kongress der europäischen Mächte wie Folgt gelöst: Österreich-Ungarn erhielt das Mandat für die Okkupation Bosnien-Hercegowinas. Bis zur Vollständigen Anexion 1908 behielt aber der Sultan in Stambul formell die Oberhoheit über das Land. Eine komplizierte Situation, die nicht unblutig in die Wege geleitet werden konnte.
Mochten sich die Generäle der k.u.k Monarchie die Besetzung des Landes auch noch so leicht vorgestellt haben, die Realität sah freilich anders aus. In Sarajevo wurden sie nicht mit Blumen empfangen. Das noch rund 23.000 Mann starke türkische Heer leistete der ungenügend ausgerüsteten Armee zwar keinen erbitterten Widerstand, doch kam es zur Gegenwehr, wenn sie in ein Gefecht verwickelt wurden.
Der wahre Feind für die k.u.k. Truppen waren die aus der einheimischen Bevölkerung rekrutierten Kämpfer. In einer Art Guerillia-Krieg lieferten sie der fremden Armee erbitterten Widerstand. Vorallem in Sarajevo kam es zu heftigen Kämpfen. Bekannt sind die Geschichten von Frauen und Kindern, die, aufgehetzt von religiösen Führern, die Minarette erkletterten und von oben Steine auf die Eindringlinge warfen. Der Feldzug dauerte ganze vier Monate und erst im Oktober 1878 wehte die k.u.k Fahne auf der Burg, hoch über dem türkischen Markt Sarajevos.
Von allen Bewohnern Sarajevos, hat sich für die Muslime damals die Situation am weitgreifendsten verändert. Sie verloren ihre führende Stellung in der Gesellschaft. Die folgenden Jahre erforderten von den Österreichisch-Ungarischen Behörden ein grosses Fingerspitzengefühl um die religiösen und gesellschaftlichen Gefühle nicht zu stark zu verletzen.
Bosnien-Hercegowina befand sich nach der Okkupation in der Situation eines Entwicklungslandes. In den letzten Jahrzehnten der osmanischen Herrschaft wurden zahlreiche Reformen vernachlässigt und so machten sich die österreichisch-ungarischen Beamten emsig an die Arbeit diese Missstände auszubessern. Unter der einheimischen Bevölkerung waren diese Beamten rasch dafür bekannt, dass sie ihre Arbeiten bis ins kleinste Detail genau planten und pflichtgemäss durchführten. So machten sie sich denn auch daran, eine Hauszählung durchzuführen und gaben den Befehl heraus, dass alle Häuser mit einer Hausnummer beschriftet werden mussten. Den einheimischen Bewohner Sarajevos kam das aber äusserst suspekt vor, hatten sie doch keine Ahnung wozu eine solche Nummerierung dienen sollte. So wurden dann die Hausnummern auch kurzerhand wieder von den Hausbewohnern entfernt. Auch die Einrichtung einer obligatorischen Schulpflicht war im neu besetzten Land mit grösseren Schwierigkeiten verbunden. Vor dem Einmarsch der k.u.k. Armee beschränkte sich die Schulbildung oftmals auf das auswändig Lernen von Koran-Zitaten. Nun sollten die muslimischen Eltern ihre Kinder auf einmal in eine fränkische Schule schicken, wo sie von raubeinigen Offizieren unterrichtet wurden.
Doch der Österreichisch-Ungarischen Verwaltung gelang in Bosnien-Hercegowina ein kleines Wunder. In knapp 40 Jahren modernisierten sie das Land dermassen, dass es zu einem grossen Anziehungspunkt für Reisende wurde. Ob auf dem Dampfschiff die Neretva hoch oder in läppischen 10 Stunden in einer bequemen Pferdekutsche; von der Adria herkommend liess sich via Metkovic das schöne Städtchen Mostar gut erreichen. Kaiser Franz-Joseph liess sich diese Gelegenheit nicht entgehen und besuchte 1910, die vor zwei Jahren annektierten „Neuen Reichstheile“. Mit erhabenen Schritten überschritt er damals die mit kostbaren Teppichen ausgelegte „Stari Most“. Knapp 100 Jahre später besuchte der englische Thronfolger Prinz Charles die nach der vollständigen Zerstörung wiederaufgebaute Brücke in Mostar.
Doch der „Flammenschein kommender Zeiten“ traf 1914 in Sarajevo ein. Mit dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand ging die Österreichisch-Ungarische Besetzung des Landes ihrem Ende entgegen.
Bosnische Geschichte Teil 3
„Die Geschichte lehrt uns, dass Bosnien niemals von grösseren Mächten kontrolliert oder davor bewahrt werden musste, sich selbst zu zerstören. Vielmehr trifft das Gegenteil zu: Was Bosnien stets in Gefahr brachte, waren nicht interne Spannungen, sondern der Ehrgeiz stärkerer Mächte und benachbarter Staaten.“
Noel Malcolm, Bosnia- A short history
Mit den tödlichen Schüssen auf den Thronfolger Franz Fredinand am 28. Juni 1914 begann auch der Niedergang der Österreich-Ungarischen Macht in Bosnien-Hercegowina. Gavrilo Princip, der Attentäter, ein Student aus Serbien, wurde ein paar Monate später vor Gericht gestellt und begnadigt; er erhielt lebenslängliche Gefängnisstrafe. Ein volles Auskosten derselben blieb dem Jüngling aber erspart; noch während des Krieges starb er dort in Folge schwerer Krankheit.
Nach dem Attentat gab es schwere Vergeltungsmassnahmen gegen die serbische Bevölkerung Bosnien-Hercegowinas und deren Land wurde häufig beschlagnahmt oder die Güter zerstört. Österreich-Ungarn beschuldigte Serbien der passiven Unterstützung am Attentat. Ende Juli wurde Serbien den Krieg erklärt. Mit der Kriegserklärung begann ein kompliziertes Bündnissystem sein Wirken und im Verlaufe der nächsten vier Jahre wurden zahlreiche Länder in den Strudel des Ersten Weltkrieges gerissen.
Die männlichen bosnischen Staatsbürger kämpften vorerst an der Seite der Österreichisch-Ungarischen Armee und galten bald als einige der besten Soldaten weit und breit. Die Gastgeber-Armee tat ihr mögliches um auch während der Kriegszeiten den religiösen Bedürfnissen der Muslime gerecht zu werden. Wenn immer möglich war es ihnen erlaubt, ihre fünf täglichen Gebete auszuführen und anstelle der üblichen Militärkappen erkannte man die muslimische Streitmacht bereits von weitem am Tragen des Fez; der türkischen Kopfbedeckung.
Der Krieg endete für Österreich-Ungarn mit einer bitteren Niederlage was dazu führte, dass bereits im Oktober 1918 ein neues Nationalkomitee für Bosnien-Hercegowina aufgestellt wurde. Im selben Jahr verliessen die letzten Beamten der alten Besatzungsmacht das Land und Ende des Jahres wurde ein neues Königreich ausgerufen, welches bis zum nächsten grossen Krieg über Bosnien-Hercegowina regieren sollte; das Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen.
Für die muslimische Bevölkerung des Landes begann eine schwierige Zeit. Sie wurden immer ärmer, ihre Ländereien wurden beschlagnahmt und ihre Rechte zurück gebunden. Die vorher blühende Hauptstadt als kulturelles und administratives Zentrum wurde zunnehmends margialisiert. Ein grosser Teil der muslimischen Bevölkerung wanderte in die Türkei oder in den Sanjak aus, ein von Muslimen bewohnter Landstrich in Serbien.
Im Jahre 1921 zählte Sarajevo 66'317 Einwohner.
Das Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen überstand den Zweiten Weltkrieg nicht.
Am 6. April 1941 bombardierten deutsche Kampfflugzeuge die Stadt Sarajevo und nur zwei Tage später flohen der König und das Jugoslawische Parlament von Belgrad nach Sarajevo, von wo aus sie wenig später nach England emmigrierten.
Die Kapitulation des Jugoslawischen Königreiches hatte eine Besetzung des Landes durch die faschistische NDH Regierung des „unabhängigen“ Kroatiens zur Folge. In der Folge kam es zu Massenvernichtungen und Deportationen der bosnischen Juden und auch der Serben. Die Ustasa, so wurde die mit den deutschen kooperierende kroatische Armee genannt, baute zahlreiche Konzentrationslager, in welchen in den folgenden Jahren zehntausende Menschen den Tod fanden. Tausende Juden wurden in Sarajevo verhaftet und in die Konzentrationslager in ganz Europa verfrachtet.
