Vor kurzem habe ich mir den Film „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahre 1934 angeschaut. In dieser feinen Geschichte gerät das Mädchen Dorothy mit ihrem Hund Toto auf einmal in die Welt des Zauberers von Oz. Nachdem sie die böse Hexe des Ostens beseitigt hat wird sie von der guten Hexe des Nordens auf die Suche nach dem Zauberer von Oz geschickt. Das kleine Mädchen hat aber keine Ahnung von der Geographie des fremden Landes und bittet die gute Hexe deshalb um eine Wegbeschreibung. Die gute Hexe des Nordens muss ob der Frage des Mädchens lachen, denn es gibt doch nur gerade eine Strasse die zum Zauberer von Oz führt. Das Mädchen muss nichts weiteres tun, als dem mit gelben Steinen ausgelegten Weg zu folgen. Und tatsächlich spielt sich die nächste Stunde des alten Spielfilmes auch alles auf dem Parkett eben dieses gelben Weges ab.
Ganz so einfach ist es in der wirklichen Welt natürlich nicht. Zum Glück auch führen immer mehrere Strassen ans gewünschte Ziel. Mir scheint es jedoch, dass die Vielfalt an Strassen und Wegen es uns nicht selten erschwert, uns mit guter Überzeugung für einen Weg zu entscheiden.
Als ich zu Fuss unterwegs gewesen bin, habe ich mir nicht selten einen Weg, eine Strasse gewünscht, welcher ich einfach hätte folgen können. Einen Weg wie derjenige des Mädchens Dorothy im Land des Zauberers von Oz. Einen Weg voller Abenteuer und Überraschungen zwar, aber dennoch vorgezeichnet. Einen solchen Weg habe ich damals nicht gefunden.
Seit meiner langen Wanderung interessiere ich mich sehr für die Geschichte alter Wege und Strassen und ich hoffe, dass ich noch so einige von diesen Pfaden werde begehen können. Denke ich an meine Wanderung zurück, so bleibt mir ein Weg besonders eindrücklich in Erinnerung. Es war eine Strasse in Norditalien, kurz vor dem Gardasee. Sie wurde während des 1. Weltkrieges von italienischen Truppen gebaut und diente der Versorgung der Grenztruppen mit militärischem Material. Demenstprechend war sie auch mit grossen, schweren Steinen ausgebaut worden. Nach dem Krieg verlor dieser Weg aber seine Bedeutung und begann langsam zu zerfallen, zusammen mit den zahlreichen Forts und Bunker, welche den Wegrand säumten. Auf diesem Weg fühlte ich mich in eine andere Zeit, fast in eine fremde Welt entrückt und es hätte mich damals wohl kaum erstaunt, hinter einer Kurve den Zauberer von Oz anzutreffen (den ich damals übrigens noch nicht kannte).
Von Sarajevo aus hätte ich gerne eine der alten Verbindungs- und Handelsstrassen in Richtung Bosporus einschlagen wollen. Doch diese alten Strassen gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht mehr so wie ich sie mir vorstelle. Heute liegen sie begraben unter den asphaltierten Fernstrassen und sind Teil des Europäischen Fernverkehrs-Systems geworden. Denn die Routen haben sich nicht verändert und die Berge haben sich nicht abgeflacht.
Wenn ich mich nächstes Mal auf den Weg nach Istanbul mache, dann werde ich vielleicht die Via Egnatia einschlagen. Als östliche Fortsetzung der Via Appia war sie der direkte Weg zwischen Rom und Konstantinopel, den beiden großen Metropolen des spätantiken römischen Reichs. Die Via Egnatia führt von Durres im heutigen Albanien über den Ohrid See nach Thesaloniki und weiter durch Griechenland bis an den Bosporus. Teile der alten Heeresstrasse seien noch zu sehen, der grösste Teil jedoch liegt heute vergraben unter dem Asphalt von Autobahnen und Fernstrassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen