Mittwoch, 30. Juni 2010

Pilzler und Rad-Verrückte

Slowenen mögen es sehr auf eigene Faust Pilze zu sammeln. Das scheint hier zu Lande beinahe ein Nationalsport zu sein. In der Schule wird es gelernt und während eines Musikfestivals in Maribor steht im Stadtpark ein Stand der Pilzenfreunde. Es wird munter gesammelt und zubereitet, denn die slowenische Küche ist reich an pilzhaltigen Gerichten.

Gestern auf dem Fahrrad traf ich etwas unterhalb des Areh auf einen älteren Radfahrer in kompletter Montur. Ich fragte ihn auf englisch nach dem Weg zur Bergspitze. Er meinte ich solle ihm ruhig folgen, er wolle dorthin, in rund einer Stunde könnten wir sie erreichen. Während wir uns die steile Strasse hochkurbelten begann er von Pilzen zu sprechen. Und auch von Pilzvergiftungen, denn eine davon hätte er bereits erlitten. Mit 30 Jahren servierte ihm seine Mutter einen Fliegenpilz (eine essbare Sorte soll dem Klassiker der Giftpilze verblüffend ähnlich sehen, nur halt ohne die weissen Punkte). In der Nacht hätte er dann angefangen zu spinnen, wollte auf dem Dachgiebel spazieren gehen und ähnlichen Blödsinn anstellen. Den Weg ins Spital hätte er schliesslich selber gefunden. Dort liess man ihn die ganze Nacht lang erbrechen.

Den russischen Soldaten aus Sibirien sei es in Slowenien nicht anders ergangen als ihm, damals vor 30 Jahren. Als die Rote Armee gegen Kriegsende 1945 einen Teil Sloweniens besetzte (ein anderer Teil wurde von Titos Partisanen befreit), bestand sie beinahe nur noch aus sibirischen Russen. Die "europäischen" Russen waren zu einem grossen Teil bereits während der Kämpfe gefallen. Die Soldaten waren ausgehungert und sehnten sich nach einer Nahrung, die sie an ihre Heimat erinnerte. Da trafen sie auf die Pilze, die in jenen Monaten gerade aus dem Boden zu schiessen begannen. Einer davon war grün, mit weissen Punkten; der grüne Fliegenpilz. Tödlich. Im Glauben darum es handle sich um denselben grünen Pilz, welcher die Frauen in ihrer fernen Heimat zu einem schmackhaften Gericht verarbeiteten, stürzten sich die ausgehungerten Soldaten auf den Giftpilz. Und starben daran in Dutzenden. Welch Ironie; da hat man Jahre des Krieges überlebt und stirbt in den ersten Tagen des Friedens an einer Pilzvergiftung. Die Führung der Roten Armee verbot draufhin das Sammeln jeglicher Pilze in Slowenien.

Dies und Ähnliches erzählte mir Vlado gestern, als wir mit dem Rad auf den Areh fuhren. Hinunter führte er mich dann über das Gelände der renommierten Skipiste von Maribor. Er, ausgerüstet mit Federgabelung und Handschuhen, ich im Freizeitanzug. Die Schläge über die holprigen Off-Road Pisten konnte ich kaum dämpfen und es surrte in meinem ganzen Körper als wir schliesslich bei der Talstation der Gondelbahn ankamen und uns zu einem Bier in die "Mala Lipa" setzten. Dort schauten wir uns noch die zweite Hälfte des Spiels Spanien-Portugal an. Fussball interessiert Vlado nicht, er sprach weiter über Pilze und ähnliches.

Sonntag, 27. Juni 2010

Bekannte Orte und Gesichter


Da meine Cousine Béatrice uns in Maribor besucht hatte, nutzten wir die Gelegenheit, um mit ihr eine mehrtägige Ausfahrt quer durch Slowenien bis an die adriatische Küste zu unternehmen. Wieder einmal konnte mein Zelt frische Nachtluft schnuppern. Als wir an der slowenischen Küste in Koper ankamen, erinnerte ich mich daran, wie ich dort letzten Sommer zu Fuss angekommen war. Die Fahrt mit dem Auto, vorbei am langezogenen Hafengelände von Koper bewältigten wir in wenigen Minuten. Zu Fuss wollte diese Strecke damals kein Ende nehmen...
Im Dorf Matulje, wenige Kilometer ausserhalb der kroatischen Hafenstadt Rijeka besuchten wir Tante Paula. Bei ihr konnte ich bereits letzten Sommer unterkommen und die mehr als 80 jährige Frau hat sich seither in nichts verändert. Noch immer wieselt sie rund ums Haus, macht Scherze und steht bereits um 5 Uhr morgens auf um sich einen Kaffee zu kochen. Von ihrer Terrasse aus sah ich auf den istrischen Berg Ucka. In Mala Ucka, etwas unterhalb der Bergspitze konnte ich damals beim albanischen Schafhirten Rexhep übernachten. Nur zu gerne wäre ich zu ihm hoch gestiegen um zu sehen wie es ihm geht. Doch leider hatten wir dazu keine Zeit mehr. Einen Ausflug nach Mala Ucka werde ich aber bald einmal unternehmen.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Verkehrsschilder in Maribor

Bei dieser Verkehrsführung lassen wir lieber den Hund ans Steuer.
Wir haben Besuch aus der Schweiz. Meine Cousine Béatrice ist gestern zu uns gestossen. Pintas zeigt ihr mit dem KIA die Umgebung.


