Das Revolutionsmuseum hat geöffnet. Widersprüchliche Meldungen vernahm ich in den letzten Monaten über dieses Gebäude, das als angeschossener Kubus, in modernster Weise neben dem aus austro-ungarischer Zeit stammenden Nationalmuseum steht; einen Steinwurf weit von der neuen amerikanischen Botschaft entfernt. Die letztere gleicht einer mittelalterlichen Festung, mit meterdicken Mauern, Burggräben und Stallungen für die teuren Autos. Die rumänische Botschaft kommt im Vergleich einem Bedienstetenhäuschen gleich; doch das zu erwähnen ist ja müssig.
Im Revolutionsmuseum gibt es keinen Strom und keine Heizung. Das Dach hat ein Loch, es tropft auf den glatten Steinboden und die Wasserlache gefriert dort zu einer kleinen Eisbahn. Im oberen Stockwerk gibt es wenige Fenster, demenstpreched wenig Licht und es ist also kein Leichtes die Texte zu lesen und sich die zahlreichen Bilder über die Belagerung Sarajevos anzuschauen. Alles in ein Dämmerlicht und in eine durchdringende Kälte getaucht, wie sie nur in steinigen, seit langer Zeit ungeheizten Gemäuern vorkommt. Im Erdgeschoss befindet sich eine Ausstellung über Tito; den Partisanen, das Staatsoberhaupt und den Freund aller Jugoslawen. Mit Vergnügen schaute ich mir die kunstvoll verzierten Stäbe der Tito-Staffette an.
Bereits bei seinem ersten Geburtstag nach dem Zweiten Weltkrieg, am 25. Mai 1945, wurden Tito 10 solche Stäbe ausgehändigt. Symbol der sechs Republiken Yugoslawiens: Serbien, Montenegros, Kroatien, Sloevnien, Macedonien, Bosnien-Hercegowina. Ein weiterer Stab kam damals noch aus dem heutigen Trieste.
Seit 1945 wurde der 25. Mai, Titos Geburtstag, in Jugoslawien als der Tag der Jugend gefeiert. Wochen zuvor begann jeweils die Staffette, welche die Läufer durch alle Republiken und vorbei an allen wichtigen Kriegsschauplätzen führte. Titos Geburtstag schliesslich war ein Volksfest sondergleichen, denn Tito war damals gleichbedeutend mit Jugoslawien.
Natasa hat mir erzählt, wie sie als Pionierin der Tito-Jugend als kleines Mädchen im Monat Mai am Strassenrand gestanden ist, Blumen in den Händen haltend, die sie dem edlen Läufer entgegenwerfen sollte. Sie beschrieb mir wie nervös sie damals war und welche Angst sie verspürte nicht alles genau richtig zu machen. Aber sie erinnert sich auch noch an das grossartige Gefühl Teil eines wichtigen, historischen Moments gewesen zu sein. Als Mädchen hatte sie freilich keine Ahnung weshalb dieser Läufer nun durch Slovenien gerannt kam und wohin er gehen wollte. Was spielte das auch für eine Rolle; war man doch Teil des farbenprächtigen Blumenmeeres.
Zum letzten Mal erhielt Tito 1979 in Belgrad den Stab ausgehändigt. 1980 startete die Staffette zu ihrer üblichen Tour, wurde aber am 4. Mai unterbrochen, als der Tod des Joseph Broz Tito bekannt wurde. In der Ausstellung sind Bilder von weinenden Menschen auf der Strasse zu sehen, sogar eine ganze Fussballmannschaft bricht im Stadion in Tränen aus. Noch während den nächsten acht Jahren versuchte man den Tag der Jugend am Leben zu erhalten, doch mit dem Tod Titos verlor auch dieser immer mehr an Bedeutung. Nur wenige Jahre nach der offiziellen Abschaffung des einst wichtigtsen Volskfestes Jugoslawiens, brach Titos Staatsgebilde auseinander.
Die Staffeten-Stäbe stehen nun in verschiedenen Museen in den ehemaligen Republiken Jugoslawiens. Die meisten im Nationalmuseum in Belgrad und enige eben auch im eisig kalten Revolutionsmuseum in Sarajevo.
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