Montag, 29. November 2010

Pozor! - Vorsicht!

"Miner Meinig naa muess die SVP-Initiative jetzt z'erscht mau ä chli uusgschaffet wärde...!"

Freitag, 26. November 2010

Oh, Heimat


Im Herbst dieses Jahres arbeitete ich während einem Monat auf einem Gemüsebetrieb im schweizerischen Seeland. Der Mann meiner Cousine hat vor einigen Jahren diesen Hof von seinem Vater übernommen. Seither bestimmt er die Geschicke des Betriebes. Er entscheidet was wann und wo angebaut wird und in welchen Rahmenbedingungen dies geschehen soll.
Die Saison ging ihrem Ende entgegen. Gerade einmal zwei Gemüsesorten lagen noch in der Erde, als ich mich als Gemüsebauer-Gehilfe versuchte. Die ersten zwei Wochen beschäftigten wir uns vor allem damit die Petruschkas aus dem Boden zu ziehen. Während dieser Arbeit lernte ich auch meinen Mitarbeiter aus der Slowakei kennen. Tagelang knieten wir nebeneinander auf dem Boden, zogen die Rüben aus der Erde und sprachen über manch interessante Sachen. Mein Mitarbeiter aus der Slowakei verbrachte nun seine vierte Saison als Gastarbeiter in der Schweiz. Durch seine Hände ging gar manches Gemüse, welches wir später feinsäuberlich verschweisst mit der Aufschrift „Aus der Region, für die Region“ versehen im Migros kaufen können.
Der Einsatz und die Ausdauer des Gemüsebauers betrachte ich heute mit einem ungeheuren Respekt. Nicht selten steht dieser junge Mann zehn bis zwölf Stunden auf den Beinen um das Gemüse rechtzeitig und einwandfrei den Käufern abzuliefern. Er ist mit Leib und Seele bei der Arbeit, in einem anderen Zustand wäre diese Arbeit untragbar. Ein grosser Respekt bringe ich aber auch den zahlreichen ausländischen Arbeitskräften entgegen, die jeweils vom frühen Frühjahr bis zum späten Herbst sich auf den seeländischen Feldern abrackern um „aus der Region, für die Region“ zu säen und zu ernten. Mein slowakischer Mitarbeiter hat in seiner Heimat die Ausbildung zum Lehrer absolviert, hat als Vertreter einer Handelsfirma hundert tausende Kilometer im Auto zurück gelegt, zwei Familien mit-gegründet und sich im Alter von 58 Jahren nochmals „neuorientiert“. Im Nachhinein gleicht sein momentanes Leben in meinen Augen den philippinischen Matrosen, die ich auf dem Frachtschiff, welches mich damals von Barcelona nach Buenos Aires brachte, kennen gelernt habe. Das Dasein wird aufgeteilt in Arbeit und Leben. In möglichst kurzer Zeit versucht man möglichst viel Arbeit zu leisten um möglichst viel Gewinn zu erzielen um dann in der Heimat möglichst lange, möglichst sorgenfrei zu leben. Dies wiederum ermöglicht uns Konsumenten und Konsumentinnen in der Schweiz, die Waren zu einem möglichst günstigen Preis zu kaufen. Eine win-win Situation könnte man es nennen, oder auch Ausbeutung.
Ich hatte das Glück, dass ich während den Stunden des Petruschka erntens den Menschen hinter dem Gastarbeiter kennen lernen konnte. Von ihm habe ich so einiges gelernt. Nicht zuletzt ist mir nach einigen Wochen die Tragweite des Ausspruchs „Arbeit ist Arbeit“ bewusst geworden. Denn für meinen slowakischen Mitarbeiter spielt es irgendwie keine Rolle mehr, welcher Arbeit er nun nachgehen wird. Solange er davon ausgeht, dass eine Arbeit gemacht werden muss, weil das Resultat derselben Sinn macht, solange gibt es keine gute und schlechte Arbeit. „Arbeit ist Arbeit“; man sagts und beugt sich wieder mit schmerzendem Rücken über die Petruschkas und zieht eine nach der anderen aus der Erde.

