Mittwoch, 30. März 2011

Feier im Schloss Fala


Am vergangenen Samstag Nachmittag waren wir beim Grafen zu Fala zum Essen eingeladen. Es war eine Gesellschaft von rund dreissig Nasen, die sich vom Butler Blaz staunend und auch mit etwas Ehrfurcht durch die vielen Räumlichkeiten des Schlosses führen liess. Für die meisten Freunde war es der erste Besuch im Schloss Fala, wenige wussten auch darüber Bescheid, dass sich das Schloss seit einigen Jahren in Privatbesitz befindet.

Empfangen wurden wir alle im Eiskeller des Schlosses. Dies ist eine Art Pavillon, der sich am äussersten Rand des Schlossgartens befindet und in innerhalb dessen Mauern die Temperaturen auch im Sommer eine sehr angenehme Frische aufweisen. Der Butler Blaz liess uns wissen, dass in früheren Zeiten in diesem Pavillon Eisstücke bis in den August hinein aufbewahrt werden konnten. Das Eis wurde aus der Drava geholt welche damals im Winter noch über weite Stellen zufrieren konnte. Heute hat dieser altertümliche Eiskeller seine Funktion verloren und auch die Drava friert nicht mehr zu genau so wenig wie die Flösser auf ihren langen Schiffen von Maribor in Richtung Belgrad und später bis ins Schwarze Meer fahren; alle paar Kilometer staut die Mauer eines Elektrizitätswerkes den Lauf der Drava. Der Eiskeller vermochte jedoch den Aperitif-Schnaps auf eine angenehme Temperatur runter zu kühlen und man genehmigte sich das ein oder andere Gläschen.

Im Schloss selber wurden wir anschliessend vom Grafen persönlich empfangen, der uns in seiner schwarzen Robe durch seine Gemächer führte. Die Räume des Wohntrackts des Schlosses Fala sind eine wahre Fundgrube für Spürnasen. Überall liegen, hängen und stehen alte Objekte, eine angebrannte Zigarre liegt auf dem Tisch, daneben ein alter Revolver, irgendwelche vergilbte Fotografien liegen verstreut auf dem Nachttisch neben dem schweren dunklen Holzbett, ein Hemd hängt zerknittert über einem Stuhl, gerade so, als hätte sich jemand eben erst aus dem Bett geschlichen und unauffällig das Weite gesucht. Was hier in Fala gelebte Realität und was nur Spiel ist lässt sich schwerlich sagen. Man ist geneigt zu glauben, der Graf Milan Slavic lebe wirklich so, umgeben von all diesen alten, scheinbar nutzlosen Dingen, alleine mit seinem Butler in diesem Schloss an der Drava mit seinen Dutzenden von Zimmern und der Unzahl an Kellerräumen, welche sich tief unter dem Schloss Labyrinth ähnlich ausdehnen. Das Nachtessen bei Kerzenlicht im Roten Saal liess nichts zu wünschen übrig. Alles aus dem Holzofen der Schlossküche, zubereitet von den Köchen des Schlosses Fala.

Es war definitiv eine andere Welt, welche uns später im Jazzclub Sachmo in Maribor erwartete, in welchem wir das Fest in Ruhe ausklingen liessen.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass so viele Freunde den Weg nach Fala gefunden haben. Aus der Schweiz Flo, Johanne, Cynthia und natürlich auch der Mitbegründer der gehcrew, mein lieber Freund dan. Aus Sarajevo ist Boris angereist, im Gepäck eine grosse Packung bosnischen Kaffees und eine Kiste der wohl besten Ratluks, die es zur Zeit in der bosnisch-hercegowinischen Hauptstadt zu finden gibt. Natürlich sind auch aus Maribor zahlreiche Freunde ans Fest gekommen. All Ihnen ein herzliches Dankeschön!

Montag, 21. März 2011

Blick nach innen


Vor einem Jahr bin ich von Maribor aus zurück nach Sarajevo gefahren um die Wanderung in Richtung Istanbul fort zu setzen. Dreihundertfünfundsechzig Tage sind seither vergangen und heute morgen trage ich den schreienden Jurij so lange in meinen Armen, bis er wieder einschläft. Gemeinsam sitzen wir oft frühmorgens hier in der Küche und schauen wie es draussen langsam hell wird. Dank Jurij weiss ich jetzt, dass die Vögel nach Borova Vas zurück gekehrt sind und bereits um halb fünf Uhr morgens in den Bäumen vor den grossen Wohnhäusern ihre Konzerte geben. Jurijs Blick schweift in diesen Stunden immer weit hinaus, auch wenn er nur die Wand in der Küche zu betrachten scheint. Er muss durch und über diese Wand hinaus sehen, er wird mehr sehen als ich es mir vorstellen kann. Jurijs Blick geht weit hinaus, durch die Wände unseres Wohnblockes hindurch, über die Bäume von Borova Vas und auch über den Pohorije, auf welchem der Schnee seinen letzten Auftritt vor dem hereinbrechenden Frühling zu geben scheint. Jurijs Blick geht weiter als ich jemals wandern könnte, denn seine Augen schauen auch nach innen. In diesen Momenten scheint er eins zu sein mit der Welt. Ein Zustand den wir Erwachsenen kaum mehr erreichen können. Es zu versuchen sollte aber immer wieder Priorität in unserem Leben haben. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen tanzen wir und schreiben wir Bücher, lieben und bekriegen wir uns, erforschen wir die Atome und reisen ins Weltall hinaus. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen versuchen wir nach Istanbul zu wandern, studieren wir an Universitäten und suchen Ruhe in Meditations Kursen. Jeder Mensch hat selber einmal die Fähigkeit besessen nach innen zu schauen und dabei vielleicht eine Einheit von „innen“ und „aussen“ gefühlt. Dass wir diesen Blick nicht mehr beherschen heisst aber hoffentlich nicht, dass wir ihn verloren haben.

