Donnerstag, 1. September 2011

Blatuša

Seit vielen Monaten wurde Blatuša immer mal wieder erwähnt. „Wann gehen wir nach Blatuša?“ „Bald gehen wir nach Blatuša!“ „Wo zum Teufel liegt denn eigentlich Blatuša?“ „Was ist Blatuša?“

Blatuša ist ein Dorf südöstlich von Karlovac, im Norden Kroatiens. Ein Gebiet das bis zu den Kriegsjahren ab 1991 auch von Serbinnen und Serben bewohnt wurde. Einige Dörfer waren gänzlich in serbischen Händen; so ein Dorf war Blatuša. Die Menschen mussten als einfache Bauern gearbeitet haben, davon zeugen die noch stehenden Holzhäuser und Ställe, die verstreut in der mal waldigen, mal von Wiesen durchsetzten Gegend stehen. Nach dem Krieg war die Gegend um einige Menschen ärmer. Die Häuser, die vormals von Serbinnen und Serben bewohnt waren, standen nun leer und begannen im Laufe der Jahre immer erbärmlicher auszusehen. Auch Blatuša lag viele Jahre lang verlassen da, die Besitzer der Häuser waren entweder verstorben oder seit Jahren in Serbien wohnhaft.



Vor drei Jahren hat Robert, das halbe Dorf aufgekauft. Mehrere alte Häuser und vor allem viel, viel Land. Dieses Land bewohnt er seither zusammen mit zehn anderen Menschen. Blatuša ist ein Laboratorium für „selbstverwaltetes“ Leben geworden. Robert, ein professioneller Musiker, der sich vorher weder für biologischen Landbau noch für Ökohäuser interessiert hatte, wurde innert kurzer Zeit zu einem Fachmann auf diesen Gebieten. Durchs Internet und durch Freunde hat er gelernt wie man mit einfachsten Mitteln Häuser bauen kann, die nicht viel kosten, aus 100% natürlichen Materialien bestehen und denen auch das oftmals rauhe Klima Nordkroatiens nichts anhaben kann. Häuser, gebaut aus Holz, Stroh und Lehm. Häuser, die in ihrer Form an Hobbithöhlen erinnern. Häuser, die eine gemütliche Wärme ausstrahlen und die man auf den ersten Blick gerne bewohnen würde. Bisher tun dies gut zehn Menschen. Roberts Idee ist, dass in der nächsten Zeit mehr und mehr Menschen sich der „Gemeinschaft“ anschliessen. Wer will kriegt bei Robert in Blatuša Land, Material und Wissen, damit man sich sein eigenes Haus bauen kann. Natürlich braucht es auch etwas Geld; ganz kostenlos ist das Bauen eines solchen Ökohauses nicht. Aber mit 1500 Euro hat man bestimmt ein bewohnbares Haus.



Die Lanschaft rund um den Ort Blatuša herum hat etwas magisches, märchenhaftes. Über einen Waldweg führt uns Robert zu einer Lichtung die leicht abfallend sich weit hinunter in ein Tal erstreckt. Die ganze Lichtung ist überwachsen mit Farn. Nur Farn, soweit das Auge reicht. „Hobbitland“, nennt Robert diesen Ort. Hier sollen einst Erdhäuser stehen, so wie man sie von den Hobbits her kennt. Mitten durch dieses Farn hindurch schreitet eine Gestalt, ein Buschmesser über die Schultern gehängt, in selbstgefertigten Lederhosen und Mokkasins, gleicht die kleine Gestalt mit den langen grauen Haaren und dem nicht minder langen Bart einem Zwerg, der im Lande der Hobbits untergekommen ist. Der Mann umarmt mich, lange, und lässt nicht los. Dabei nennt er seinen Namen; Akin. Und meint schliesslich: Willkommen zu Hause. Akin kommt aus Tschechien, doch seine fahrende Wohnung, ein umgebauter Bauwagen, erzählt davon, dass Akin dort zu Hause ist, wo er sich gerade aufhält. Während mindestens einem Monat wird sein zu Hause Blatuša sein. Dort findet im September das „Rainbow gathering“ statt. „Rainbow“.... Hier treffen sich „Hippies“ aus ganz Europa. Einige von ihnen fahren von einem „Rainbow“ zum nächsten. Leben mal in Portugal, mal in Spanien, Tschechien oder eben Kroatien. Was wird während eines „Rainbow gathering“ gemacht, will ich von Robert wissen. Die Antwort ist sehr unklar. Bei diesem „Rainbow“ gehe es ums Heilen, so viel habe ich verstanden. Robert will anscheinend die Energien in Blatuša wieder ins Lot bringen. So werden nun bald, dort wo vor 20 Jahren Menschen mit Maschinengewehren bestückt durch die Büsche schlichen, Tantra Seminare abgehalten und Erdhäuser gebaut werden. Blatuša ist diesem Wandel bestimmt dankbar.




Auf dem Weg zurück in die Zivilisation fahren wir an einigen Bauern vorbei, die in der Umgebung von Blatuša ihre Felder bestellen. Alle winken uns zu. Mit unserem slowenischen Nummernschild wird wohl allen klar sein, dass wir zu Blatuša gehören. Und ich erinnere mich daran dass Robert erwähnte, wie gut die Gemeinschaft Blatuša von den Nachbarn aufgenommen worden ist. Zu Beginn hätten alle gedacht, dass Robert einer jener sei, der sich Land im grossen Stil unter den Nagel reissen würde um es dann ungenutzt verwildern und verkommen zu lassen. Inzwischen haben die Nachbarn ihre Meinung geändert. Die Gemeinschaft Blatuša ist von allen Seiten her akzeptiert worden.


Man muss ja auch keine Tantra-Seminare mögen, um zu sehen, dass in Blatuša etwas wirklich schönes entstehen kann.





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