Freitag, 31. Dezember 2010

Srečno novo leto!


Es lebe das A-Bulletin!

Ich bin kürzlich Abonnent des A-Bulletins geworden. Eine kleine, feine Zeitschrift, die sich seit über 25 Jahren zum Ziel setzt, eine Kommunikations- und Austausch-Plattform für Menschen mit oftmals etwas besonderen Anliegen zu sein.
Besonders?

Wer tauscht mit uns ein Schafböckli? Zwecks Blutauffrischung.

Ich, männlich, 25 Jahre alt suche baldmöglichst Arbeit auf einem Bauernhof, oder einer Alp. Wer weiss was?

Trance- uralte Heilwege neu entdecken.

Wer kommt mit auf Skitouren?

Zum Geschenk dafür, dass ich Abonnent geworden bin, schickten mir die Verlger der Zeitung mehrere alte Exemplare. Darunter auch zwei aus dem Jahre 1983. Farbig sind diese, vergilbt. Auf den ersten Blick, beim ersten Durchlesen, scheint sich inhaltlich wenig getan zu haben in den vergangen 27 Jahren. Nach wie vor verschenken Menschen junge Hunde, suchen Partner für Wohngemeinschaften oder werben für eigene Heiltherapien. Man muss schon genauer hinschauen, damit man erkennen kann, dass eine völlig andere Zeit aus den vergilbten Seiten der A-Bulletins aus dem Jahre 1983 hinaus ins 2010 tritt.

Die chlinschti Zitig erschient: Die Schweiz ist um eine Alternative reicher: In den ersten Tagen der Zeitungsgeschichte, war der Schreiber häufig auch zugleich Drucker und Austräger seines Blattes. Leider sind diese romantischen Zeiten längst vorbei. Heute werden wir von Pressemonopolen überrollt. Um die Presselandschaft etwas auzulockern, gebe ich halbjährlich die Einmann-Zeitung „Der Mond“ heraus.

Das A-Bulletin war im Jahre 1983 ein echtes und wichtiges Mittel den Austausch zwischen Menschen zu fördern. Menschen, die gleiche Interessen und Bedürfnisse hatten miteinander in Kontakt treten zu lassen.
Wie hat es ein solches Blatt geschafft, die Zeiten der modernen Kommunikation zu überleben. Dem Internet, der Telekommunikation zum trotz erscheint heute immer noch diese Zeitschrift und wirbt mit oftmals hangestrickten Annoncen für seine Anliegen.
Ich weiss nicht ob die Einmann-Zeitschrift „Der Mond“ heute noch existiert, doch frage ich mich wie man die heutigen Zeiten den beschreiben sollte, wenn der Schreiber fürs Jahr 1983 bereits den Begriff „unromantisch“ verwendet hatte.
Vielleicht ist aus „Der Mond“ heute eine Internet-Domäne geworden. Bestimmt mit einem anderen Namen, denn um sich http://www.dermond/ unter den Nagel zu reissen, hätte unser Herausgeber bestimmt bereits Anfang Neunigerjahre ein Angebot machen müssen.

Jedes A-Bulletin beginnt mit einer einleitenden Geschichte, einem fachlichen Artikel oder Interview. Im Mai-Heft aus dem Jahre 1983 wird den Leserinnen und Lesern über vier Seiten die Wirkung und Grundlage der Homöopathie dargelegt.
Ich selber nenne mich Nutzer der Homöopathie und ich schätze die Existenz dieser Heilmethode als Alternative zur Schulmedizin als sehr wichtig ein. In der Zeitschrift „Spiegel“ las ich kürzlich einen mehrseitigen Beitrag zur Homöopathie. Die Homöopathie wurde als das dargestellt was sie in Wirklichkeit auch ist; als eine im rationalen Sinne nur sehr schwer oder überhaupt nicht zu erklärende Heilmethode. Der Vorwurf der "Scharlatanerie" wurde somit wohl für viele Leserinnen und Leser einmal mehr bekräftigt, bestätigt und wenn man will auch bewiesen. Menschen benutzen trotzdem weiterhin homöopathische Heilmittel, wie sie auch weiterhin A-Bulletin lesen.
Die Abhandlung zur Homöopathie, wie sie im Mai-Heft des Jahres 1983 dargelegt wird, war faszinierend und erhellend. Es wurden Vergleiche und Beispiele angefügt, die man heute, in Zeiten der „unbeschränkten“ Informationsquellen, wohl nicht mehr zu erwähnen wagen würde.

Betrachten wir einmal eine Tonbandkassette. Sie besteht aus einem Platsikgehäuse und einem beschichteten Kunststoffband. Mit der Kassette können wir beispielsweise ein Konzert oder einen Vortrag aufnehmen. Vortrag und Musik sind die Information, die Kassette lediglich der Informationsträger. (...) Ebenso verhält es sich mit einem Buch. Das Buch selbst besteht aus Papier, Leim und Druckerschwärze. Der Inhalt könnte eine Abhandlung über Europa sein.
Geben wir dieses Buch einem Team von Wissenschaftlern mit dem Auftrag, es bis in die Atomstruktur zu analysieren, so würden wir anschliessend eine Liste erhalten mit dem Gewicht des Buches, seinen genauen Massen, den Ergebnissen der Spektralanalyse, der genauen chemischen Zusammensetzung und so weiter.
Nur eines würde in den Analyse-Ereignnissen nicht mehr auftauchen: Die Geschichte Europas. Der Inhalt des Buches, dessen eigentliche Information, ist bei der Analyse verloren gegangen.

Und eben so verhält es sich mit der Homöopathie... Alles klar?

Mag man von Homöopathie halten was man will. Mag man die Spiegel-Recherchen lesen, nicken und sagen: Wer es jetzt nicht glaubt ist selber schuld. Eins muss man sich eingestehen. Gegen den folgenden Satz aus der Abhandlung über die Homöopathie, erschienen im A-Bulletin 1983, ist nichts einzuwenden:

Information ist immer etwas Immaterielles und braucht zur Weitergabe einen materiellen Träger.

Mein liebster materieller Träger von Information ist der Mensch selbst.

Ich wünsche allen Menschen da draussen von Herzen ein frohes 2011!

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Übersicht ist die halbe Wahrheit



In der südlichen österreichischen Steiermark weiss man wo's lang geht!

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Heute am Meer


Als ich heute Morgen früh in Maribor den Zug in Richtung Ljubljana bestiegen habe, war es zwar winterlich kalt, Schnee lag jedoch keiner mehr auf dem Boden. Als ich gegen 9 Uhr bei Miha in Logatec, rund 30 Kilometer südwestlich von Ljubljana, angekommen bin, fand ich mich in eine andere Gegend versetzt; Schnee lag dort, im karstig, windigen Westen des Landes noch knöcheltief. Eine kurze Autofahrt später standen wir in Duino an der italienischen Adriaküste, sahen tief unter uns das Meer in der Wintersonne glitzern und hätten wir nicht noch eben gerade die Füsse in den Schnee gesteckt, uns wäre danach zu mute gewesen ein Sonnenbad zu nehmen. Stattdessen bestaunten wir die schroff und steil abfallende Klippe, auf welcher ein wunderschöner Wanderweg von Duino nach Sistiana führt und der, würde man ihm ungefähr 15 Kilometer weit folgen, einem irgend einmal via Miramare nach Trieste begleiten würde. Vor knapp eineinhalb Jahren bin ich in dieser Gegend gewandert, damals wie heute auf den Weg nach Istanbul.
Das ist Slowenien; in kürzester Zeit kann man sich durch gänzlich verschiedene Regionen begeben. Etwas was mich immer wieder erstaunt und erfreut. Ganz besonders überrascht bin ich auch immer wieder über die Nähe des Meeres. In knapp zwei Stunden erreicht man nun von Maribor aus über die Autobahn Trieste und somit die adriatische Küste. Schaue ich von unserer Wohnung in Maribor auf die Skipiste des Pohorije scheint mir das Meer Tagesreisen entfernt zu sein.

Mit Miha bin ich unterwegs um die Touren fürs nächste Jahr zu planen. Dankbar bin ich über Mihas Kenntnisse bezüglich Sloweniens. So konnte er mir auf unseren Erkundungstouren schon viele schöne und interessante Orte zeigen und diese mit Geschichte und Geschichten füllen. Ich beginne nun endlich damit auch Slowenien zu entdecken. Ein Land in welchem ich nun bereits Monate lang zu Hause bin, das ich aber noch nicht in diesem Masse kenne wie andere Gegenden, die ich bereist habe.
Dies mag auch daran liegen, dass der Mensch immer das Gefühl hat, sein Zuhause könne man später erforschen, denn dies läuft einem ja nicht davon. Doch vielleicht sollte man mal andersherum beginnen. In Erfahrung zu bringen wo man lebt, wovon man umgeben ist und was jenseits des Hügels liegt, welchen man jeden Tag vom Schlafzimmerfenster aus sieht kann füs Leben sehr bereichernd sein.

Dienstag, 28. Dezember 2010

langsamer Zerfall

Noch nie konnte ich bisher einem Haus bei seinem eigenen Verfall sprichwörtlich zuschauen. Ich stand einmal mehr vor den Mauern des prunkvoll heruntergekommenen Schlosses an der Drau, wenige Kilometer ausserhalb Maribors. Letzten März haben wir zum ersten Mal dieses Schloss besucht und erfahren, dass das Gebäude einst einer der zahlreichen fürstlichen Herrschaftssitze in der Gegend war und später, in jugoslawischen Zeiten, als Altersheim genutzt wurde. Irgendwann sind dann wahrscheinlich alle alten Menschen verstorben, das Schloss blieb eine Zeit lang unbewohnt und, das haben unbewohnte Häuser so an sich, verfiel zusehends. Hinzu kam, dass es vor rund 20 Jahren vollständig geplündert wurde. Mit der Folge, dass es heute keine Fensterscheibe mehr gibt. Alles was nicht niet und nagelfest war wurde abgeschraubt, abmontiert und abtransportiert. Zurück blieb ein Skelett eines einst prunkvollen Schlosses. Vor wenigen Jahren hat ein Mann das Schloss mitsamt dem riesigen dazugehörigen Park gekauft. Ich liess mir sagen, dass solche Schlösser vor kurzem noch zu "Schnäppchen-Preisen" zu haben gewesen seien. Doch kaum jemand hatte Lust, Zeit und Interesse sich einem solch wunden Monster anzunehmen. Wir haben den Mann getroffen, welcher sich zum Ziel gesetzt hat, das Schloss nach und nach vollständig zu sanieren. Damals im März fanden wir ihn mit Schaufel und Kessel bestückt in einem der riesigen Räume des Schlosses. Er war gerade dabei Schutt tonnenweise aus den Räumen zu befördern. Das Dach hatte er als erstes renoviert, nun regnete es wenigstens nicht mehr hinein. Im März meinte dieser Mann, dass bereits im Sommer 2010 ein kleines Restaurant hier eröffnet werden sollte und er zeigte uns eine komplett renovierte Terrasse; wunderbar die Aussicht in den Park und hinunter zur Drau. Sofort würde ich hier zu Speis und Trank vorbei kommen.
Bei unserem Besuch gestern hat es aber ausgesehen, als hätte etwas einen Strich durch die Rechnung des Mannes gemacht. Alle Türen waren abgesperrt oder zugemauert, keine Menschenseele weit und breit.
Einmal mehr stand ich vor den Mauern des prunkvoll heruntergekommenen Schlosses an der Drau und hörte und sah wie die Mauer langsam zusammen stürzte. Es war gespenstisch mit anzusehen, wie sich ganze Mörtelstücke von alleine lösten und ins nasse, sonnenbeschienene Gras hinunter fielen. Die Zeit rennt diesem Schloss davon, dachte ich bei mir und wünschte dem Mann, der nicht hier war, viel Kraft und Energie bei der Umsetzung seiner Pläne.
Später fuhren Natasa und ich durch die hügelige Landschaft des Kosijak, vorbei an alten, teils ebenfalls heruntergekommenen Bauernhäusern, hoch hinauf zum Sveti Duh, zur Kirche des Heiligen Geistes an der slowenisch-österreichischen Grenze. Von der Kirche aus lässt sich weit ins Land hinein schauen, man erkennt im Westen die Hügelzüge des Pohorije, im Osten ein schier endloses Auf und Ab von Wäldern und im Norden die österreichischen Alpen. "Wie schön muss diese Gegend früher gewesen sein, als noch alles belebt, bewohnt und bewirtschaftet gewesen ist", meinte Nataša.
Viele Menschen gibt es nicht mehr, die heute diese Gegend, welche reich an Wald und Wasser ist, bewirtschaften wollen. Die Bauernhäuser verkommen, die Ställe stehen fast überall leer. Dies bestätigte uns auch Marko, welcher als Bauer auf dem Pohorije lebt und arbeitet. Es gibt keine Zukunft für die Kinder hier, hört man sagen. Und bestimmt haben sie in gewisser Hinsicht auch recht, die die das sagen. Aber warum gab es früher eine Zukunft und heute nicht mehr. Das Land ist nicht schlechter geworden, das Wasser nicht weniger. Klar ist, das Wissen um die Bestellung des Landes geht allmählich verloren, dafür steigt das Wissen in buchhälterischen Fragen ständig. Doch rein buchhälterisch gesehen, wird es sich in einigen Jahren höchst wahrscheinlich lohnen, hier in dieser Gegend einen kleinen Bauernbetrieb zu besitzen und das Wissen darum, wie man einen solchen bewirtschaftet.

Sonntag, 26. Dezember 2010

Jugoslawische Weihnachten

Weihnachten zu feiern hat Tradition, jedenfalls in der Schweiz, dort wo ich her komme. Ich war jeweils saumässig nervös als Kind während den Weihnachtstagen. Etwas lag in der Luft; der Duft von Weihnachtsgebäck, Lichter, Musik (auch wenns vor allem die Gesänge der Heilsarmeen waren) und vor allem Geschenke. Geschenke sind ganz wichtig für Kinder, mag man Weihnachten auch noch so viel Tiefgang anhängen. Weihnachten ist bei uns ein Familienfest. Man sitzt zusammen, geniesst Speis und Trank und geht spät abends zufrieden und wohl genährt schlafen. An Weihnachten kommt man zusammen, das ist der Tribut welcher das Lichterfest von uns fordert und wir bezahlen ihn nicht ungern. Um Mitternacht läuten die Glocken und locken einige zur Mitternachtsmesse. Früher habe ich sie auch einmal besucht, in den letzten Jahren nie mehr. Eigentlich schade, denke ich heute, denn mich würde es wundern und interessieren was da erzählt wird.
Dieses Jahr habe ich Weihnachten mit Atheisten gefeiert. In Slowenien, welches bis 1991 eine Teilrepublik in der Föderation des sozialistischen Jugoslawiens war, hat die Weihnachtsfeier für viele Menschen noch immer keine grosse Bedeutung. Denn schliesslich gab es als Kind diese Weihnachten nicht! So habe ich von einigen Freunden in meinem Alter gehört, dass sie erst nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens zum ersten Mal von der Existenz Weihnachtens gehört hätten. Und doch haben diese Menschen ihre Kindheitsjahre jeweils glücklich über die Bühne gebracht. Denn dass es Weihnachten nicht gab musste nicht bedeuten, dass in den Häusern keine Kerzen brannten, dass keine geschmückten Tannenbäume im Wohnzimmer standen an dessen Enden sich Geschenke türmten. Während bei uns in der Schweiz das Christkinderl oder der Heilige Klaus die Geschenke vorbei brachte, war es in der jugoslawischen „Mythologie“ schlicht und einfach Grossväterchen Winter, welcher die Kinder zum Jahresende noch einmal so richtig glücklich zu stimmen vermochte. Und wahrscheinlich brachte eben dieses Grossväterchen Winter auch die „weihnächtliche“ Stimmung in die Wohnzimmer und auf die Strassen der Städte und Dörfer. Denn was wäre der Dezember ohne diese lieblich-traurige Atmosphäre? Nichts weiter als ein zweiter November.
Bei meinen Eltern zu Hause steht noch heute im Wandschrank der Küche eine grosse Ovomaltine-Büchse. Heute beinhaltet die Büchse, so viel ich weiss, getrocknete Minzenblätter. Meine Mutter erzählte mir, wie sie als Kind zu Weihnachten jeweils eine Büchse Ovomaltine geschenkt gekriegt hatte. Dieses Geschenk war ihr höchst lieb und teuer und musste dann wahrscheinlich auch ein Jahr lang hinhalten. Meine Mutter trinkt heute keine Ovomaltine mehr, dass die grosse Büchse aber noch immer im Wandschrank in der Küche steht freut mich sehr.

Wahrscheinlich liegt ja Weihnachten ein heidnisches Naturfest zu Grunde, die Sonnenwende am 21. Dezember. Denn das feierten Menschen bereits lange vor der Geburt Jesus Christus. Doch die Wiederkehr des Lichts zu feiern ist für uns vielleicht zu banal, zu einfach, zu natürlich als dass wir es wirklich ernst nehmen können. Die Geschichten, welche uns die Religionen erzählen, lassen sich einfacher in Wort und Bild fassen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden.

Nun ist Weihnachten also bereits wieder vorbei. Den Schmuck lassen wir noch einige Tage hängen, so will es die Tradition. Die Tage werden länger und spätestens nachdem in Zürich der „Böög“ verbrannt worden ist, wird auch der Winter seine Tage gezählt haben. Bis dann bleibt uns nur das Warten auf den Schnee.

Samstag, 25. Dezember 2010

Weihnachts-Videogruss von Gundar und Raya

Gundar ist ein Schwein.
Raya ist ein Hund. Manchmal auch ein Sauhund, dank Gundar.
Beide verbringen frohe Weihnachten auf dem Pohorije; gemeinsam mit uns.

Wir lassen euch grüssen!

P.s. Bitte mit Ton schauen, Hannibal der Hahn war scheu, hat sich aber zu Wort gemeldet.

Freitag, 24. Dezember 2010

Stilvoll in die Zukunft!

Als ich kürzlich in der Schweiz war, traf ich in einer Berghütte im Graubünden auf die hier abgebildete Fotographie.
Sofort ist mir in den Sinn gekommen, wie mein Vater mir erzählt hat, dass sein Vater regelmässig mit der Krawatte in die Fabrik zur Arbeit gegangen sei. So erstaunt es mich nicht, dass die Bergfreunde auf diesem Bild auch wohl gekleidet sind und es sich nicht nehmen lassen, auch in der brachialsten Natur einen gewissen Stil beizubehalten.
Heute würde es erstaunen, träfe man bei einem Gletschersee eine solche Gesellschaft an. Krawatten und Röcke haben Gletscherseen schon lange nicht mehr gesehen...
Ich weiss noch wie ich und mein Freund Teo zu Beginn unserer langen Veloreise diese gepolsterten Unterhosen getragen haben. Man hat uns gesagt, dass sei wirklich wichtig, wegen dem Wolf zwischen den Beinen und Hämorroiden am Arsch. Irgendwo in Frankreich haben wir diese Unterhosen an einen Baum gehängt und sind mit normaler Ware weiter gefahren.
Wahrscheinlich wird es von offizieller Seite her nicht empfohlen in den Bergen Krawatte oder Rock zu tragen; mit der Krawatte kann man an einem Felsvorsprung hängen bleiben. Röcke sind wegen den plötzlich auftretenden Böen auch ungeeignet.
Wie auch immer; fürs nächste Jahr wünsche ich mir mehr berockte Frauen in den Bergen und Krawatte tragende Männer auf den Gletschern. Die Natur hat etwas Stil nötig!

Frohe Weihnachten!

Dienstag, 21. Dezember 2010

Zurück in Slowenien

Pünktlich auf die Sonnenwende, im slowenischen wie auch im englischen solstice genannt, bin ich heute morgen wieder in Slowenien angekommen.
Gemeinsam mit zahlreichen Heimreisenden, die während den Ferientagen ihre Familien in Ljubljana, Zagreb, Beograd oder anderswo besuchen, reiste ich einmal mehr im "Eurocity Zürichsee" in die Hauptstadt Sloweniens und von dort aus weiter nach Maribor. Die Weihnachtstage werde ich dieses Jahr für einmal nicht mit meiner Familie in der Schweiz verbringen, etwas was bisher noch nicht oft vorgekommen ist.
Mein Abteil teilte ich mit zwei kroatischen Frauen, welche dermassen beladen waren, dass wir alle zusammen zehn Minuten brauchten um alle Gepäckstücke zu verstauen. Wie es die zwei zierlichen Frauen überhaupt geschafft haben, die riesigen Taschen an den Bahnhof Zürich zu schleppen ist mir ein Rätsel. Die Taschen würden voller Geschenke sein, versicherten mir Beide; vor allem Schokolade und Kleider. Ich zweifle langsam daran, dass die Schweizer wirklich den grössten Schokoladenverbrauch pro Kopf und Jahr weltweit aufweisen. Die Kroaten dürften uns bald überholen...
Am frühen Morgen gab es einer jener magischen Momente, wenn der Vollmond durch die schmutzige Fensterscheibe des fahrenden Zuges scheint und das Abteil im gleichmässigen Rhytmus einer Schnarchelnden noch leise vor sich hin schlummert.

Sonntag, 19. Dezember 2010

Am Schweizer Zoll


Handy-Gespräch der Schweizer Grenzkontrolle an der Schweizer Grenze in Buchs (Belgrad – Zürich)

„Ja, das hat ganz schön geschneit letzte Nacht. Musst wohl wieder mit dem grossen Besen antreten, oder? Aber was solls, wenns Schnee hat ist’s uns nicht recht und wenn’s keinen hat stimmt’s auch nicht. Ja, ja...

Also, ich hab da noch einen…

A-horn, H-ans, M-ichael, E-sel, D-aniel und dann weiter M-üller, E-rich, S-imon, T-anne, I-gel, C-hilbi

Oakey?

Merci!