Im Nationalmuseum in Banja Luka, Hauptstadt der Republika Srpska in Bosnien-Hercegowina, besuchte ich eine Ausstellung über die Zeit während dem Zweiten Weltkrieg. Schwerpunkt der Ausstellung war die Massenvernichtung der serbischen Bevölkerung durch die kroatische Ustasa. Beim Besuch dieser Ausstellung wurde mir bewusst, welche tiefen Wunden diese Zeit ins „Gedächtnis“ der serbischen Bevölkerung Jugoslawiens gerissen hatte. Genau diese Wunden brachen 1991 wieder auf, als der Krieg zwischen Serbien und Kroatien losbrach. Viele serbische Soldaten sahen darin wohl auch eine Vergeltung der erlittenen Übel zwischen 1941 und 1945.
Interessant fand ich, dass im Nationalmuseum in Banja Luka aber kein einziges Wort über den Krieg verloren wurde welcher zwischen 1992 und 1996 im Land herrschte.
Ist es noch zu wenig lang her? Ist es noch nicht Geschichte?
Am 6. April, genau vier Jahre nach der Bombardierung Sarajevos befreite die Partisanenarmee unter der Führung des Generals Tito die Stadt Sarajevo. Zu Ehren dieses Tages wurde das Ewige Feuer im Zentrum Sarajevos errichtet, eine Flamme die danach ständig brannte bis zur abermaligen Besetzung der Stadt durch serbische Truppen; dem Ewigen Feuer ging das Gas aus.
Im Jahre 1955 zählte Sarajevo bereits 167'000 Einwohner und bereits sechs Jahre später waren es über 213'000. Die Stadt erhielt ihre frühere Bedeutung zurück, nun im Staatenbund der Jugoslwischen Republiken.
In den 60er und 70er Jahren entstanden in Sarajevo zahlreiche Wohngegegnden, es wurden Hotels und Spitäler gebaut und die Infrastruktur der Stadt wurde modernisiert.
Die 14. Olympischen Winterspiele wurden 1984 in Sarajevo ausgetragen, eine Stadt welche damals bereits mehr als 400'000 Einwohner zählte. Mit diesem grossen Ereignis rückte Sarajevo in den Fokus der Weltgemeinschaft und wurde bekannt als Stadt des Friedens, der Liebe und der Prosperität. Die Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt durften sich zu den glücklichen Bewohner einer blühenden Metropole Europas zählen. Der Zukunft schaute man voller Optimisimus entgegen.
Ich habe mit einem Mann, welcher heute fürs Rote Kreuz arbeitet, über jene zeit gesprochen. Er besass damals ein grosse Gasfirma kurz Hassan-Gas genannt. Er beschäftigte über 100 Arbeiter und seine Firma machte dermassen hohe Gewinne, dass er mit seiner Familie regelmässig in der Welt herum gereist ist. In die Schweiz kam er zum Ski fahren, die Türkei besuchte er wenn er sich am Meer ausspannen wollte. Dann kam der Krieg. Hassan verlor alles! Seine Firma wurde buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht, er rechnet mit einem Verlus von 5 Millionen Euro. Aber Hassan klagt nicht. Für ihn und seine Familie sei der Krieg glücklich vorüber gegangen, niemand musste in ihm sein Leben lassen.
Heute arbeitet Hassan fürs Rote Kreuz und dank Wohnungen die er vermietet ist es ihm wieder gelungen Ersparnisse anzulegen. Als ich mit ihm im Auto war hielt er bei einem Wohnblock kurz an, stieg aus und drückte einer alten Frau, welche gebückt im Hauseingang gestanden hatte, eine Geldnote in die Hand. Zurück im Wagen sagte er mir, dass er dieser Frau, welche seit dem Krieg ganz alleine in der Welt stehe, regelmässig Geld gebe. Heute seien es 50 Mark gewesen, zu viel hätte die Frau gesagt, aber Hassan hat ihr nur die schwache Hand über der Geldnote geschlossen.
