Montag, 21. März 2011

Blick nach innen


Vor einem Jahr bin ich von Maribor aus zurück nach Sarajevo gefahren um die Wanderung in Richtung Istanbul fort zu setzen. Dreihundertfünfundsechzig Tage sind seither vergangen und heute morgen trage ich den schreienden Jurij so lange in meinen Armen, bis er wieder einschläft. Gemeinsam sitzen wir oft frühmorgens hier in der Küche und schauen wie es draussen langsam hell wird. Dank Jurij weiss ich jetzt, dass die Vögel nach Borova Vas zurück gekehrt sind und bereits um halb fünf Uhr morgens in den Bäumen vor den grossen Wohnhäusern ihre Konzerte geben. Jurijs Blick schweift in diesen Stunden immer weit hinaus, auch wenn er nur die Wand in der Küche zu betrachten scheint. Er muss durch und über diese Wand hinaus sehen, er wird mehr sehen als ich es mir vorstellen kann. Jurijs Blick geht weit hinaus, durch die Wände unseres Wohnblockes hindurch, über die Bäume von Borova Vas und auch über den Pohorije, auf welchem der Schnee seinen letzten Auftritt vor dem hereinbrechenden Frühling zu geben scheint. Jurijs Blick geht weiter als ich jemals wandern könnte, denn seine Augen schauen auch nach innen. In diesen Momenten scheint er eins zu sein mit der Welt. Ein Zustand den wir Erwachsenen kaum mehr erreichen können. Es zu versuchen sollte aber immer wieder Priorität in unserem Leben haben. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen tanzen wir und schreiben wir Bücher, lieben und bekriegen wir uns, erforschen wir die Atome und reisen ins Weltall hinaus. Auf der Suche nach diesem Blick nach innen versuchen wir nach Istanbul zu wandern, studieren wir an Universitäten und suchen Ruhe in Meditations Kursen. Jeder Mensch hat selber einmal die Fähigkeit besessen nach innen zu schauen und dabei vielleicht eine Einheit von „innen“ und „aussen“ gefühlt. Dass wir diesen Blick nicht mehr beherschen heisst aber hoffentlich nicht, dass wir ihn verloren haben.

„Bei deiner Geburt warst du ohne Gedanken. Nimm diese Wahrheit so tief wie möglich in dein Herz auf, denn dann öffnet sich dir eine Tür. Wenn man ohne Gedanken geboren ist, dann ist das Denken ein Produkt der Gesellschaft. Die Existenz geht dem Denken voraus.“

Osho

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