„Bei deiner Geburt warst du ohne Gedanken. Nimm diese Wahrheit so tief wie möglich in dein Herz auf, denn dann öffnet sich dir eine Tür. Wenn man ohne Gedanken geboren ist, dann ist das Denken ein Produkt der Gesellschaft. Die Existenz geht dem Denken voraus.“

Osho

Montag, 14. März 2011

Samstag, 12. März 2011

Im richtigen Licht


Die Eisenbahnbrücke vor dem alten , wahrscheinlich unbewohnten Haus in Vuzenica, schluckt den grössten Teil der Morgensonne, welche ansonsten bei klarem Wetter auf die gelbe Fassade des alten Gemäuers scheinen würde. Für einen kurzen Moment jedoch kann man dank dieser Eisenbahnbrücke Gefühle erleben, als stände man als Haupdarsteller auf einer der ganz grossen Bühnen dieser Welt. Lässig an die Wand gelehnt oder auf der Bank sitzend geniesst man während einigen Minuten das Rampenlicht, welches von Osten her, sich an der Eisenbahnbrücke vorbei zu schummeln vermochte.

Sonntag, 6. März 2011

Starkes Wasser


Kürzlich haben Natasa und ich unweit von unserem Haus einen Mann angetroffen, der einfach so auf der Wiese zusammengesunken ist. Die Erde und das Gras waren an diesem Tag feucht, dementsprechend schmutzig auch die gepflegte Lederjacke des älteren Herren. Als wir zu diesem Mann hingeeilt um ihm wieder auf die Beine zu helfen, sind wir zuerst erschrocken, denn er war überhaupt nicht ansprechbar. Bald einmal war uns jedoch der Grund des Zustandes des älteren Herren klar; denn eine unverkennbare Weinfahne entstieg dem Munde des Mannes, welche, in den späten Vormittagsstunden, bereits auf das ein oder andere Gläschen schliessen liess. In seiner Jackentasche fanden wir schliesslich auch einen Personalausweis, welcher uns erlaubte, den Mann zu seiner Wohnung zu begleiten (in Slowenien steht auf dem Personalausweis auch die Wohnadresse). Vor seinem Haus angekommen, wollte der Mann aber partout nicht zulassen, dass wir ihn bis zu seiner Wohnung im dritten Stock begleiten würden. Dies erschien uns wiederum jedoch unakzeptabel, konnte er sich doch kaum auf den Beinen halten und wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit kaum die Treppen alleine hochgestiegen. So blieb uns nichts anderes anderes übrig, als beim Nachbarn zu klingeln. Dieser schien den älteren Mann gut zu kennen und gemeinsam nahmen sie dann die wenigen Tritte bis zur Wohnungstür in Angriff.

Ein übermässiger Alkoholkonsum ist in Slowenien keine Seltenheit. Sloweninnen und Slowenen gönnen sich gern einmal ein Gläschen über den Durst und das Trinken des gegärten Traubensaftes kann hierzulande bereits als fester Bestandteil des kulturellen Lebens bezeichnet werden.

Zusammen mit meinem Vater habe ich letzten Sonntag die Weinkeller unterhalb des Freiheitsplatzes in Maribor besichtigt. Dieses weitverzweigte Netz an Weinkellern gehört zu den grössten europaweit. Während der Zeit des sozialistischen Jugoslawien wurden hier jährlich 15 Millionen Liter Wein hergestellt und gelagert. Diese Mengen war deshalb astronomisch gross weil es keine privaten Weinproduzenten gab. Die ganze Herstellung war eine staatliche Angelegenheit und zur Erreichung dieser Menge wurden sogar Trauben aus Mazedonien nach Maribor gebracht. Heute stehen die riesenhaften Eichen-Weinfässer nur noch als Kunstobjekt in den Kellern. Die 800'000 Liter Wein, die letztes Jahr in den Weinkellern in Maribor produziert wurden, werden allesamt in Metallfässern gelagert.

Alkohol scheint auch in unserem Wohnblock ein Thema zu sein. Jedenfalls muss es hier irgendwo einen Whisky Liebhaber geben...

Samstag, 5. März 2011

Us dr Region für d'Region

Nach vielen neblig, kalten und sogar verschneiten Tagen zeigt sich hier in Maribor endlich mal wieder die Sonne. Jurij hat seine ersten Spaziergänge hinter sich und er hat auch mit den Grosseltern beider Länder Bekanntschaft gemacht. Es ist ein neuer Rhythmus auf den wir uns nun einstellen müssen. Nun ist etwas in unserem Leben, das klar Vorrang hat.

Bei meiner Arbeit als "flying teacher" fahre ich wöchentlich mehrmals zu verschiedenen Firmen in der Umgebung Maribors. Beide Firmen liegen ganz nahe der österreichischen Grenze, eine eigentlich direkt auf der Grenze. Es ist dies die Papierfabrik "Paloma". Noch ist der slowenische Staat grösster Teilhaber des Konzerns, welcher heute rund 800 Angestellte hat. Vor einigen Jahren waren es noch doppelt so viele gewesen. Der Konzern ist nun zum Verkauf ausgeschrieben. Interessierte Käufer stammen aus Österreich, der Slowakei und Tschechien. Eine Unsicherheit wie es danach mit der Firma weitergeht ist bei den Mitarbeitern zu spüren. Ich jedenfalls kaufe nur noch das Toilettenpapier Marke "Paloma", denn ich sage mir: "Us dr Region für d'Region".