Als der Krieg losbrach konnten die meisten Bewohner dieser Stadt nicht glauben, dass er lange dauern sollte. War es doch schlicht unmöglich, dass die Weltgemeinschaft, welche acht Jahre zuvor nur lobende und zukunftsträchtige Worte für Sarajevo übrig hatte, die Stadt und deren Bewohner im Stich lassen würde. Es würde etwas geschehen, es würde geholfen werden, man würde Sarajevo nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
Vier Jahre lang wurde Sarajevo von der serbischen Armee eingekesselt und ausgeblutet. Während dieser ganzen Zeit hatte die UNO eine Schutztruppe in Sarajevo stationiert. Doch es stellte sich bald heraus, dass diese ihrer Aufgabe nicht gewachsen war. Unter dem Auge der UNPROFOR Soldaten wurden täglich Zivilisten von Granaten oder Heckenschützen umgebracht. Während den vier Jahren war jeder Tag im Leben eines Sarajeli ein Überlebenskampf.
Nachdem im August 1995 eine Granate auf dem Marktplatz im Stadtzentrum 37 Menschen getötet hatte, schien es einmal mehr soweit, als hätte alles Reden und Verhandeln keinen Sinn gehabt. Die Bewohner der Satdt hatten es unterdessen längst schon aufgegeben, den Verhandlungen irgend eine Bedeutung beizumessen. Und doch; am 14. Dezember 1995 wurde in Dayton das Abkommen unterzeichnet, welches die Kämpfe endlich einstellte.
Freitag, 28. Januar 2011
Donnerstag, 27. Januar 2011
Echo der Zeit

Montag, 24. Januar 2011
Kürbiskernöl
Samstag, 22. Januar 2011
Via Egnatia und der Zauberer von Oz


Ganz so einfach ist es in der wirklichen Welt natürlich nicht. Zum Glück auch führen immer mehrere Strassen ans gewünschte Ziel. Mir scheint es jedoch, dass die Vielfalt an Strassen und Wegen es uns nicht selten erschwert, uns mit guter Überzeugung für einen Weg zu entscheiden.
Als ich zu Fuss unterwegs gewesen bin, habe ich mir nicht selten einen Weg, eine Strasse gewünscht, welcher ich einfach hätte folgen können. Einen Weg wie derjenige des Mädchens Dorothy im Land des Zauberers von Oz. Einen Weg voller Abenteuer und Überraschungen zwar, aber dennoch vorgezeichnet. Einen solchen Weg habe ich damals nicht gefunden.
Seit meiner langen Wanderung interessiere ich mich sehr für die Geschichte alter Wege und Strassen und ich hoffe, dass ich noch so einige von diesen Pfaden werde begehen können. Denke ich an meine Wanderung zurück, so bleibt mir ein Weg besonders eindrücklich in Erinnerung. Es war eine Strasse in Norditalien, kurz vor dem Gardasee. Sie wurde während des 1. Weltkrieges von italienischen Truppen gebaut und diente der Versorgung der Grenztruppen mit militärischem Material. Demenstprechend war sie auch mit grossen, schweren Steinen ausgebaut worden. Nach dem Krieg verlor dieser Weg aber seine Bedeutung und begann langsam zu zerfallen, zusammen mit den zahlreichen Forts und Bunker, welche den Wegrand säumten. Auf diesem Weg fühlte ich mich in eine andere Zeit, fast in eine fremde Welt entrückt und es hätte mich damals wohl kaum erstaunt, hinter einer Kurve den Zauberer von Oz anzutreffen (den ich damals übrigens noch nicht kannte).
Von Sarajevo aus hätte ich gerne eine der alten Verbindungs- und Handelsstrassen in Richtung Bosporus einschlagen wollen. Doch diese alten Strassen gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht mehr so wie ich sie mir vorstelle. Heute liegen sie begraben unter den asphaltierten Fernstrassen und sind Teil des Europäischen Fernverkehrs-Systems geworden. Denn die Routen haben sich nicht verändert und die Berge haben sich nicht abgeflacht.
Wenn ich mich nächstes Mal auf den Weg nach Istanbul mache, dann werde ich vielleicht die Via Egnatia einschlagen. Als östliche Fortsetzung der Via Appia war sie der direkte Weg zwischen Rom und Konstantinopel, den beiden großen Metropolen des spätantiken römischen Reichs. Die Via Egnatia führt von Durres im heutigen Albanien über den Ohrid See nach Thesaloniki und weiter durch Griechenland bis an den Bosporus. Teile der alten Heeresstrasse seien noch zu sehen, der grösste Teil jedoch liegt heute vergraben unter dem Asphalt von Autobahnen und Fernstrassen.
Freitag, 21. Januar 2011
Ein Hauch der weiten Welt
Mittwoch, 19. Januar 2011
Montag, 17. Januar 2011
Eine Sprache lernen
Sonntag, 16. Januar 2011
Zeitgeist im Udarnik
Das Kino "Udarnik" existiert seit Jahren offiiziell nicht mehr. Gemeinsam mit der Lichtspielhalle "Partizan" gab es einstmals zwei schöne, echte Kinos mitten im Altstadt-Zentrum von Maribor. Heutzutage finden Kinoveranstaltungen in Supermärkten oder im Multiple-Cine-Plex Kollosej statt.
Erfreulicherweise wurde in den letzten Monaten der Verein zum Erhalt des Kino Udarnik sehr aktiv. Im alten, wunderschönen Kinosaal finden Konzerte, Vorträge und Filmvorführungen statt.
Gestern wurde im überfüllten Udarnik die neueste Folge der Dokumentarfilm-Reihe "Zeitgeist" gezeigt. Das Kino war bis auf den letzten Platz gefüllt, eine Sondervorstellung musste später noch gegeben werden. Im Foyer konnte man Aufkleber der Zeitgeist-Bewegung erstehen und der Eintritt kostete lediglich 2 Euro. Schliesslich geht es ja den Zeitgeist-Machern nicht um Geld und Profit, sondern um Aufklärung. Ja, eigentlich wünschten sich die Zeitgeistler die Vernichtung des monetären Systems, etwas was der wohl grössten Revolution in der Geschichte der Menschheit gleichkommen würde. Während des gut drei stündigen Filmes werden einem Berge von Informationen um die Ohren geschlagen, so, dass man sich in der Pause nur noch betrinken möchte.
Die Zeitgeist-Bewegung ist faszinierend und erdrückend zugleich. Als Interview-Partner fungieren nur Männer mit grau melierten Bärten; als gäbe es keine Frau, die in dieser Hinsicht etwas zu sagen hätte.
Die revolutionären Ideen sind bestechend, weil fundamental anders, fundamental neu und wenn wir es uns eingestehen wollen, fundamental überzeugend. Und trotzdem; es ist nur ein Film. Immerhin im wunderschönen Kino Udarnik.
Samstag, 15. Januar 2011
Nix mit "Golden Fox"
Freitag, 14. Januar 2011
Donnerstag, 13. Januar 2011
Der Heilige Heinrich
Mittwoch, 12. Januar 2011
Halbwertszeit einer Waschmaschine
Vor einigen Tagen schliesslich war die Maschine auf einmal verschwunden. Jemand musste sie entsorgt haben. Sie verschwand auf mysteriöse Art, genauso wie sie gekommen ist. Viele Dinge verschwinden hier in Slowenien nach wie vor auf jene seltsame Weise, die wohl für manchen Schweizer etwas ungewohnt ist. Denn höchst selten findet man in schweizerischen Wäldern ganze Autowracks vor. Hier in Maribor steht ein solches in der Nähe unseres Hauses im Wald. Bestimmt schon seit mehreren Jahren. Obwohl die Menschen direkt nichts für ihren Abfall bezahlen (alles kann wann immer man will und in den gewünschten Mengen in den Container vor der Haustüre gebracht werden), verschwindet eine stattliche Menge davon irgendwo in der Natur. Fast als wollten die Leute ihre privaten Mülldeponien errichten.
Ich erinnere mich an die skuril anmutenden Szenen an den Ufern der bosnisch-herzegowinischen Flüsse; Tausende Plastiksäcke hingen dort in den Büschen und Bäumen. Wer wird sich darum kümmern?
Unterhalb unseres Wohnblockes gibt es eine Abfall-Entsorgungsstelle. Dort stehen fein säuberlich voneinander unterscheidbar fünf Container: Kehricht, Glas, Metall und Pet (lustigerweise wird das zusammen gesammelt), Papier und Kompost. Bei genauerem Hinschauen spielt es jedoch nicht wirklich eine Rolle welchen Container man nun für welches Material wählt. Denn im Innern der Container herrscht eine Multikulturalität sondergleichen: Bierbüchsen bändeln sich mit Glasflaschen an und das Plastik tarnt sich als Grünabfuhr. Ich habe noch niemanden gesehen, der den Kompost nicht direkt mitsamt seinem Plastiksack entsorgt. Ok, schliesslich ist ja Plastik auch aus Erdöl gemacht und irgendwann wird auch die farbenprächtigste Einkaufstüte ihren Weg zurück zu Mutter Natur finden. Ich und Natasa kommen uns beinahe schon etwas seltsam vor, wenn wir nach wie vor unseren Kompost über die vielen Plastiktüten zu schütten.
Wie lange zieht man so etwas durch? Wie viele unserer Nachbarn haben sich wohl auch bereits dieselbe Frage gestellt?
Übrigens: die Halbwertszeit einer Waschmaschine beträgt hier in Slowenien eine Woche.
Dienstag, 11. Januar 2011
Projekt-Menschen
Einer dieser verwaschenen Ausdrücke ist für mich das Wort "Projekt". Ich bin ein "Projekt-Mensch" umgeben von "Projekt-Freunden". Gemeinsam ist uns nicht selten die Angewohnheit, dass wir uns gerne mit eigenen Projekten beschäftigen. Wir arbeiten mal in diesem, mal in jenem Projekt und versuchen zu verstehen, welches der vielen Projekte uns am meisten zusagt. Dies beschäftigt uns so lange, bis wir schliesslich unser eigenes Projekt realisieren und darin aufgehen möchten. Ganz wie ein Brot im Ofen.
Hier in Slowenien scheint mir diese Projekt-Arbeit unter unseren Freunden ebenfalls allgegenwärtig zu sein. Manchmal ist der fliessende Übergang von Projekt zu Arbeit nur schwer auszumachen. Matei arbeitet im Bereich der Kulturvermittlung, er gründete einen Verein welcher nun die Idee hat, im Jahr der Kulturhauptstadt 2012 ein Kulturtaxi ins Leben zu rufen; ein ausgebauter Kleinbus, welcher Kulturinteressierte von einer Veranstaltung zur anderen bringt und dabei noch Kunst im Bus erleben lässt. Ein Projekt. Viel Arbeit.
In der Schweiz gibt es meiner Ansicht nach auch viele Projekt-Menschen. Nur dort mit dem Unterschied, dass die meisten von ihnen sich Projekte für die Freizeit aufsparen. Daneben gibt es eine Arbeit, ein Arbeitsleben, mit allem was dazu gehört.
In Sarajevo traf ich fast keine Projekt-Menschen an. Das Projekt nennt sich dort Leben und man tut gut daran, so viel Zeit und Energie wie möglich dort hinein zu geben wenn man irgendwie vorwärts kommen will. Wer keine Arbeit hat sucht sich welche. Socken zu stricken und sie auf den Brücken der Stadt für 2 Euro zu verkaufen ist kein Projekt, sondern Überleben.
Nicht alle Projekte sind da, damit man sie realisiert. Einige existieren nur, damit man sich an ihnen die Zähne ausbeisst und irgendwie weiter kommt. Vielleicht kann man diejenigen Projekte auch Visionen nennen. Mir scheinen sie nicht weniger wichtig als die konkret umgesetzten Ideen. An Visionen kann man wachsen; wie in einem Wald sich von Ast zu Ast hangeln. Sie bringen uns dem Projekt "Leben" näher. In dieser Hinsicht sind wir alle "Projekt-Menschen".
Samstag, 8. Januar 2011
Und noch mehr Besuch
Maribor zeigte sich heute von seiner windigen Seite. Kräftiger Südwind hat nun auch die letzten Skifahrer von der Piste vertrieben. So gehts.
Freitag, 7. Januar 2011
Alte Freunde in Maribor
Dienstag, 4. Januar 2011
Kleine Haltestellen und Farbtupfer
Ich habe eine Sendung über das Thema „Heimweh und Sehnsucht“ gehört. In dieser Sendung wurde erzählt, dass Schweizer Fremdenlegionäre, welche vor Jahrhunderten weit und breit für ihre Härte und Unerbittlichkeit bekannt gewesen waren, beim Klang von Kuhglocken in der Ferne oftmals krank wurden. Es soll sogar vorgekommen sein, dass die brutalen Kämpfer ob dem Klang der Glocken gestorben seien. Das Heimweh habe sie gepackt, sagte man damals. Die Krankheit Heimweh.