Mittwoch, 24. November 2010

Gastarbeiter in der Schweiz

Vielleicht habe ich die Schweiz noch selten so intensiv erlebt wie in diesen letzten 5 Wochen, als ich zwecks Besuch und Arbeit gemeinsam mit Natasa in Bern wohnte und im Diemtigtal sowie in Golaten arbeitete. Im Diemtigtal ging ich meinem "Stammberuf" nach und unterrichtete eine gemischte Oberstufe in Bächlen. Ein Schulhaus, ein Schulzimmer und keine Fabrikglocke, welche die Studierenden in immer gleichen Abständen an ihren Arbeitsplatz zurück beordert. Der Turnunterricht fand mindestens einmal pro Woche, bei jedem Wetter, draussen statt. Ein Schulbus holte die Kinder von den umliegenden Höfen ab und brachte sie nach Bächlen, sofern diese nicht mit dem eigenen Töffli angefahren kamen, was bei 80 % der Kinder der Fall war. Ein grosses Vorbild war allen der frisch gekürte Schwingerkönig Wenger Kilian. Seine Mutter lernte ich kennen, sie arbeitet als Schulbusfahrerin. Die Lobeshymnen auf den Schwingerkönig dominieren auch Monate nach dem Kampf weiterhin in Form von Plakaten und aufgehängten Leintuchmalereien die Gegend. "Mir si stolz uf üse Kilian". Es war ein Erlebnis der besonderen Art in diesem Diemtigtal unterrichten zu dürfen. Es tut gut zu wissen, dass es solche Plätze gibt. Und als die Kinder zum Abschluss eine Party für mich organisierten, Zopf, Käse und Hamme auftischten und mir auf dem Schwyzerörgeli ein Ständchen gaben, so ging mir das wirklich zu Herzen. Am liebsten hätte ich damals die Stühle bei Seite geschoben, Sägemehl auf den Boden gestreut und mit einem starken Hosenlupf ein Kräftemessen veranstaltet; den Schwingen lässt sich bekanntlich nur unter Freunden.
An meinen schulfreien Nachmittagen arbeitete ich jeweils bei Michu in Golaten. Michu ist Gemüsebauer und bewirtschaftet zahlreiche Felder in und um Golaten herum. Während meines Aufenthaltes in der Schweiz staken noch immer die Petruschkas alias Peterliwurz in der Erde und bei einer goldenen Herbstsonne verbrachten ich und der slowakische Arbeiter Michael gar manche Stunde damit, auf den Knien rutschend Tausende dieser Rüben aus der Erde zu ziehen. Nach einem Nachmittag schmerzten mir bereits alle Glieder. Ein Glück hatte ich Michael zu meiner Seite. Der 60 jährige Slowake verbrachte gerade seine vierte Saison als Gastarbeiter in der Schweiz (die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, welcher ein solches Statut noch kennt...). Er konnte mich beruhigen, denn er meinte, dass ich nach einigen Tagen keine Schmerzen mehr spüren würde. Bei Sonne, Regen, Frost und Hitze arbeiteten wir uns durchs Petruschka Feld um schliesslich noch tonnenweise Kohl zu schneiden. Es wurde gelacht und geflucht auf dem Feld und unser Chef merkte bald, dass er mit zwei Tassen Kaffee am Tag unsere Leistung um mindestens 50% steigern konnte... Am letzten Abend lud uns unser Chef Michu in die "Glungge" zu Hühnerflügeli und Bier ein. Michael bestand darauf, dass vor dem Essen eine Runde Vodka getrunken wurde. Aus einer Runde wurden schliesslich deren vier und wäre der Glungge nicht das russische Gesöff ausgegangen, wir sässen wahrscheinlich noch die ganze Nacht lang dort und würden trinken.
Ich kam als Gastarbeiter in die Schweiz. Kurze 5 Wochen verbrachten Natasa, ich und Pintas in meiner Heimatstadt (ein herzliches Dankeschön unseren Gastgebern Gisu und Dome!). Nun sind wir zurück in Maribor wo wir die Wohnung für das grosse Ereignis im Februar bereit machen. Pintas muss sich daran gewöhnen, dass es Orte gibt, die für ihn in Zulunft tabu sein werden. Ich muss mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr jeden Tag meine Finger in die Erde stecken kann um irgendwelches Gemüse zu ernten; es wird mir fehlen.