Dienstag, 15. Juni 2010

Ein Haus sich bauen

Überall wird gebaut, oder zumindest umgebaut oder saniert. Hier in Slowenien sind die Häuser, im Gegensatz zu denjenigen weiter im Süden, verputzt. Meistens sogar ziemlich ordentlich, wie auch die Gärten hier ein sehr ordentliches Erscheinungsbild abgeben.

Auf der Baustelle wird vorwiegend albanisch gesprochen. Die Albaner sprechen ein gebrochenes serbo-kroatisch. Slowenisch sprechen sie meistens nicht.

Als ich vor gut zwei Wochen in Zürich auf den Zug nach Graz eilte, rief mich ein Mann mit einem Handwinken zu sich. Er hielt den Telefonhörer eines öffentlichen Telefones in der Hand und reichte mir diesen mit ausgestrecktem Arm entgegen. Am anderen Ende bat mich ein Mann auf englisch, ich möge ihm erklären wo sein Bruder im Moment gerade stehe. Im Zürcher Hauptbahnhof, sagte ich. Ich möge seinen Bruder, er spreche weder deutsch noch englisch, doch bitte zeigen wie er auf den Zug nach Chiasso käme. Als der Mann neben mir den Hörer wieder entgegen nahm sprach er noch kurz weiter mit seinem Bruder und legte dann auf. Welche Sprache mochte das sein? Ich hatte keine Ahnung. Der Mann zeigte mir einen ausgedruckten Fahrplan: Zürich Flughafen - Chiasso. Ausgestattet war der Mann nur mit einem abgetragenen Plastiksack. Sein einziges Fluggepäck. In 10 Minuten würde mein Zug nach Graz fahren. Rasch liefen wir in Richtung des Geleises auf welchem der Mann den Zug nach Chiasso besteigen sollte. Hatte er ein Ticket? Do you have any money? Ich sah wie die Lippen des Mannes leicht zu zittern anfingen und er schüttelte den Kopf. Ich drückte ihm die 50er Note in die Hände, welche mir meine Oma eben gerade geschenkt hatte. Der Mann führte seine rechte Hand zum Herzen und verneigte sich leicht, wir umarmten uns und ich eilte auf den Zug. Beim Zurückschauen sah ich ihn in der Menge verschwinden. Vor wenigen Stunden war er wohl in der Schweiz gelandet. Vielleicht baut er nun zusammen mit seinem Bruder Häuser in Chiasso.

Hier in Slowenien verdienen die Arbeiter 4 Euro die Stunde, das ist in Ordnung, sagt man.



Montag, 7. Juni 2010

Leben in Slowenien

Mein Aufenthalt hier in Slowenien ist anderer Art als die letzten Male als ich hier war. Nun ist es ungewiss wie lange ich bleiben werde.
Schon eine längere Zeit lang lebte ich nicht dermassen sesshaft und eingerichtet wie zur Zeit hier in Maribor. Nur die Arbeit fehlt noch und man könnte sagen, ich lebe nun hier in Maribor. Ich bin auf der Suche nach einer Arbeit, was sich nicht so leicht herausstellt wie gedacht; daran ändert auch die unmittelbare Nähe zu Österreich nichts. Dass ich eher dort eine Arbeit finde als hier in Slowenien glaube ich noch immer.
Viel Zeit bleibt mir nach wie vor, um mit dem Fahrrad oder zu Fuss die Gegenden zu erkunden, die sich als sehr interessant und wunderschön erweisen. Maribor liegt zu Füssen des langezogenen Pohorije Gebirges, in welchem auch die slowenische Alpintransversale beginnt, ein Wanderweg welcher über viele Gipfel schliesslich an der slowenische Küste an die Adria führt. In 21 Tagen könne man diesen Weg gehen, heisst es. Das reizt natürlich schon.
Auf der anderen Seite der Drava liegt das steil-hügelige Kamenjak Gebiet. Mit dem Velo habe ich mich bereits einmal dort hinein gewagt und es braucht etwas Ausdauer dieses ständige Auf und Ab zu meistern. Man stelle sich ein Emmental vor, dessen Hügel aber einige Prozent mehr Steigung aufweisen als das Original.

In Slowenien ist gestern abgestimmt worden. Es handelte sich um ein Referendum welches den langjährigen Grenzstreit mit Kroatien nun durch ein internationales Schiedsgericht regeln soll. Dieses Referendum wird, wenn es nach dem Präsidenten des Landes geht, dann auch die Blockaden gegenüber den kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen stoppen.

Natasa, Pintas und ich besuchten vor zwei Tagen das Dreiländereck im Nordosten Sloweniens, dort wo Österreich, Ungarn und Slowenien sich die Hand reichen. In der Stille des Waldes steht dort der von drei Ländern verwendete Grenzstein, die Vögel zwitschern ungarische Rapsodien, die Frösche quaken österreichisches Volksgut und von der slowenischen Seite her erstürmen zwei im Kreis tanzende Eichhörnchen die Bühne, ganz der slowenischen Folklore entsprechend. Der portugiesische Pintas weiss ob diesem Multi-Kulti gar nicht mehr wo ihn der Flo sticht.