Sehnsucht kann sich natürlich durchaus auch auf die Heimat beziehen. Im Gegensatz zum Heimweh scheints mir aber, dass Sehnsucht auch vom Zuhause ausgehen kann. Sehnsüchtige Gedanken können in die Fremde schweifen, sie können Grund dafür sein, dass jemand überhaupt sein zu Hause verlässt.
Seit langem faszinieren mich Berichte davon, wie Menschen zu früheren Zeiten ihre Heimat verlassen haben. Welcher Mut, welche Entschlossenheit damals. Bestimmt und wahrscheinlich sogar nicht selten, welche Misere, welche Armut zu Hause. Auf jeden Fall gab es auch in früheren Zeiten bereits Menschen, die aus lauter Sehnsucht nach der Fremde das Zuhause, die Heimat verlassen haben. Sie mögen jedoch in der Minderheit gewesen sein.
Tagtäglich sind heute wohl Millionen von Menschen unterwegs, auf der Suche nach einer neuen Heimat. Der grösste Teil von ihnen unfreiwillig, viele wohl auf der Flucht. Glücklich können wir uns schätzen, die Möglichkeit zu haben unseren Aufenthaltsort zu wählen und eine Reise aus eigenem Antrieb unternehmen zu können.
„Das Rollen der Räder, das Zischen des entweichenden Dampfes zog die Menschen in ihren Bann, transportierte sie durch die Länder, löste ganze Völkerwanderungen aus. Fontana sah sie auf den Bahnhöfen ein- und aussteigen, sie trieben von Osten nach Westen, von Süden nach Norden, und die Maschine führte sie durch die Welt, die sich vor ihren staunenden Gesichtern entfaltete, sich vor ihren Augen in ihrer ganzen Vielfalt ausbreitete. Menschen, die bisher nur ihre angestammte Heimat kannten, die die Welt nur auf die kleine Umgebung ihrer Häuser und ihres Lebens bezogen, fuhren durch die Heimat anderer Menschen, liessen sich dort nieder, fanden oft keine Wurzeln, blieben fremd, zogen heimatlos weiter, in andere Teile dieser Erde, Heimat suchend, eine neue Heimat sich schaffend in immer ferneren, fremderen Landschaften.“
Es gibt doch diesen Satz: „Dort wo ich bin, da ist auch mein Zuhause“. Ein schöner Satz ist das, aber wann kann man das schon von sich sagen. Es kommt wohl nur selten im Leben eines Menschen vor, dass man sich überall zu Hause fühlen kann. Denn das bedeutet doch auch, dass man keine Bindungen und Verpflichtungen verspürt, die einem mal hier und mal dorthin ziehen. Auch wenn „Zuhause“ absolute Vertrautheit bedeutet, kann ich mir nur schwerlich vorstellen, dass man überall zu Hause sein kann. Wenn aber „Zuhause zu sein“ bedeutet, sich mit seiner ganzen Person, mit allem was man selber ist, jedem neuen Ort, jeder neuen Situation zu stellen, dann macht dieser schöne Satz für mich Sinn.
„Der Zug rollte vorbei an all diesen Dörfern und Städtchen, die nun irgendwo lagen, die nicht mehr den jeweiligen Mittelpunkt der Erde bildeten, die nur noch an irgend einer Eisenbahnstrecke lagen, bestenfalls kleine Haltepunkte waren, Farbtufper, kleine Muster in einer langen Kette, die sich zwischen zwei Endpunkten spannte, ein Muster über die Welt webte aus Stahl und Kohle und Bewegung und den Hoffnungen der Menschen.“
Zu wissen dass fast jeder Ort auf dieser Erde der Mittelpunkt für einen Menschen bedeutet, kann Vertrauen schaffen. Das Vertrauen darin, dass jeder kleine Haltepunkt, jeder Farbtupfer auf dieser Erde für einen bestimmten Menschen Vertrautheit und somit Heimat bedeutet. Darauf lässt sich aufbauen. Damit lässt sich Reisen.
Aus "Das Muster" von Dieter Forte
Montag, 3. Januar 2011
Wanderung zum Žigartov Vrh
Sonntag, 2. Januar 2011
Unser Fürstenstein

Heute habe ich aber wieder einmal eine interessante und lustige Entdeckung gemacht. Zwar fehlt mir das historische Wissen um Details zu klären, Kenner mögen mir verzeihen, doch glaube ich durch eine Mischung aus Buch- und Internetrecherche die Verwandtschaft der Helveten und Helvetinnen mit den Sloweninnen und Slowenen entdeckt zu haben...
Beginnen wir mit dem verstorbenen österreichischen Politiker Jörg Haider: Nachdem die slowenische Nationalbank im Jahre 2007 bei der Einführung des Euro als Landeswährung den Fürstenstein auf der 2-Cent Münze abbilden liess, zögerte der damalige Landeshauptmann Haider nicht eine Sekunde, den historischen Fürstenstein aus dem Kärntner Landesmuseum demonstrativ in das Foyer der Kärtner Landesregierung transportieren zu lassen. Auf Haiders Initiative ist der Fürstenstein seit 2007 auf allen amtlichen Dokumenten und dem Briefpapier des Landes Kärnten als Symbol der Landesregierung abgebildet.
Dass das österreichische Kärnten seinen Namen vom historischen Karantanien abgeleitet hat versteht sich von selbst. Forscht man im Internet etwas weiter rund um dieses Karantanien herum erfährt man jedoch so einiges Interessantes. Unter anderem eben auch von der Verwandtschaft der "Slowenen" mit den "Helveten".
Karantanien war ein im 7. Jahrhundert nach Christus entstandenes slawisches Fürstentum mit Zentrum im Gebiet des heutigen Kärnten. Über Kärnten hinausreichend und als ein erstes eigenständiges und stabiles Staatsgebilde nach der Völkerwanderung war es entscheidend für die Geschichte Kärntens und die der Steiermark und Sloweniens. Die in der Wissenschaft Alpenslawen, auch Vinedi genannten ethnischen Vorfahren der Slowenen, besiedelten am Ende des 6. Jahrhunderts in relativ kurzer Zeit den östlichen Teil der Ostalpen. Diese Slawen werden im 7. Jahrhundert als carantani, sclavani, sclavi, sclavoni oder veneti bezeichnet. Die Germanen nannten sie Winedi, Winadi oder Winden. Zwar exisitierte Karantanien nur gerade ein gutes Jahrhundert lang, hat aber sprachgeschichtlich wichtige Wurzeln hinterlassen.
Das in vielen europäischen Sprachen ähnlich klingende Wort „Sklave“ soll laut einigen Forschern demnach auch von der Volksgruppe der sclavani herstammen, also jener Alpenslawen, welche als Urfahren der heutigen Slowenen gelten. Die umliegenden Bevölkerungsgruppen gaben den Alpenslawen verschiedene Namen. Die Germanan nannten sie, wie bereits erwähnt, Winden. Ein Ausdruck der sich vom lateinischen Namen Venetae ableitet. Obwohl eine sichere ethnische Zuordnung der Venetae zu den Winden nicht möglich ist, hat diese Verbindung schon zu manchen Spekulationen Anlass geboten.
Ich persönlich würde die Verwandtschaftslinie sogar noch weiter nach nordwesten hin ziehen. Laut zahlreichen historischen Quellen wird nämlich vermutet, dass ihre Ansiedlung sogar noch weiter nach Norden reichte, nämlich mindestens bis an die heutige Schweizer Grenze. Der Bodensee wird in römischen Quellen als lacus venetus bezeichnet.
Obwohl historische Rundumschläge selten hilfreich und erhellend sind, freut es mich doch sehr, dass mir einmal mehr zum Bewusstsein gekommen ist, wie sehr Geschichte eine Frage des Standpunktes ist. Mit etwas Überzeugungskraft würde man nämlich bestimmt einige verrückte Helveter dazu bringen können, eine Entführung des Fürstensteins aus dem Kärntner Landesmuseum (dort steht er nämlich heute wieder) in die Wege zu leiten; schliesslich gehört er ja auch ein Bisschen uns.