Neues Kulturzentrum in Lendava/ Lendva
Mit Nataša war ich am letzten Wochenende in Trimlini, Harmasmalom, ein Dorf in nächster Nähe des kleinen Städtchens Lendava, an der kroatisch-ungarisch-österreichisch-slovenischen Grenze. Noch vor einigen Jahren wälzten sich alle Lastwagen, die Waren von Westeuropa nach Osteuropa transportierten auf der Hauptstrasse durchs kleine Zentrum Lendavas. Diese Strasse war der schnellste Verbindungsweg zwischen Spanien und Russland sowie allen Ländern, welche dazwischen liegen. Heute umfährt eine mehrspurige Autobahn das Städtchen, dank welcher wieder etwas mehr Ruhe eingekehrt ist. Als wir einmal bei einer Tankstelle vor Lendava Halt gemacht haben, kam es mir vor, als sei ich am Pier eines riesigen Hafens; da standen unzählige Laster aus ganz Europa und ich sah damals vielleicht zum ersten Mal ein Registrationsschild von Moldawien oder Russland.
Natašas Grossmutter, welche vor etwas mehr als einem Jahr gestorben ist, stammt aus Lendava und auch die Mutter Natašas ist dort aufgewachsen. Natašas Grossmutter, Anyuka, hatte ungarische Wurzeln und sprach, wie noch viele Menschen in Lendava, diese Sprache fliessend. So lernte auch Nataša bereits früh von Anyuka wie man sich auf ungarisch verständigt.
Das malerische Städtchen am Rand der grossen Ebene hinter dem Fluss Mura liegt zu Füssen zahlreicher Rebbergen, welche das Land wie mit einem Gürtel gegen das heutige Ungarn abschliessen. Das Königreich-Österreich Ungarn hielt das Gebiet Prekmurije, im Nordosten Sloveniens, Jahrzehnte lang unter ihrer Verwaltung. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, als Österreich-Ungarn zerbrach und die Versailler Verträge die Grenzen Europas neu definierten, entstand Slovenien mehr oder weniger in seiner heutigen Form, damals aber noch als Teil des Königreiches der Serben, Kroaten und Slovenen. Doch die ungarische Sprache und Kultur liessen sich nicht gänzlich durch einen Vertrag aus dem heutigen Slovenien vertreiben. Hartnäckig hält sich das kulturelle Erbe der Banffys und Ezterhazys in Schnabel des Landes fest. Dieser ungarischen Hartnäckigkeit habe ich es zu verdanken, kann ich heute im Banffy Zentrum in Lendava meine Ezterhazy Torte geniessen.
Lendava und einige angrenzende Gemeinden gelten heute in der Republik Slovenien als offziell zweisprachig. In der Schule werden beide Sprachen gleichwertig behandelt und alle Ortsschilder sind in ungarischer und slovenischer Sprache verfasst. So heisst dann auch das Dorf, in welchem Natašas Eltern wohnen, Trimlini – Harmasmalom, was soviel bedeutet wie „Drei Mühlen“. Will man als Lehrer in einer Schule in Lendava Arbeit finden, so ist es unerlässlich, dass man slovenisch und ungarisch spricht. Dass diese Politik gerade für slovenische Schulkinder nicht immer Freude hervorruft kann ich mir dank den Schilderungen Natašas gut vorstellen. Denn schliesslich wurden auch alle offiziellen Mitteilungen zweisprachig verlesen, was zur Folge hatte, dass nach einer langweiligen Maturitätsrede des Rektors auf slovenisch, die nachfolgende ungarische Übersetzung erst recht auf taube Ohren stiess. So stehen denn gerade junge Menschen, die in Lendava geblieben sind und dort leben und arbeiten, nicht immer in besten Beziehungen mit ihren ungarischen Mitbewohnern. Die ungarische Bevölkerung beanspruche viel Geld; Geld welches selbstvertändlicherweise aus slovenischen Steuergeldern stammt. Das interessante Kulturzentrum in Lendava führt zwei Veranstaltungsreihen durch, eine slovenische und eine ungarische. Zu ungarischen Veranstaltungen kommen oft Besucher aus den Ortschaften jenseits der Grenze, denn ein vergleichbares Angebot gibt es in nächster ungarischer Nähe nicht.
Es sind keine ethnischen Spannungen, die sich hier im slovenisch-ungarischen Grenzraum zusammen brauen, aber es sind Ansätze zu Konflikten, die auf solch überschaubarem Raum, bestimmt interessante Beobachtungen zuliessen. Denn schliesslich stellt sich doch überall die gleiche Frage: Wie gehen Menschen damit um, dass sie das Schicksal immer wieder an Orte spühlt, die sie sich selber nicht ausgewählt haben, welche sie sich dann aber versuchen so gut als möglich zu eigen zu machen. Dieser Versuch der Beschlagnahmung kann aber immer nur ein vorübergehender sein, denn in der Ferne bäumt sich jeweils bereits die nächste Welle auf, die neue Menschen an denselben schicksalshaften Ort verschlagen wird. Und so wechseln sich die Menschen ab, geben das Land und die kulturellen Einrichtungen von einer Hand in die andere und erzürnen sich nicht selten daran, dass ihre Vorgänger nicht vollständig die Wohnung verlassen und nur unsorgfältig den Boden gewischt haben.
Ehemaliger Tito dom in Lendava/ Lendva
Mittwoch, 24. Februar 2010
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