Dienstag, 2. März 2010

Maribors Strassenschilder


Bild: Laden in der Baščaršija in Sarajevo

In Maribor habe man die jugoslawischen Strassennamen beim Erhalt der Unabhängigkeit nicht verändert. Genau dies geschah anscheinend in zahlreichen anderen Städten des Landes. So gibt es denn hier in Maribor nach wie vor die die Titova Cesta und die Ulica Partisanska , an deren Ende gute Freunde von Nataša wohnen. Beim Spazieren durch Maribor schaue ich mir in letzter Zeit oft die rot-weissen Strassenschilder an, im Wissen darum, dass diese Namen viel über die Geschichte des Landes erzählen (dies vor allem in jenen Länder, deren führende Staatsmenschen sich zum Ziel gesetzt haben, ein besonders grosses Kapitel in der Geschichte des Landes schreiben zu wollen). Mir ist aufgefallen, dass es zwei verschiedene Strassenschilder gibt; solche mit einem kleinen Stern am oberen Rand und eben solche ohne diesen Stern. Als ich das heute einem Mann aus Maribor sagte, war er sichtlich erstaunt, dass es in Maribor die jugoslawischen Schilder noch gibt. Es sind nicht viele, aber einige davon gibt es noch.

Ich bin beim Schreiben dieses Textes wieder im „Sarajevo“. Man führte es heute auf meine Jugo-Nostalgie zurück, dass ich immer wieder auf Sarajevo und Bosnien zu sprechen komme. Ich glaube aber nicht, dass ich dieser Art von Nostalgie verfallen bin, wie könnte ich auch, kenne ich doch dieses Jugoslawien genau so wenig wie dieses Ostfriesland. Nein, es ist wahrlich etwas anderes was mich heute wieder ins „Sarajevo“ führte, aber darum geht es gar nicht.

Das Stichwort Jugo-Nostalgie ist bereits gestern abend gefallen, da aber in einem ganz anderen Zusammenhang. Nataša und ihre Freundin Polona organisieren einen Austausch zwischen zwei Jugend Theatergruppen, wobei die eine Gruppe aus Slowenien kommt und die andere aus Mazedonien. Gestern trafen nun die zwei mazedonischen Lagerleiter in Maribor ein um mit Natasa un Polona sowie Mitgliedern der slowenischen Theatergruppe den Ablauf des einwöchigen Austausches zu besprechen.
Man traf sich im Cafe Astoria, in einem der ältesten Kaffeehäuser im Zentrum Maribors. Ich konnte den Gesprächen problemlos folgen, denn sie wurden auf englisch geführt und dies nicht nur mir zuliebe. Denn schliesslich müssen Slowenen und Mazedonier zur Kommunikation eine gemeinsame dritte Sprache finden, wobei sich herausstellte, dass die beste Lösung hierbei nicht unbedingt serbo-kroatisch, kroato-serbisch, montenegrinisch oder bosnisch ist. Für die heutige slowenische und mazedonische Jugend wird diese Sprache immer mehr zu einer Fremdsprache, welche zwar dank dem Fernseher und dem Sommeraufenthalt an der kroatischen Küste nach wie vor praktiziert wird, welche ihnen aber nicht mehr dermassen geläufig ist, wie es noch für eine Generation vorher der Fall war. Mazedonisch und slovenisch mögen zwar dem serbo-kroatischen verwandt sein, die Abweichungen dazu sind aber dermassen gross, dass man schon beinahe von eigenständigen Sprachen sprechen könnte (sofern das Schweizerdeutsch auch beinahe als eine solche bezeichnet werden kann). So äusserten sich denn die slowenischen Jugendlichen auf englisch zu ihren Wünschen bezüglich des Austausches und zur Wahl des Themas des Theaterabends. Man wolle Jugoslawien zum Thema machen, erklärte der 16 jährige Matey, genauer gesagt das Zusammenleben in Jugoslawien. Denn schliesslich lebten damals Mazedonier und Slowenen unter dem Dach des gleichen Staates. Und bald würden sie vielleicht wieder ein gemeinsames Gebäude bewohnen; das der Europäischen Union. Unter diesen Gesichtspunkten erschien den Jugendlichen der Versuch interessant, herauszufinden wie das Zusammenleben in Jugoslawien funktioniert hatte.
Matey wurde im Jahr Vier der Unabhängigkeit Sloweniens geboren. Alles was er von Jugoslawien weiss, erfuhr er von älteren Mitmenschen, für ihn ist es Geschichte, anscheinend wichtige Geschichte. Der mazedonische Jugendarbeiter erwähnte hier das Stichwort „Jugo-Nostalgie“.

Wann kann man denn eigentlich von Nostalgie sprechen? Richtet sie sich nicht immer auf eine Vergangenheit, die aus dem heutigen Blickwinkel betrachtet, in ein besseres Licht gerückt wird als sie vielleicht in Wirklchkeit war? Verfälscht die Nostalgie deshalb zwangsläufig die Tatsachen und die reale Geschichte? Wenn ja, dann müsste man sich aber die Frage stellen, was denn reale Geschichte ist und vielleicht könnte man hier mit dem Leben der Eltern, des heute 16 jährigen Matey beginnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen