Donnerstag, 27. Januar 2011

Echo der Zeit

Meistens gehe ich früh morgens mit unserem Hund Pintas auf einen Spaziergang. Ich mag diese Stimmung draussen, wenn die Luft noch eisig kalt ist, die aufsteigende Sonne aber schon die Ahnung von Wärme auf die gefrorenen Grashalme sendet. Ich habe mir während diesen Spaziergängen angewöhnt, die Nachrichtensendung "Echo der Zeit" des letzten Tages anzuhören. Zu diesem Zweck speichere ich vorgängig die wenigen Megabytes auf den MP3 Player, stecke mir die Stöpsel in die Ohren und spaziere los. Saublöd, werden nun die ein oder anderen denken. Vermiest der sich doch tatsächlich den frühen Morgen mit Nachrichten des letzten Tages.
Ihr habt recht, kann ich denen die "saublöd" denken nur sagen. Eigentlich ist es saublöd. Aber ich mache es trotzdem und erfahre so jeweils am Morgen, was am letzten Abend Thema war. Im Moment vor allem Strassenschlachten und erfolgte oder geplante Stürze von undemokratisch gewählten Präsidenten oder demokratisch zur Macht gekommenen Diktatoren. Über Menschen die sich via Facebook und Twitter organisieren und dann zu zigtausenden auf die Strasse gehen, sich in die Arme der mit Tränengas und Schlagstöcken bewaffneten Polizeit werfen.
Fast immer nehme ich den gleichen Spaziergang, wenn ich früh morgens mit Pintas hinaus gehe. Fast immer kann ich im Nachhinein gewisse Meldungen mit bestimmten Örtlichkeiten auf meinem Weg in Verbindung setzen. Das Interview mit Irene Meyer, der Nahostkorrespondentin, auf dem Feldweg am Bach, bei der alten Weide, dort wo die Enten sich im Wasser putzen. Die Aufstände in der albanischen Hauptstadt Tirana, beim Waldrand, dort wo der Kiesweg weiter in Richtung Fussball Platz führen würde. Denke ich dann zu Hause angekommen an Tirana zurück, so erinnere ich mich auch an den Waldrand; unsinnig zwar, aber unvermeidlich.
Das Besondere an der Tatsache, die Nachrichten des letzten Tages während eines Spazierganges zu hören ist, dass ich mich voll und ganz auf die Nachrichten konzentrieren kann. Ich höre wirklich zu und gerade weil ich wirklich zu höre, kann ich manchmal kaum glauben was da so alles gesagt wird. Es ist mehrmals vorgekommen, dass ich einige Sekunden zurück gehen musste, nicht auf meinem Spazierweg sondern in der Nachrichtensendung "Echo der Zeit", um mich nochmals zu vergewissern, wirklich richtig gehört zu haben. Nachrichten sind dermassen absurd, wenn man ihnen richtig zuhört.
Einen Satz wie: "Die Märkte reagierten gereizt auf die Ankündigung des US-Präsidenten", vermögen mich immer wieder in Erstaunen zu setzen. Der Markt wird zur Person, zum Inidividuum erhoben, welcher gereizt, zufrieden oder verängstigt auf gewisse Faktoren reagiert. Oder ich höre den Chef der Schweizerischen Handelsniederlassung in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, in Riat, wie er das Königreich als fortschtittlich, innovativ und sicher lobt. Ein Land, in welchem das Gesetz den Frauen nach wie vor verbietet Auto zu fahren. Das Öl fliesst reichlich, das Geld ebenfalls, die anderen Faktoren sind zweitrangig.
Manchmal, wenn ich früh morgens mit Pintas auf einen Spaziergang gehe, dann beneide ich diesen Hund. Er weiss von all dem nichts und markiert nur munter drauf los. Und wenn ich mich, zu Hause angekommen, noch immer an die ein oder andere Nachricht erinnere und mich frage ob ich wirklich richtig gehört habe, legt sich Pintas eine Weile schlafen.

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