Selbstverständliches aus Bern und Maribor

In Maribor wurde vor einigen Tagen ein Second-Hand Laden eröffnet. Es soll der zweite in dieser Art in der zweitgrössten slowenischen Stadt sein. Der erste jedoch lockt seine Kundschaft mit den äusserst unregelmässigen Öffnungszeiten sowie dem Chaos, welches die Berge von Kleider und Haushaltsartikel beherscht, nicht gerade an. Sagen wir deshalb; in Maribor ist vor wenigen Tagen der erste Second-Hand Laden eröffnet worden. Noch ist freilich unsicher, ob überhaupt die 200 Euro monatlich erwirtschaftet werden, die für die Miete der 40 Quadratmeter Ladenfläche notwendig sind. Klar ist jedoch bereits jetzt; die Menschen bringen reichlich Material vorbei und äussern dabei ihre Dankbarkeit, endlich einen Ort zu kennen, an welchem sie Kleider und Objekte abliefern können, welche zwar längst nicht mehr gebraucht, ihnen aber doch zu schade sind um sie einfach wegzuwerfen. Ausmisten scheint also auch in Slowenien angesagt. Ausmisten mit dem beruhigenden Gefühl, dass der einstige Besitz jemand anderem, für wenig Geld, in Zukunft Freude bereiten könnte.
Weshalb erwähne ich diesen Laden überhaupt, welcher vor wenigen Tagen in Maribor eröffnet wurde? Genau deshalb; genau deshalb, weil es uns erstaunt, dass eine solche Neuigkeit erzählenswert ist. Je längers je mehr merke ich, dass viele Sachen hier in Slowenien nicht selbstverständlich sind. Nataša erwähnte dies mir gegenüber bereits vor längerer Zeit: In Maribor ist es nicht selbstverständlich, dass jemand sich die Mühe macht, gute Filme öffentlich zu zeigen. In Maribor ist es nicht selbstverständlich, dass sich Leute für Faire-Trade interessieren und engagieren. In Maribor ist es nicht selbstverständlich, dass jemand bereits in Südamerika gewesen ist und es soll auch nicht selbstverständlich sein, dass jemand mit vier Bällen zu jonglieren wisse oder Einrad fahren könne (wo kann man sich denn in Maribor ein Einrad kaufen?)... Es ist nicht selbstverständlich, dass es ein gutes Kulturangebot gibt (obwohl ein solches zeitweise durchaus vorhanden ist) und es ist nicht selbstverständlich, dass die Stadtbusse pünktlich fahren. Ganz zu schweigen von der Schweizer Selbstverständlichkeit, dass man auch nach einem der raren Konzerte im Stadtzentrum noch mit dem öffentlichen Verkehr nach Hause fahren könne.
Nun mag man dieses Erstaunen ob der für uns selbstverständlichen Dinge als Rückständigkeit deuten. Mich lassen sie zur Zeit aufatmen und aktiv werden. Denn diese Nichtselbstverständlichkeit bietet Raum sich zu überraschen, Raum sich zu freuen und oftmals sogar begeistert zu sein. Etwas was ich in der Schweiz manchmal vermisst habe.
Nun mag das jeder Mensch, der in der Schweiz lebt anders sehen und manchen mag das Vorhandensein all des Selbstverständlichen dazu anspornen, den Alltag noch interessanter, noch lebhafter zu gestalten. Ich für mich spüre in Slowenien einen Wunsch etwas eigenes zu erschaffen, wie ich ihn in der ausgeklügelten Schweiz bisher nicht erlebt habe. In Maribor, dort wo vieles nicht selbstverständlich ist, scheint für mich zur Zeit mehr möglich zu sein als in der Schweiz. Ich weiss, dass ich dieses Gefühl nur dank der Schweiz überhaupt empfinden kann. Wäre ich auch „mutig“, könnte ich nicht ein gutes Stück sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit aus der Schweiz mein eigen nennen? Ich weiss es nicht und werde es wohl auch nie wissen.

Zusammen mit Miha will ich auch in Zukunft Reisen in Slowenien und Südosteuropa anbieten. Dass wir dafür bisher keinerlei Ausbildung haben, soll uns nicht davor abschrecken es zu versuchen. Menschen aus Slowenien, Kroatien und Bosnien-Hercegowina meinen dazu immer: Mach es, das funktioniert auf jeden Fall! Und auch hier in der Schweiz erfahre ich bezüglich unserer Pläne viel Unterstützung. Demnach müssen die Ideen nun so bald als möglich in Tat umgewandelt werden.
So freuen wir uns sehr darauf, dich im Frühling oder Herbst auf eine Reise nach Südost-Europa begleiten zu dürfen.
Vidimo se!

Dienstag, 14. Dezember 2010

Willkommen!

"Ab 15. Dezember können Staatsangehörige aus Albanien sowie Bosnien und Herzegowina ohne Visum in den Schengen-Raum und damit in die Schweiz einreisen."

So steht es heute in den Zeitungen. Das ist nun aber schnell gegangen.... Was hat sich denn nun auf einmal verändert, dass dies möglich geworden ist? Hauptsache ist, dass dieser diskriminierende Visumszwang nun endlich vorbei ist. Doch die Schweiz braucht sich nicht vor einer Massen-Einwanderung aus Bosnien-Herzegowina zu fürchten. Noch kann sich keine grosse Zahl Menschen eine Reise in die Schweiz leisten.

Personenfreizügigkeit und Visumsfreiheit sind schön. Doch solange das wirtschaftliche Gefälle zwischen Ländern dermassen gross ist, nicht der wahre Fortschritt.

Trotzdem: Leute aus der Bascarscija; willkommen!

Montag, 13. Dezember 2010

Heute Morgen 7.30 Uhr von unserem Balkon aus


Hier gehts lang

Mein Freund Teo ist zur Zeit mit dem Fahrrad in Syrien unterwegs. Er ist im Sommer zusammen mit seiner Freundin von Bern aus gestartet und radelt nun durch die syrischen Wüsten. Bestimmt ist er bereits an einem Strassenschild mit der Aufschrift Damaskus oder Beirut vorbei geradelt und hat beim ersten Mal mit Unglauben das Schild betrachtet und ist sich nur langsam dessen Gewahr geworden, dass nun Damasakus oder Beirut auf den Richtungsweiser am Strassenrand steht.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich auf meiner Wanderung zum ersten Mal das Schild mit der Aufschrift Venezia gesehen habe. Seit 10 Tagen waren wir damals bereits in Richtung Venedig zu Fuss unterwegs und auf einmal steht dieses Venedig vor uns am Strassenrand, zwar erst als Hinweisschild, wir fühlten uns aber dennoch auf einen Schlag um Kilometer nach vorne katapultiert.
Neben dem Wohnblock in welchem Natasa und ich zur Zeit wohnen steht das abgebildete Strassenschild. Ich hätte mir auch nie gedacht, dass ich eines Tages irgendwo zwischen Zagreb und Ljubljana, zwischen Österreich, Kroatien und Slowenien leben würde. Noch reibe ich mir manchmal die Augen ob diesen Schildern.
Wer weiss, vielleicht steht eines Tages ein Schild mit der Aufschrift Teheran neben unserer Haustür.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Koline in Bloke

Ich bin mit einer Kiste voller Geschenke gestern Abend nach Maribor zurück gekommen. Frisch gepresster Apfelsaft, Karrotten, Sauerkraut und ein Teil dessen, weswegen Miha und ich gestern den ganzen Tag in und um sein Elternhaus herum verbracht haben; Blutwürste und Braten-Fleisch.
Gestern stand das traditionelle Koline auf dem Programm und ich wurde dazu eingeladen daran teilzunehmen. Einmal im Jahr werden auf dem Hof von Mihas Eltern zwei Schweine geschlachtet. Diese Schweine werden rund sieben Monate vorher gekauft, dann gemästet und schliesslich, irgendwann im Dezember, geschlachtet und direkt auf dem Hof verarbeitet. Diese ganze Angelegenheit als Familienfest zu bezeichnen mag etwas morbid anmuten, entspricht aber durchaus der Tatsache. Denn schliesslich waren rund 10 Personen daran beteiligt, nebst der 84 jährigen Grossmutter Mihas und seinen Eltern auch drei Onkel und drei Tanten. Wer bei der Koline, so wird das traditionelle Schlachten der Schweine im Dezember genannt, mithilft, kriegt etwas Fleisch mit nach Hause.
Die letzte Nacht haben sich mehrmals Bilder des gestrigen Tages vor mir abgespielt. Blutige Bilder und schöne Bilder, Familienbilder und Bilder des Schmerzes. Diese Mischung von Gefühlen gegenüber diesem speziellen Tag in Bloke ist einzigartig.
Wer Fleisch ist, und ich bekenne mich zum Fleischesser, sollte zumindest wissen was es heisst, ein Tier zu töten. Nun kann man sagen, dass man schon ganz schön dumm sein muss um nicht zu wissen was töten bedeutet. Doch glaube ich, dass man sich unter töten nichts vorstellen kann solange man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat.
Miha hat mir die beiden Schweine am frühen Morgen im Stall gezeigt. Dort lagen sie im Stroh und wussten wohl bereits das etwas vor sich ging. Seit einem Tag hatten sie nämlich kein Futter mehr bekommen. Die beiden Öfen, welche in einem abgetrennten Raum des Schweinestalles stehen, wurden bereits eingeheizt. In grossen Töpfen würden dort bald die Schweineköpfe in kochendes Wasser gelegt werden, so löst sich das Fleisch vom Knochen und es kann der Blutwurst Masse beigegeben werden. Ich habe die Tiere gesehen, wie sie gegen ihren Willen aus dem Stall gezogen wurden, wie man ihnen die Pistole an den Kopf gehalten und abgedrückt hat, wie man sie später an einem kleinen Hebearm des Traktors, an einem Bein festgemacht in die Luft gehoben hat um ihnen mit einem Stich in die Aorte das Blut zu entnehmen. Erst da sind sie gestorben...
Ich habe zwei Blutwürste hier in Maribor in meinem Kühlschrank und ich werde sie auch essen. Heute abend will ich Freunde einladen, das Sauerkraut heiss machen und die dicken Blutwürste in den Ofen legen. Ich bin nicht Vegetarier geworden, gestern Vormittag, aber ich mache mir seither erneut Gedanken darüber was für mich ein Tier bedeutet. Ich werde weiter darüber nachdenken und vielleicht einmal zu einem Schluss kommen. Bis zu diesem Moment werde ich Fleisch essen, werde es achten und schätzen und versuchen mir ins Bewustsein zu rufen, dass hinter jeder Wurst ein Tier steckt und dieses Tier getötet wurde, mit allem was dazu gehört.
Sobald die Schweine getötet waren nahm alles seinen Lauf und mehr und mehr wurde das tote Tier zu einem Produkt. Jeder Teil des Schweines wird im Laufe des Tages verarbeitet, übrig bleiben zum Schluss nur gerade die beiden Lungenflügel, welche noch am Abend an einem Haken vor dem Schweinestall hingen.
Die Koline hat eine grosse Tradition in der Gegend aus welcher Miha kommt. Seit Jahrhunderten leben die Menschen damit, schlachten einmal im Jahr ihre Schweine und zehren dann ein ganzes Jahr lang von den vielen wertvollen Produkte, die dadurch anfallen. Natürlich wird die ganze Sache jedes Jahr erneut in Frage gestellt, soll man nun ein Schwein oder zwei Schweine schlachten, soll man überhaupt noch Schweine schlachten... Schliesslich werden im Frühsommer dann doch wieder zwei junge Ferkel angeschafft und in den Schweinestall gebracht. So will es auch die Grossmutter von Miha. Denn das Jahr über kümmert sie sich um die Schweine, es sind ihre Schweine und der Tag der Koline ist dann gewissermassen auch ihr Tag. Denn nebst der Schlachterei wird zünftig gefeiert, gegessen und getrunken. Die Familie kommt zusammen, es ist fast wie an Weihnachten.
Als wir am Abend vor den Holzöfen im Schweinestall waren und die Blutwürste ins kochende Wasser gaben, so fühlte ich mich in eine andere Welt, in eine andere Zeit versetzt. Die Frauen trugen ihre Kopftücher, die Männer schnitten Fleisch und tranken Bier in der Garage, was mich zu der Bemerkung ermutigte, ich komme mir vor, als wäre ich in Bosnien. Alle prusteten dann los und Mihas Tante meinte dass die Bosnier zwar wunderbare Menschen seien, aber doch ganz anders als sie. Das mag natürlich stimmen, aber die Lebensfreude und die Freude der Gemeinsamkeit, welche ich in Bosnien spürte und erlebte lag an jenem Tag in Bloke auch in der Luft. Tod und Leben trafen sich an einem wunderschönen Wintertag, an dem es, trotz Sonne und wolkenlosem Himmel, doch nie warm werden wollte.

Montag, 6. Dezember 2010

Lichterflut an Vorweihnacht

Vor einem Jahr hatte ich Weihnachtspause, da war ich zusammen mit Natasa in Sarajevo. Ich errinnere mich noch gut daran, wie wir den ganzen Dezember hinweg fast vergessen hatten, dass bald Weihnachten sein würde. Da gab es keine Weihnachtsbeleuchtung, keine falschen und echten Tannen und auch keine Weihnachtslieder in den Kaufhäusern. Für mich damals eine Erleichterung, ein Durch- und Aufatmen und ich wünschte mir, es wäre auch dieses Jahr wieder so.
Doch dieses Jahr ist es anders, ganz anders. Hier in Maribor hat die Lichterflut die Innenstadt erreicht und sich auf den Dächern, den Fassaden und vor allem in und um die Kaufhäuser herum ausgebreitet. Es flimmert und flunkert, es leuchtet und strahlt wohin das Auge reicht. Man muss schon in eine sehr abgelegene Gasse geraten um nicht ständig an Weihnachten errinnert zu werden. Als würde man ansonsten vergessen, dass es dieses Fest überhaupt gibt. Aber wenn man ständig an etwas errinnert wird, dann besteht die Versuchung, den Grund des Errinnerns auch vergessen zu wollen; aber das ist eine andere Geschichte. Weihnachten ist das Fest des Lichtes, ich weiss. Und es ist auch schön das Licht zu feiern; nur halt nicht wenn man dazu gezwungen wird.
Denn im Grossen und Ganzen ist das Lichtermeer hier in Maribor meistens eine ziemlich grobschlächtige Angelegenheit, wie wohl in den meisten Städten des christlichen Abendlandes. Es mag einzelne schöne Szenerien geben in diesem Lichtermeer (hier in Maribor vielleicht die Festbeleuchtung des kleinen Hausberges, der Pyramide). Diese gehen aber in der Lichterflut unter.
Wahrscheinlich werden es Jahr für Jahr einige Lichter mehr sein die in der Vorweihnachtszeit entzündet werden (denn Strom ist ja heute billig) und noch wahrscheinlicher ist es, dass die Einkaufszentren der Städte an Weihnachten Jahr für Jahr mehr Umsatz erzielen werden. Vielleicht wird das Ganze so lange weitergeführt werden, bis wir in der Weihnachtszeit vor lauter Lichter die Bäume nicht mehr sehen können und auch die Eingänge zu den Einkaufszentren nicht mehr finden werden.
Dann geh doch nach Sarajevo wenns dir hier nicht passt, könnte man jetzt sagen.
Tatsächlich wäre das eine Alternative.
Ich werds mir überlegen.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Altbewährtes aus Maribor

In Maribor hat gestern die Skisaison begonnen. Warum Pintas und ich genau an diesem Tag zu Fuss durch den verschneiten Wald des Pohorije gehen wollten, weiss ich nicht. Jedenfalls standen wir auf einmal mitten auf der Skipiste und mussten zurück in den Wald fliehen. Pintas bevorzugt es seither, es sich auf unserer Terrasse gemütlich zu machen. Er geniesst hier ein spezielles Kurprogramm für Hunde.
Natasa und ich geben uns Mühe, hier in Maribor möglichst aktiv zu sein. Das Resultat davon ist eine Kleidertauschbörse, eine Idee welche Natasa in Bern erhalten hat, und zwei Kinoabende mit alten Cartoons für Kinder. Daneben reifen Ideen zu zukünftigen Rog-Touren heran, welche ich gemeinsam mit Miha am Ausbrüten bin. Langweilig ist es uns hier nicht.
Zur Zeit findet in Maribor auch ein Ethno-Musikfestival statt. Schwerpunkt des Festivals sind Gruppen aus Westafrika. Zuerst tritt jeweils eine slowenische Musikgruppe auf, welche die traditionellen afrikanischen Istrumente auf ihre eigene Weise spielen. So zum Beispiel gestern eine Frauen-Band namens Djembaba welche slowenische Volkslieder mit Djembas begleitet. Danach traten die zwei Musiker Sidiki Camara und Kalifa Kone aus Mali auf, welche zwei Stunden lang die faszinierendsten Klänge und Rhythmen aus ihren Instrumenten zauberten. Ein höchst genüsslicher Abend!
Allgemein tut sich im Moment sehr viel in Maribor. Die Stadt zeigt sich wohl ganz bewusst von der progressiven und kreativen Seite, als langsame Annäherung an den Titel Kulturhauptstadt Europas 2012.
In diesem Zusammenhang noch eine wunderbare Nachricht: Im Letzten Winter habe ich hier in Maribor mitgeholfen, ein Juweliergeschäft in einen Fair-Trade Laden umzugestalten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist das Fair-Trade Geschäft nun über seine finanziellen Engpässe hinweg; Maribor hat sich dazu entschieden, die erste "Fair-Trade-Stadt" Sloweniens zu sein. Das bedeutet, dass in allen städtischen Ämtern nur Lebensmittel aus fairem und ökologischem Anbau verwendet werden dürfen. Lavazza wird also bald um einen Abnehmer ärmer sein!

Montag, 29. November 2010

Pozor! - Vorsicht!

"Miner Meinig naa muess die SVP-Initiative jetzt z'erscht mau ä chli uusgschaffet wärde...!"

Freitag, 26. November 2010

Oh, Heimat


Im Herbst dieses Jahres arbeitete ich während einem Monat auf einem Gemüsebetrieb im schweizerischen Seeland. Der Mann meiner Cousine hat vor einigen Jahren diesen Hof von seinem Vater übernommen. Seither bestimmt er die Geschicke des Betriebes. Er entscheidet was wann und wo angebaut wird und in welchen Rahmenbedingungen dies geschehen soll.
Die Saison ging ihrem Ende entgegen. Gerade einmal zwei Gemüsesorten lagen noch in der Erde, als ich mich als Gemüsebauer-Gehilfe versuchte. Die ersten zwei Wochen beschäftigten wir uns vor allem damit die Petruschkas aus dem Boden zu ziehen. Während dieser Arbeit lernte ich auch meinen Mitarbeiter aus der Slowakei kennen. Tagelang knieten wir nebeneinander auf dem Boden, zogen die Rüben aus der Erde und sprachen über manch interessante Sachen. Mein Mitarbeiter aus der Slowakei verbrachte nun seine vierte Saison als Gastarbeiter in der Schweiz. Durch seine Hände ging gar manches Gemüse, welches wir später feinsäuberlich verschweisst mit der Aufschrift „Aus der Region, für die Region“ versehen im Migros kaufen können.
Der Einsatz und die Ausdauer des Gemüsebauers betrachte ich heute mit einem ungeheuren Respekt. Nicht selten steht dieser junge Mann zehn bis zwölf Stunden auf den Beinen um das Gemüse rechtzeitig und einwandfrei den Käufern abzuliefern. Er ist mit Leib und Seele bei der Arbeit, in einem anderen Zustand wäre diese Arbeit untragbar. Ein grosser Respekt bringe ich aber auch den zahlreichen ausländischen Arbeitskräften entgegen, die jeweils vom frühen Frühjahr bis zum späten Herbst sich auf den seeländischen Feldern abrackern um „aus der Region, für die Region“ zu säen und zu ernten. Mein slowakischer Mitarbeiter hat in seiner Heimat die Ausbildung zum Lehrer absolviert, hat als Vertreter einer Handelsfirma hundert tausende Kilometer im Auto zurück gelegt, zwei Familien mit-gegründet und sich im Alter von 58 Jahren nochmals „neuorientiert“. Im Nachhinein gleicht sein momentanes Leben in meinen Augen den philippinischen Matrosen, die ich auf dem Frachtschiff, welches mich damals von Barcelona nach Buenos Aires brachte, kennen gelernt habe. Das Dasein wird aufgeteilt in Arbeit und Leben. In möglichst kurzer Zeit versucht man möglichst viel Arbeit zu leisten um möglichst viel Gewinn zu erzielen um dann in der Heimat möglichst lange, möglichst sorgenfrei zu leben. Dies wiederum ermöglicht uns Konsumenten und Konsumentinnen in der Schweiz, die Waren zu einem möglichst günstigen Preis zu kaufen. Eine win-win Situation könnte man es nennen, oder auch Ausbeutung.
Ich hatte das Glück, dass ich während den Stunden des Petruschka erntens den Menschen hinter dem Gastarbeiter kennen lernen konnte. Von ihm habe ich so einiges gelernt. Nicht zuletzt ist mir nach einigen Wochen die Tragweite des Ausspruchs „Arbeit ist Arbeit“ bewusst geworden. Denn für meinen slowakischen Mitarbeiter spielt es irgendwie keine Rolle mehr, welcher Arbeit er nun nachgehen wird. Solange er davon ausgeht, dass eine Arbeit gemacht werden muss, weil das Resultat derselben Sinn macht, solange gibt es keine gute und schlechte Arbeit. „Arbeit ist Arbeit“; man sagts und beugt sich wieder mit schmerzendem Rücken über die Petruschkas und zieht eine nach der anderen aus der Erde.

Mittwoch, 24. November 2010

Gastarbeiter in der Schweiz

Vielleicht habe ich die Schweiz noch selten so intensiv erlebt wie in diesen letzten 5 Wochen, als ich zwecks Besuch und Arbeit gemeinsam mit Natasa in Bern wohnte und im Diemtigtal sowie in Golaten arbeitete. Im Diemtigtal ging ich meinem "Stammberuf" nach und unterrichtete eine gemischte Oberstufe in Bächlen. Ein Schulhaus, ein Schulzimmer und keine Fabrikglocke, welche die Studierenden in immer gleichen Abständen an ihren Arbeitsplatz zurück beordert. Der Turnunterricht fand mindestens einmal pro Woche, bei jedem Wetter, draussen statt. Ein Schulbus holte die Kinder von den umliegenden Höfen ab und brachte sie nach Bächlen, sofern diese nicht mit dem eigenen Töffli angefahren kamen, was bei 80 % der Kinder der Fall war. Ein grosses Vorbild war allen der frisch gekürte Schwingerkönig Wenger Kilian. Seine Mutter lernte ich kennen, sie arbeitet als Schulbusfahrerin. Die Lobeshymnen auf den Schwingerkönig dominieren auch Monate nach dem Kampf weiterhin in Form von Plakaten und aufgehängten Leintuchmalereien die Gegend. "Mir si stolz uf üse Kilian". Es war ein Erlebnis der besonderen Art in diesem Diemtigtal unterrichten zu dürfen. Es tut gut zu wissen, dass es solche Plätze gibt. Und als die Kinder zum Abschluss eine Party für mich organisierten, Zopf, Käse und Hamme auftischten und mir auf dem Schwyzerörgeli ein Ständchen gaben, so ging mir das wirklich zu Herzen. Am liebsten hätte ich damals die Stühle bei Seite geschoben, Sägemehl auf den Boden gestreut und mit einem starken Hosenlupf ein Kräftemessen veranstaltet; den Schwingen lässt sich bekanntlich nur unter Freunden.
An meinen schulfreien Nachmittagen arbeitete ich jeweils bei Michu in Golaten. Michu ist Gemüsebauer und bewirtschaftet zahlreiche Felder in und um Golaten herum. Während meines Aufenthaltes in der Schweiz staken noch immer die Petruschkas alias Peterliwurz in der Erde und bei einer goldenen Herbstsonne verbrachten ich und der slowakische Arbeiter Michael gar manche Stunde damit, auf den Knien rutschend Tausende dieser Rüben aus der Erde zu ziehen. Nach einem Nachmittag schmerzten mir bereits alle Glieder. Ein Glück hatte ich Michael zu meiner Seite. Der 60 jährige Slowake verbrachte gerade seine vierte Saison als Gastarbeiter in der Schweiz (die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, welcher ein solches Statut noch kennt...). Er konnte mich beruhigen, denn er meinte, dass ich nach einigen Tagen keine Schmerzen mehr spüren würde. Bei Sonne, Regen, Frost und Hitze arbeiteten wir uns durchs Petruschka Feld um schliesslich noch tonnenweise Kohl zu schneiden. Es wurde gelacht und geflucht auf dem Feld und unser Chef merkte bald, dass er mit zwei Tassen Kaffee am Tag unsere Leistung um mindestens 50% steigern konnte... Am letzten Abend lud uns unser Chef Michu in die "Glungge" zu Hühnerflügeli und Bier ein. Michael bestand darauf, dass vor dem Essen eine Runde Vodka getrunken wurde. Aus einer Runde wurden schliesslich deren vier und wäre der Glungge nicht das russische Gesöff ausgegangen, wir sässen wahrscheinlich noch die ganze Nacht lang dort und würden trinken.
Ich kam als Gastarbeiter in die Schweiz. Kurze 5 Wochen verbrachten Natasa, ich und Pintas in meiner Heimatstadt (ein herzliches Dankeschön unseren Gastgebern Gisu und Dome!). Nun sind wir zurück in Maribor wo wir die Wohnung für das grosse Ereignis im Februar bereit machen. Pintas muss sich daran gewöhnen, dass es Orte gibt, die für ihn in Zulunft tabu sein werden. Ich muss mich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr jeden Tag meine Finger in die Erde stecken kann um irgendwelches Gemüse zu ernten; es wird mir fehlen.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Tagebuch einer Balkanreise


Für alle diejenigen die bei der diesjährigen Balkan-Tour nicht dabei sein konnten, gibts hier ein kleines Reisetagebuch der Tour. Es ist unvollständig und für Uneingeweihte möglicherweise belanglos. Alle diejenigen die sich von einer solchen Reise aber angesprochen fühlen sollen nicht zögern sich bei mir zu melden. Im Frühling gehts wieder auf Tour...
28. September, Ljubljana - Laibach

Gerade noch rechtzeitig, beziehungsweise 10 Minuten zu spät, treffen ich und Natasa mit unserem Fiat Ducato am Bahnhof in Ljubljana ein. Die Gäste warten bereits vor dem Bahnhof. Dome fotografiert Graffitti-Spuren in der Bahnhofsunterführung, es werden nicht die letzten auf der Reise sein. Auf dem Weg zum Hostel müssen die Gäste zum ersten und letzten Mal mit meinen Fahrkünsten vorlieb nehmen. Nachdem ich sie im ehemaligen Gefängnis abgesetzt habe, verfahre ich mich auch prompt in den unwegsamen Einbahnstrassen Ljubljanas. Doch von nun an bestimmt Miha die Geschicke unseres Gefährts, wir werden es nicht bereuen ihn als Fahrer gewählt zu haben.
Später steht ein Spaziergang durch Ljubljana auf dem Programm. Miha erzählt uns was es mit dem Drachen auf der Brücke in Ljubljana auf sich hat. Nicht nur ist dieser Drache Symbol der Stadt und spielt eine grosse Rolle im Gründungsmythos derselben sondern besitzt er auch noch die besondere Gabe, Jungfrauen zu orten. Spaziert nämlich eine solche über die Brücke, vorbei am steinernen Drachen, wedelt dieser mit seinem langen Drachenschwanz; ja, so will es die Sage...
Nach einem Besuch auf dem Markt begeben wir uns zur Burg hinauf, von wo aus wir einen herrlichen Ausblick auf Ljubljana haben. Ljubljana, das Paris des Ostens. Als ich meinen Gästen erkläre, dass der deutsche Name der Stadt Laibach ist, kommen wir überein, dass dieser Name in die Verbannung gehört.
Als wir uns am Abend alle in unseren Zellen einschliessen, versuchen wir krampfhaft in uns ein Gefühl eines klaustrophobischen Gefängnislebens aufkommen zu lassen; vergeblich. Nicht nur dass der Schlüssel in die Freiheit auf unsrem Nachttisch liegt, auch dass wir bereits dermassen in Ferienstimmung sind, dass uns kein Gefängnis der Welt behalten könnte.

29. September, Ljubljana – Predjamski Grad – Skocijanske Jame – Piran

Als wir nach einem ausgiebigen Frühstück unseren Fiat Ducato aus dem Parkfeld des Hostels fahren wollen stellen wir fest, dass man uns ganz gemein den Weg versperrt hat. Ein normales Auto hätte die Ausfahrt gemeistert, doch unser Gefährt ist keine Schmalspur-Karre. Zum Glück kennt der Hausmeister die „Katze“ welche er als Besitzerin des Range-Rovers weiss, welcher uns den Weg versperrt. Bald darauf sind wir unterwegs, hinaus aus der Stadt. Zwar müssen wir nochmals zurück fahren, da der Reiseleiter seinen Tagesrucksack im Hostel liegen gelassen hat, doch solche Um-Wege gehören zum Reiseplan. Sight-Seeing nennt sich das.
Unser Mittagessen nehmen wir vor der Kulisse des prächtigen Schlosses Predjamski Grad ein. Der Höhepunkt des Tages liegt im Besuch der Höhlen von Skocijan. Vielen mag es mit Höhlen-Besuchen gleich ergehen wie mir. Nämlich so, dass man im Leben schon genügend Stalaktiten und Miten gesehen hat (auch wenn man noch immer nicht sicher ist, welche nun von oben nach unten und welche von unten nach oben wachsen). Die Höhle von Skocijan hinterlässt bei mir aber dermassen starke Eindrücke, dass vor meinem inneren Auge noch Tage danach immer wieder Bilder von dieser Höhle auftauchen. Das Faszinierndste an der Höhle ist deren Ausmass. Auf einmal befindet man sich in einem gigantischen unterirdischen Canyon, tief unten rauscht der Fluss Reka und man wird eingehüllt in feinsten Dunst. Als die Führerin uns den historischen Besucherpfad zeigt, wirken die eingestürzten Mauern weit unten am Flussufer wie Szenerien aus Mordor. Wir stellen uns vor, wie die ersten Forscher in diese Höhle eingedrungen sind; ausgerüstet mit schwachen Karbidlampen, den tosenden Fluss unter sich, eine Höhle unbekannten Ausmasses über sich. Die Höhlen von Skocijan sind auf jeden Fall einen Besuch wert.
Gegen Abend erreichen wir die slowenische Riviera. Wir stellen unsere Zelte auf einem Camping-Platz in der Nähe von Piran auf. Das Nachtessen kochen wir heute selber. Zum Glück verkauft der Abwart des Platzes uns eine 5 Liter Flasche hausgemachten Rotweines. Ein schweres Getränk, welches noch am nächsten Morgen in unseren Köpfen rumgeistert...

30. September, Piran – Motovun – Poklon

Beschwingt vom blauen Meer und warmen Wetter spazieren wir (ich dank des Weines schweren Kopfes) auf einem schönen Küstenweg direkt in die Altstadt von Piran. Piran (italienisch Pirano) gilt als das Juwel der slowenischen Riviera. Die slowenische Riviera ist gerade einmal 46 Kilometer lang und zählt geografische gesehen bereits zur Halbinsel Istrien. Ein Spaziergang durchs Städtchen macht deutlich, wie stark die östliche Adriaküste einst von Venedig beeinflusst wurde. Der geflügelte Markuslöwe, das Stadtsymbol Venedigs, prangt an gar manchen Häusern vom slownischen Piran bis in den tiefen dalmatinischen Süden.
Gegen Mittag legen wir die letzten Kilometer in Slowenien zurück. Die slowenischen Zollbeamten streiken, so dass wir mit zwei Stunden Wartezeit rechnen. Es stellt sich dann aber heraus, dass anscheinend alle in den Schengenraum einreisen wollen (dementsprechend lang ist die Autokollonne auf der kroatischen Seite). Wir sind jedenfalls die einzigen welche nach Kroatien fahren.
Einen längeren Mittagshalt machen wir im wunderschönen Städtchen Motovun. Motovun liegt im istrischen Inland, dort wo die Ferkel in der gleichen Häufigkeit sich wild im Wald tummeln und aufgespiesst am Grill sich drehen. Motovun beherbergt jeweils im Juli ein kleines Filmfestival. Das Städtchen, in welchem ich auf meiner Wanderung zwischen Weintrauben und Apfelbäumen nächtigte, liegt auf einer 280 Meter hohen Bergkuppe. Von den Stadtmauern aus hat man eine herrliche Aussicht auf das istrische Inland und ins Mirna-Tal hinein. Die Venezianer erreichten Motovun damals noch mit dem Schiff über den Fluss Mirna. Heute ist dies wegen der Versandung des Flusses nicht mehr möglich.
Am Nachmittag machen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Küste. Doch vorerst sollten wir die Küste nur sehen und zwar von einer stattlichen Höhe aus. Unser Ziel ist der höchste Berg Istriens, der Ucka. Die Nacht verbringen wir unterhalb des Gipfels, in einer Berghütte auf dem 922 Meter über Meer gelegenen Poklon-Bergsattel. Wir geniessen die typisch istrische Küche (z.B. istrische Wildsau) und senden Beschwörungsformeln in die Luft, auf dass am nächsten Morgen wolkenloser Himmel sei, wenn wir uns auf den Weg zum Vojak machen...

1. Oktober, Poklon – Vojak – Mala Ucka – Cres – Krk (Stara Baska)

Es ist neblig und kühl als wir uns früh morgens (es ist ungefähr 9 Uhr) auf den Weg zum Gipfel machen. Der Vojak liegt auf stattlichen 1400 Meter über Meer. Bei klarem Wetter könnte man die gesamte istrische Halbinsel und auf der anderen Seite die Inseln der Kvarner Bucht sehen. Martina sieht während des Aufstiegs den ein oder anderen Bären hinter dem ein oder anderen Baum. Dome zeigt sich von der sportlichen Seite und raucht sogar bei den steilsten Passagen. Auf dem Gipfel angekommen zeigt sich das gleiche Wetter wie bei meinem letzten Besuch; dicker Nebel durch welchen mal hie und da eine Insel zu erahnen ist. Trotzdem ist Foto-Shooting angesagt, vielleicht lässt sich ja im Foto-Shop eine Insel hinein retouchieren...
Der Abstieg nach Mala Ucka ist anstrengender als ich ihn in Erinnerung hatte. Der Weg ist steil und äusserst steinig. Zum Glück haben wir nur kleine Rucksäcke dabei... In Mala Ucka treffen wir alte Bekannte wieder. Maliki und seine Frau Sazije laden uns zu Kaffee, Käse und frisch gebackenen Brotes ein. Maliki und seine Frau leben seit 25 Jahren im kleinen Schäferdorf Mala Ucka. Beide stammen sie aus Tetovo, Mazedonien und sind albanisch sprechend. Maliki hat während zwei Jahren in Deutschland gearbeitet, spricht deshalb nebst kroatisch auch etwas deutsch. Auf meiner Wanderung durfte ich bei Ihnen übernachten. Für zukünftige Touren dürfen wir bei Maliki und Sazije mit einem feinen Mittagessen rechnen.
Die Fahrt hinunter an die Küste ist kürzer als ich gedacht habe. Eine kurvenreiche Strasse zieht sich vom Poklon aus hinunter zur Kvarner Bucht. Mit der Autofähre setzen wir am Nachmittag von Brestova aus nach Cres über. Die kroatische Inselwelt heisst uns willkommen!
Cres ist voll mit wildem Salbei; Grund genug einen ausgiebigen Halt zu machen. Erika kann sich an den Kräutern kaum satt sehen und als wir wieder weiterfahren duftet es in unserem Auto wie in einem Klostergarten.
Am späten Nachmittag setzten wir von Merag auf Krk über. Ein Hungerrast macht sich breit, Natasa beginnt geistesabwesend nach vorbeifliegenden Toffu-Stücken zu greifen... Doch alles nützt nichts; Nachtessen gibt es erst gegen 21 Uhr abends auf dem Zeltplatz in Stara Baska. Es ist bereits dunkel als wir dort ankommen und so wissen wir noch nicht in welch traumhafter Gegend wir uns gerade befinden. Einmal mehr vergreifen wir uns am Abend an unserem slowenischen Rotwein, noch bleiben uns drei Liter davon übrig...

2. Oktober, Krk – Krk

Für einige von uns (fürs weibliche Geschlecht) ist heute ein Ruhetag angesagt. Nach einem Vor-Frühstück Bad in der nicht gerade warmen Adria begeben wir uns gemeinsam in unserem Fiat Ducato ins nahegelegene Dorf Stara Baska. Stara Baska liegt am südlichen Ende der Insel Krk, dort wo es kaum mehr Vegetation gibt. Schuld daran sind nicht nur die Venezianer, die einst hungrig nach Bauholz, ganze Inseln gerodet haben. Schuld ist auch der äusserst starke Bura-Wind, welcher manchmal orkanartig über die Berge aufs Meer hinaus bläst. Ich persönlich bin den Venezianern und der Bura dankbar, denn ich liebe diese karge, wüstenähnliche Gegend. Ich fühle mich dort wie in eine andere Welt versetzt. Diese andere Welt will der männliche Teil der Reisegruppe nun erforschen und so mache ich mich mit Dome und Miha auf den Weg hinauf auf den Berg in der Nähe von Stara Baska. Mit Natasa bin ich damals bis nach Baska, auf der anderen Inselseite gelaufen. Nun erst wird mir bewusst, dass wir damals nicht schlecht in Form gewesen waren, denn der Aufstieg ist steil und sobald die Sonne scheint wird es heiss und kein Schatten ist in Sicht. Miha, Dome und ich schlendern stundenlang über die kargen Hügel von Krk, längst haben wir den Wanderweg verloren, orientieren uns nur noch am Küstentreifen. Die Ruhe hier oben ist perfekt! Überall treffen wir auf langezogene Trockenmauern, die als Sperrmauern für die Schafe dienen, welche hier wild und in kleinen Gruppen sich über die letzten Grashalme hermachen. Auch kommen wir immer wieder auf terassenartige Plantagen, auf manchen wachsen noch Feigenbäume, die meisten sind aber bestimmt verlassen. Zeugnisse davon, dass in früheren Zeiten sogar hier versucht wurde, der Natur etwas Nahrung abzugewinnen. Irgend einmal klingt jedoch auch bei uns der Ruf der Wildnis ab. Als sich die Gespräche nur noch um kühles Bier drehen, wissen wir: es ist Zeit nach Hause zu gehen.
Für einige war es heute ein Ruhetag, andere gehen müder als sonst ins Bett. Erika bevorzugt es, draussen zu schlafen.

3. Oktober, Krk – Senj – Jablanac

Während der morgendlichen Fahrt über die Insel Krk, stellen wir fest, dass die grösste der kroatischen Inseln auch eine fruchtbare und waldige Seite hat. Die Insel verlassen wir diesemal über die Franje Tudman Brücke (benannt nach dem ersten kroatischen Präsidenten), welche sie mit dem nahegelegenen Festland verbindet. Unser weitere Weg führt entlang der kroatischen Küsten-Magistrale bis ins historische Städtchen Senj. Wenn die Bura bläst, wird die Strasse bei Senj gesperrt, denn der orkanartige Nordwind, der hier über den niedrigsten Übergang im Velebitgebirge seinen Weg findet, kann Autos und Lastwagen von der Strasse blasen. Er wird mindestens ebenso gefürchtet wie damals die Piraten, welche in Senj eines ihrer Räuberlager hatten, in welchen sie die Schätze, die sie den Venezianern abspenstig machten, lagerten. Oberhalb des Städtchen steht die Uskokenfestung Nehaj. Das Städtchen und die Burg sind Kulisse im berühmten Jugendbuch „Die Rote Zora“ von Kurt Held. Die Uskoken sind ein serbisches und kroatisches Bauernvolk, das aus den türkisch besetzten Gebieten vertrieben wurde und sich in Senj ansiedelte. Als Piraten und Seeräuber verscherzten sie es sich sowohl mit den Venezianern als auch mit den Österreichern und wurden schliesslich wieder ins Binnenland vertrieben. Völlig ausgehungert (wir hatten mindestens seit zwei Stunden nichts mehr zu uns genommen...) setzten wir uns in eine Pizzeria. Der Andrang war gross, wir warteten eine Stunde auf unser Essen was dazu führte dass Dome eine Apfelinfusion erhielt um die Wartezeit zu überbrücken.
Unser Nachtlager finden wir schliesslich im Hafenstädtchen Jablanac. Als Natasa und ich letzten Herbst diesem Jablanac den Rücken zeigten, hätten wir nicht gedacht, dass wir so rasch wieder hierhin zurück kehren werden. Wie damals richten wir uns auch dieses Mal in der niedrigsten Beghütte Kroatiens (sie liegt auf 20 Meter über Meer) ein. Von dieser Hütte aus können Wanderungen ins Velebit Gebirge untenommen werden. Grund genug für den Alpin-Verein Kroatiens, hier ein Basislager zu errichten. Als Nachtlager dient uns ein sogenanntes Skloniste – Notschlafstelle. Später werden wir jedoch die Matratzen auf die Terasse hinaus befördern, zu sternenklar ist der Nachthimmel...
Am Nachmittag besuchen wir die Bucht Zavratnica. Für mich ist es das erste Mal, dass ich hier bin und meine Begeisterung ist grenzenlos. Nicht zu unrecht gilt Zavratnica als schönste Bucht in Kroatien, das Wasser könnte klarer nicht sein. Von der Küste aus sieht man ein im 1. Weltkrieg gesunkenes Schiff auf dem Meeresgrund; nächstes Mal muss ich Schnorchel und Maske mitbringen. Wir schwimmen im kühlen Meer (einige würden es als kalt bezeichnen) und geniessen die Ruhe in der menschenleeren Bucht. Am frühen Abend holt uns ein kleines Motorboot ab, um uns in ein Fischrestaurant zu bringen, welches nur vom Meer aus zu erreichen ist. Es stellt sich heraus, dass wir die letzten Gäste der Saison sind. Am nächsten Tag wollen die Betreiber des Lokals in ihr Winterquartier in Rijeka zurück kehren. Grund genug uns nochmals richtig zu verwöhnen. Auf dem Menuplan steht Riba ispod Peka. Ein riesiger Fisch welcher am Tag zuvor mit der Harpune aufgegabelt wurde und nun während drei Stunden im Feuer unter einer Metallglocke schmorte. Ein Glück dass niemand unserer Reisegruppe dermassen vegetarisch ist, als dass auch Fisch nicht gegessen würde; es wäre unverzeihlich...
In der Nacht, wir liegen alle in unseren Schlafsäcken auf der Terasse, fängt es leise an zu regnen. Ich schliesse die Augen und öffne sie wieder und schon funkeln erneut einzelne Sterne durch die undichten Wolken; und das war es dann auch schon bezüglich Regen.

4. Oktober, Jablanac – Trogir – Kastela

Es scheinen sich alle in Jablanac verliebt zu haben. Das Frühstück neben unserem Fiat Ducato direkt am Pier zieht sich ungewöhnlich in die Länge.
Unser nächster Halt liegt in Trogir, eine kleine Stadt wenige Kilometer vor Split. Auch der Charakter von Trogir wurde vorwiegend von venezianischen Architekten bestimmt. Im Gegensatz zu anderen Städten an der kraotischen Küste findet man hier jedoch keine geflügelten Markuslöwen. Dies liegt daran, dass die dalmatinischen Bewohner des Städtchens die Machtsymbole Venedigs kurzerhand abmonierten, nachdem Mussolini verlauten liess, Italien erstrecke sie soweit, wie der geflügelte Löwe anzutreffen sei.
Es ist Nachmittag als wir den Aufstieg zu unserem Nachtlager beim Schnapsbrennen Ivo im Kosijak-Gebirge in Angriff nehmen. Wie parken unser Auto unterhalb des Kosijak bei Kastel Kambelovac, etwas ausserhalb von Trogir. Nur noch wage kann ich mich an den Weg erinnern, welcher ich vor knapp einem Jahr zurück gelegt habe und es ist längst schon dunkel, als wir die improvisierte Berghütte erreichen, in welcher Ivo und Marijo bereits daran sind, das Abendessen für uns vorzubereiten. Auf dem Menuplan steht einmal mehr ein Peka-Gericht (die berühmte Metallglocke). Da Ivo bei unserer Ankunft erst gerade dabei war die Karotten zu schälen und in Anbetracht dessen, dass das ganze zwei Stunden unter der Glocke schmoren muss haben wir ausreichend Zeit, es uns in der Küche beim offenen Kaminfeuer (eine andere Lichtquelle ausser Kerzen gab es nicht) gemütlich zu machen.
Das Nachtessen lässt absolut nichts zu wünschen übrig! Ivo ist für mich der beste Peka-Koch in ganz Dalmatien. Zu wünschen übrig lässt dann aber das Nachtlager an sich. Ivo verweist uns auf das Matratzenlager im Keller. Niemand will zuerst den Sissy spielen und so legt man sich in die Schlafsäcke gehüllt auf die muffigen Matratzen. Bald einmal erkennen wir aber, dass es in diesem Keller von Mäusen nur so wimmelt und als Gisu einen kleinen, grauen Freund Auge in Auge hat wird es uns allen zu viel. So verteilen wir uns schliesslich auf Tische und Bänke im Raum neben der Küche, wo uns ein Angriff der Mäuse weniger wahrscheinlich scheint. Diese Nacht ist definitiv nichts für Warm-Duscher.

5. Oktober – Kastela – Split – Omis – Momici (Neretva Delta)

Heute morgen wünschen wir uns alle eine warme Dusche. Doch dieser Wunsch muss noch bis zum Abend hinhalten. Vorerst gilt es von Ivo, seiner liebenswerten Küche und den Mäuse-Familien Abschied zu nehmen. Bei Tageslicht erscheint mir der schöne Pfad hiunter nach Kastela Kambelovac nicht halb so lang. Schliesslich wird man ja auch mit einer tollen Aussicht beschenkt, vor sich endlich einmal das offene Meer (eine Seltenheit an der kroatischen Küste) und im Süden der überhaupt nicht historisch anmutende Neustadt-Teil von Split; unser nächstes Reiseziel.
Am frühen Vormittag erreichen wir Split mit seinem berühmten Diokletianpalast. Nachdem wir unseren Appetit in einem Kaffee gestillt haben begeben wir uns in die Altstadt welche einem gigantischen Freilichtmuseum gleicht. Das Herzstück der Altstadt bildet zweifelsohne der brühmte Diokletianpalast. Der römische Kaiser Diokletian, um 240 n.Chr. in Salona geboren (antike Stadt in unmittelbarer Nähe des heutigen Split), liess in seiner Regierungszeit (284-305) in nur 10 Jahren einen 30.000 m2 grossen, viereckigen Palast mit 16 Türmen, prachtvoller Südfassade und vier Tempeln als Altersruhesitz mit „Kurzentrum“ aus der Erde stampfen. Dem Diokletianpalast ist es zu verdanken, dass die Touristen Jahr für Jahr in Scharen nach Split kommen.
Wir schlendern vorerst einmal über den wirklich schönen Markt von Split. Die Art des Marktes erinnert mich in seiner „Unaufgeräumtheit“ und Hektik fast schon ein Bisschen an das, was uns später in Bosnien erwarten würde. Später spazieren wir durch die schmalen Gässchen und über die prächtigen Plätze von Split und schauen den Katzen zu, wie sie sich wohlig in der Sonne räkeln. Beatrice und Miha liefern sich einen Show-down darin, wer die besten Winkel für Fotomotive findet. Gisu und Dome sind sich über den Weg zurück zum Fiat Ducato uneinig und fast hätten wir die Beiden in Split zurück lassen müssen, denn wer sich dort verirrt findet nie mehr zurück...
Wir haben noch ein hehres Ziel zu erreichen an diesem heutigen Tag. Wir wollen noch bis ins Neretva Delta fahren, wo wir uns dann auch von der Adria und bald einmal von Kroatien werden verabschieden müssen. Die rund 120 Kilometer entlang der kroatischen Küstenmagistrale in den Süden bieten viele wunderschöne Aussichten. Mal fährt man direkt am Meer, mal geht es wieder steil hinauf und man sieht die Adria weit unter sich in der Sonne funkeln. Seit vor einigen Jahren die Autobahn, welche einige Kilometer ins Landesinnere versetzt sich von Norden nach Süden zieht, fertiggestellt wurde, zwängen sich viel weniger Autos der kurvenreichen Küstenmagistrale entlang. Jedenfalls im Herbst fährt es sich hier sehr angenehm.
Kurz nach der Hafenstadt Ploce haben wir unseren südlichsten Punkt in Kroatien erreicht und müssen uns auch vom Meer verabschieden. Meine Cousine Beatrice weint dem stillen Wasser einige Tränen nach, die ich im Schnapsglas welches melancholisch die Runde macht aufzufangen versuche. Ein letztes Mal stossen wir auf die Adria an, auf das Mare Nostrum.
Unser Nachtlager finden wir heute im Neretva-Delta, in einer Herberge in der kleinen Ortschaft Momici nur einige Kilometer vom Grenzübergang zu Bosnien-Herzegowina entfernt. Wir geniessen nach zwei Tagen „Wildnis“ eine ausgiebige Dusche.
Das Abendessen ist ein durchaus würdiger Abschluss in Kroatien, denn der Zufall will es, dass im kleinen Restaurant mit uns zusammen eine Grupper Lehrer den Nationalen Feiertag der Lehrkräfte feiert. Es gibt Schnaps, Live-Musik und das wohl ausgiebigste Essen während der ganzen Reise. Mitleid heischend schaut uns Natasa an, als die Kellnerin zu ihr hintritt und ihr die Speisekarte vorsagt (schriftlich gibt es nichts...). Natasa übersetzt und wir einigen uns darauf, dass es für die Fleischis eine kleine Portion Fleisch gibt und für die Vegis Gemüsereise und Palacinke. Es stellt sich heraus, dass man mit der kleinen Portion Fleisch ein ganzes Gymnasium hätte ernähren können und so wird dann an diesem Abend reingehauen was das Zeug hält. Als die Lehrer anfangen das Tanzbein zu schwingen sind auch wir drauf und dran in den Reigen einzusetzen. Wir lassen es dann aber bleiben und zumindest in dieser Hinsicht scheinen sich Schweizer und Slowenen nicht unähnlich zu sein; wir sind nicht die temperamentsvollsten Typen.

6. Oktober, Momici – Metkovic – Pocitelj – Blagaj – Mostar

Das Neretva-Delta ist ein äusserst fruchtbares Gebiet welches sich von der bosnischen Grenze bis an die Adria erstreckt. In diesem Gebiet, welches von zahlreichen Kanälen durchzogen ist gedeihen Feigen, Mandarinen und Orangen. Von unserer Pension aus könnten wir einen Ausflug in eine Plantage unternehmen um eigenhändig unsere Orangen zu pflücken. Uns zieht es aber nach Bosnien-Herzegowina. Und so machen wir uns am Morgen auf den Weg zur Grenze. Seit frühester Zeit war das Neretva-Delta ein wichtiger Zugang ins Hinterland; von hier aus gelangt man via Metkovic nach Mostar und Sarajevo. Am heutigen Tag werden wir bis Mostar einen ständigen Begleiter haben, die Neretva. Dieser Fluss, welcher in den bosnischen Bergen entspringt, zieht sich über 220 Kilometer durch Täler und Schluchten hindurch bis an die Adria.
Wir haben es geschafft und befinden uns in Bosnien-Herzegowina, dem dritten Land unserer Reise. Für mich persönlich bedeutet es sehr viel wieder hier zu sein, verbrachte ich doch letzten Winter mehr als drei Monate in diesem Land, vorwiegend in der Hauptstadt Sarajevo. Unser erster Halt in Bosnien-Herzegowina machen wir kurz nach der Grenze. Am Strassenrand liegt das wunderschöne mittelalterliche Städtchen Pocitelj. Als die Türken ab dem 15. Jahrhundert immer mehr nach Bosnien-Herzegowina vorrückten nahmen sie schliesslich auch die stark befestigte Stadt Pocitelj ein. Hier errichteten sie eine Moschee, ein Medresse, ein türkisches Bad und ein Han, welches damals als Herberge für Durchreisende diente. Pocitelj bildete während etwa 400 Jahren eine der Aussengrenzen des Osmanischen Reiches und wude demnach auch stark befestigt. Hier in Pocitelj begnen wir auf einmal dieser orientalischen Kultur, welche uns nun während der nächsten drei Tage begleiten wird. Dass die Unterschiede zwischen Orient und Okzident nicht nur in Kirchturm und Minarett liegen, konnte ich während meiner Zeit in Sarajevo erfahren.
Ein zweiter Halt vor Mostar legen wir beim Derwisch-Kloster Blgaj an der Buna-Quell ein, für mich persönlich einer der schönsten Orte die ich in Bosnien und Herzegowina kenne. Das Kloster wird heute nur noch zu besonderen Anlässen von Derwischen aufgesucht, damit sie an diesem Kraftort ihre Rituale abhalten können. Ansonsten ist es für Besucher geöffnet. Zu bewundern ist ein für die damaligen Verhältnisse mit einer hauseigenen Mühle, mit Bad und Bodenheizung modern ausgestattetes Kloster. Sitzt man in einem der altem Räume auf einem Kissen am Boden verspürt man Lust hier einfach sitzen zu bleiben; eine wohltuende Ruhe geht von diesem Haus aus.
Ziel des heutigen Tages ist die Stadt Mostar. Fährt man mit dem Auto nach Mostar hinein, will man vorerst einmal nicht begreifen, weshalb alle Besucher von diese Stadt an der Neretva schwärmen. Links und rechts der Strasse nichts als zerschossene und zerbombte Häuser, Ruinen und Wunden aus den Kriegsjahren 1992-1994. Es ist nicht leicht, die Ereignisse dieser Zeit in wenigen Worten begreiflich zu machen und ich will es an dieser Stelle auch gar nicht erst versuchen. Nur soviel soll erwähnt sein. All das was wir an Mostar, seiner Altstadt und der alten Brücke über die Neretva so sehr bewundern, ist eine getreue Replik dessen, wie es vor dem Krieg ausgesehen hat. Denn in der Altstadt von Mostar stand nach dem Krieg kein Haus mehr mit einem Dach. Die Brücke über die Neretva spannt sich heute zwar wieder genau so über den blauen Fluss wie sie der berühmte türkische Baumeister Mimar Hairudin Mitte des 16. Jahrhunderts entwarf und bauen liess, es ist aber dennoch nicht dieselbe Brücke. Es ist eine genaue Kopie der Stari Most; wo die Seele der Brücke heute liegt, ob im Wasser der Neretva oder noch immer im Stein der Brücke, das zu entscheiden überlassen wir lieber den Menschen aus Mostar.
Unser Nachtlager finden wir im Hostel Majdas, wo letztes Jahr auch Natasa und ich abgestiegen sind. Das Hostel befindet sich in einem Wohnblock auf der kroatischen Seite der Stadt. Majda und ihr Bruder Bata haben hier vor vier Jahren damit begonnen, in ihrer ehemaligen Wohnung ein Hostel einzurichten; dies mit grossem Erfolg. Heute zählt das kleine Hostel in Mostar zu den beliebtesten in ganz Europa und die Betten sind fast das ganze Jahr über besetzt.

7. Oktober, Mostar – Sarajevo

Am Morgen besuchen wir nochmals die Altstadt von Mostar. Im Museum der Stari Most (Alte Brücke) erfahren wir, wie schwierig es für die Architekten und Ingenieure gewesen ist, die alte zerbombte Brücke im alten Stil wieder aufzubauen. Man hat versucht, wie es damals Mimar Hairudin vollbracht hatte, die Brücke ohne moderne Hilfsmittel wieder aufzubauen. Und man hat es nicht geschafft... Zwar steht seit 2004 die Brücke wieder, doch musste man auf Technologien zurück greifen, die man zu Hairudins Zeit noch nicht gekannt hatte.
Unseren Besuch in Mostar beenden wir mit der Ersteigung der ehemaligen Nationalbank in Mostar. Seit dem Krieg steht das sieben Stöckige Gebäude als Ruine im Zentrum der Stadt. Im dritten Stock flattern seit mehr als 15 Jahren Personaldossiers im Wind welcher durchs fensterlose Gebäude zieht. Von der Dachterasse aus erstreckt sich der Blick weit über die Stadt Mostar hinweg.
Wir sind unterwegs nach Sarajevo. Die Strasse in die Hauptstadt zieht sich von Mostar aus vorerst weiterhin der Neretva entlang. Es ist eine wunderschöne Strecke und für einmal wollen sogar Dome und Gisu vorne im Bus sitzen.
Gegen Nachmittag erreichen wir die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina. Doch vorerst einmal gehen wir nicht ins Stadtzentrum, in die Bascarscija, wo wir diese Nacht in einer Pension übernachten werden. Auf einer kleinen Schotterstrasse erreichen wir kurz vor 17 uhr ein unauffälliges Haus. Da ich meinen Gästen noch nicht erzählt habe, was uns dort erwarten würde, betreten alle nichtsahnend das Tunnelmuseum von Sarajevo. Unglücklicherweise trifft gleichzeitig mit uns eine 50-köpfige, türkische Reisegruppe im kleinen Museum ein. Da das Museum bald schliessen wird bleibt uns nichts anderes übrig, als uns gemeinsam mit den anderen Gästen den Dokumentarfilm über die Belagerung von Sarajevo zwischen 1992 und 1995 anzuschauen. Ich wollte vorher etwas erklären, meine Gäste darauf vorbereiten. Ich kann nur erahnen, dass der Besuch im Tunnelmuesum ein harter Einstieg nach Sarajevo darstellt. Doch es ist ein Teil der neusten Geschichte der Stadt, welchen man unbedingt kennen muss, wenn man hier hin kommt; die Belagerung von Sarajevo forderte in dreieinhalb Jahren 10'000 Tote.
Für mich ist es eine grosse Herausforderung Sarajevo den Gästen näher zu bringen. Eine Stadt die ich wirklich ins Herz geschlossen habe und über die ich so viel weiss wie wohl über keine andere Stadt. Ich habe mir zu viel vorgenommen, das weiss ich.
Unser Nachtlager finden wir in der Pension Lion, mitten im Herzen der türkischen Altstadt, der Bascarsija.

8. Oktober, Sarajevo – Sarajevo

Ein ganzer Tag in Sarajevo, wo soll man da beginnen. Da jeder an diesem Tag etwas anderes erlebt hat und da die Erlebnisse und Eindrücke eines jeden unterschiedlich sind, möchte ich in diesem Reisebericht nur von einem Erlebnis erzählen. Von unserem Besuch bei Azra, Sefika und Mindele.
Wir sind zum Nachtessen im Bistrik Stadtviertel eingeladen worden. Azra hat sich vorgängig mit Natasa bezüglich des Menuplanes abgesprochen. Es war kein Leichtes für Natasa gewesen, Azra klarzumachen, dass drei Personen in unserer Gruppe kein Fleisch essen werden (der Begriff Vegetarier ist in Bosnien kaum bekannt). Endlich schien Azra verstanden zu haben was Natasa wollte; Burek mit Fleisch und eine vegetarische Hühnersuppe.
Am spätem Nachmittag besteigen Miha, Beatrice, Erika, Natasa und ich schliesslich ein Taxi welches uns zu Sefika und Azra bringen wird. Dome liegt leider mit einer Magenverstimmung im Bett und wird von Martina umsorgt. Sefika empfängt uns vor ihrem kleinen Häuschen und bittet uns auch gleich einzutreten. Die Stube ist aufgeräumt und es wurde vorgänglich gemütlich eingeheizt. Kaum haben wir es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht beginnt Azra Essen aufzutischen und sie hört nicht damit auf, bis wir keinen Bissen mehr hinunter kriegen. Erst jetzt kommt die 45 jährige Frau etwas zur Ruhe und setzt sich zu uns an den Tisch. Früher, vor und während dem Krieg habe sie in genau diesem Raum zusammen mit ihrem Bruder ein Kaffeehaus geführt. Bis spät nachts seien hier die Soldaten aus und eingegangen, zum Schlafen sei man damals kaum gekommen. Heute geht es in Azras Leben ruhiger zu und her. Über Wasser hält sie sich und ihren Sohn dank der Unterstützung ihres Bruders und dem Verkauf von selber gehäkelten Tüchern, welche sie im Sommer auf dem Markt unten in der Stadt feil bietet. Meine Idee ist es, dass ich in Zukunft mehrmals pro Jahr mit einer kleinen Reisegruppe bei ihr zu Besuch kommen könnte. Sie würde für uns kochen und dafür selbstverständlich bezahlt werden. Zuerst scheint es so, als würde sie das Angebot kaum interessieren. Als sie schliesslich aber die Bezahlung für das Essen erhält, beginnt sie aufzuzählen was sie alles kochen kann. In ihrem Redeschwall ist Azra nun nicht mehr zu bremsen und als wäre es nicht genug beginnt nun auch noch Grossmutter Sefika aufzuzählen welche Speisen ihre Tochter eventuell zu erwähnen vergessen hat. Dass wir nächstes Mal wieder in die Ascinica (so werden Gaststuben hier auch genannt) Azra einkehren werden ist sicher. Zum Abschied drückt sie uns allen ein selbstgehäkeltes Tuch in die Finger; etwas das sie selber mehrere Stunden oder sogar Tage Arbeit gekostet hat. Doch Arbeit wird hier nicht gleich gewertet wie bei uns. Und Natasa hat auch darin Recht wenn sie sagte: In Bosnien beschenkst du jemanden und wirst anschliessend von dieser Person dreifach „zurück“ beschenkt.

9. Oktober, Sarajevo – Zagreb

An diesem Tag ist Autofahren angesagt. Wir haben einen weiten Weg von der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas in die Hauptstadt Kroatiens vor uns.
Als wir uns am morgen früh von Sarajevo verabschieden wissen wir alle Bescheid; die diesjährige Balkanreise geht ihrem Ende entgegen.

Und weil es so schön ist zitiere ich hier zum Abschluss nochmals den bosnischen Autor Mesa Selimovic:

Aber darin liegt ja alles: wiederkehren. Sich von einem Punkt auf der Erde fortsehnen, aufbrechen und von neuem anlangen. Ohne diesen Punkt, an den du gebunden bist, würdest du weder ihn noch die übrige Welt lieben, du hättest nichts, von wo du fortziehen könntest, denn du wärst nirgends. Und du bist auch nirgends, wenn du nur diesen einen Punkt hast. Denn dann denkst du nicht an ihn, dann sehnst du dich nicht, dann liebst du nicht. Und das ist nicht gut. Du musst denken, dich sehnen, lieben. Also, rüste zum Aufbruch.
Meša Selimovič, aus "Derwisch und Tod"

Notfallkonzept in einer kroatischen Herberge - unbedingt lesen!


Dienstag, 12. Oktober 2010

Balkan Tour



Wohlgenährt, glücklich und müde hat sich die Reisegruppe vergangenen Samstag in Zagreb "dovidenja" gesagt. Die 12 tägige Balkanreise war für alle ein grosses Erlebnis gewesen. Ich persönlich bin meinen Gästen sehr dankbar, denn sie ermöglichten es mir nochmals an bekannte Orte zu fahren und Freunde zu besuchen. Dank den Gästen konnte ich meine vergangene Reise durch eigene und fremde Augen erneut miterleben. Es ist nicht dasselbe, wenn man vertraute, liebgewonnene Orte Freunden zeigt, aber es ist ein wunderschönes Geschenk.

Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich einen ausführlicheren Bericht zur Reise veröffentlichen. Vorerst einmal gibt es aber auf der Bildgalerie eine Auswahl an Fotografien von der Reise zu sehen (Zugang zur Bildgalerie über die Bierkiste am rechten Seitenrand).

Mein Dank gilt der Reisegruppe; sie hat das Vertrauen in mir geweckt, dass Rog-Touren eine Zukunft haben. Ein herzliches Dankeschön auch an Miha, welcher uns und den Fiat Ducato sicher über mehr als 1500 Kilometer durch den Balkan gefahren hat.

Lang lebe die vegetarische Hühnersuppe!

Dienstag, 28. September 2010

Auf gehts!

Die mehrmals zum Scheitern verurteilte Balkanreise nimmt morgen ihren Lauf. Die Gäste haben den Zug bestiegen und fahren in diesem Moment, so ist zu hoffen, irgendwo durch die österreichische Nacht. In den nächsten 11 Tagen reisen wir gemeinsam durch Slowenien, entlang der dalmatinischen Küste und mitten durch die Herzegowina nach Bosnien. Rog-Tour hat seine Arbeit aufgenommen.

Donnerstag, 16. September 2010

Mit em Finger uf dr Charte rund um d'Wält

Endo Ananconda singt: "Chum mir faare mit em Füdle über ds Liintuech und mit em Finger uf dr Charte rund um d'Wält...".
Seit ich die "Flemmings Genaralkarte Nr.44" bei uns in der Toilette aufgehängt habe, bleibe ich immer wieder sitzen. Ich konnte nie auf dem Klo sitzend lesen. Sei es ein Comic oder ein mitreissender Roman, weiter als ein paar Zeilen habe ich es auf dem Scheisshaus kaum gebracht. Nun aber, Auge in Auge mit der "Flemmings Generalkarte Nr.44" dauern meine Sitzungen meistens viel länger. Die Karte habe ich auf dem Flohmarkt in Maribor ersteigert, sie kostete mich 5 Euro und ich wusste damals nicht ob dies nun als Schnäppchen zu werten sei oder ob mich der Verkäufer übers Ohr gehauen hat. Es war einer jener Trödler, die alten Militärramsch feilbieten, mit Vorliebe Gegenstände aus dem Zweiten Weltkrieg (hierzulande sowohl Partisanen-Abzeichen wie auch Hakenkreuz-Becher). Die Generalkarte hat mir auf Anhieb gefallen. Es ist eine jener Weltkarten, die ein Gesamtkunstwerk darstellen. Dies sowohl in der Qualität des Papiers wie auch im Druck und in der Auswahl der Farben. Man könnte sie einrahmen und als Kunstobjekt an die Wand hängen oder eben auch in der Toilette als Anschauungsobjekt verwenden. Ich hab meine Karte gegoogelt und herausgefunden dass sie, wie es der Name ja bereits sagt, aus dem Jahr 1944 stammt. Dass es sich bei meinem Kauf nicht um ein Schnäppchen gehandelt hat weiss ich nun auch. Bei Ricardo ist sie für 50 Eurocent (zuzüglich Versandskosten) zu haben. Aber welcher Holzkopf kauft sich schon eine Weltkarte übers Internet.
Beim täglichen Kartenstudium lerne ich langsam die Welt von 1944 kennen. Die Welt aus der Vogelperspektive der Imperialmächte; eine Welt aufgeteilt unter der Regentschaft Europas und Amerikas. Noch ist das Deutsche Reich nicht zusammen gebrochen, noch steht die violette Farbe auf der Landkarte für ein Gebiet welches nebst Deutschland, Österreich und Tschechien auch Teile Afrikas und Neu Guineas umfasst (damals noch Wilhelm Land genannt). Doch bereits steht auch Jugoslawien auf der Karte. Eine Neuheit, waren doch auf der "Flemmings Generalkarte 1943" jene Gebiete meist noch in den violetten Tönen Deutschlands eingefärbt gewesen. Mein Blick schweift immer wieder ab zu den kleinen Inseln irgendwo mitten im Pazifik oder im Atlantik. Ich lese die Namen von Eilanden, deren Existenz ich bisher nicht im Traum geahnt hätte. So zum Beispiel gibts im fernöstlichen Eismeer die "Ratteninseln". Ich stelle mir da eine karge, unwirtliche Gegend vor, bevölkert von Tausenden von Ratten, durchsetzt mit einigen verwahrlosten Gehöften auf welchen von einem unerbittlichen Wind gepeinigte Gesichter ein trostloses Dasein leben.
In Gedanken reise ich auf die britischen Sandwich-Inseln, irgendwo nördlich des südlichen Eismeeres gelegen, einige Tagesreisen von Patagonien entfernt. Ich stelle mir vor wie auf diesen Inseln der Verzehr von belegten Broten eine Finesse entwickelt haben muss; allein deshalb weil der Name einen gewöhnlichen Umgang mit der Materie Brot, Fleisch und Käse nicht zulassen würde.
Gegen Ende einer jeden Sitzung schweifen meine Augen immer an den östlichen Rand der "Flemmings Generalkarte Nr.44": zu den Aleuten. Ich beschaue mir jenes langgezogene Inselarchipel welches sich bis an den Rand des Papiers ausdehnt. Es erscheint mir als Sprungbrett auf die geplättelte Wand des Klos. Ein Weg zurück in die Realität, zurück in den Alltag. Von der europäischen Perspektive her betrachtet, liegen die Aleuten immer am Rande der Welt. Gleichzeitig, wenn man ein kleines geometrisches Verständnis an den Tag legt, wird einem aber auch bewusst, dass sie in Wirklichkeit die Welt zu einem ganzen verbinden. Denn würde die Weltkarte weiter gehen, so käme man mit ein paar Schwimmzügen bald einmal in Alaska an und die Weltreise könnte von vorne beginnen.



Mittwoch, 15. September 2010

Im tiefen Wald des Pohorje

Hier gefällt es uns gut. Hier liegen die tiefen Jagdgründe von Pintas. Hier badet Anna knapp unterhalb des 24 Meter hohen Wasserfalls, die Slowenin tippt sich an die Stirne: Die spinnen diese Helveten!

Leider scheinen alle Werbungen bezüglich der anstehenden Balkan-Tour keine Wirkung gezeigt zu haben. Ausser unseren beiden Stammgästen haben sich bisher keine weiteren Mitfahrer und Mitläufer gemeldet. Schade! Für eine nächste Tour im Herbst 2011 kann man sich bereits jetzt bei mir melden... Die ersten 100 Anmeldungen kriegen während der ganzen Reise gratis Slivovic (gültig ab der 100. Anmeldung)!