Sonntag, 13. Februar 2011

Eva aus Ungarn


Unterwegs mit Rog, in Ungarn, im Mai 2009

Am Abend kamen ich und mein Eingänger Marke Rog erneut in ein Dorf, dessen Name ich bereits zwei Sekunden nach Passieren des Ortschildes wieder vergessen hatte. Es war Zeit, sich nach einem Nachtlager umzuschauen. Ich tat was ich in solchen Situationen immer tue; ich setzte mich in die Bar im Zentrum (es gabe nur eine) und trank ein Bier. Der Serviertochter gab ich zu verstehen, dass ich das Zelt auf dem Rasen hinter der Bar aufstellen möchte. Sie gab mir zu verstehen, dass ihr das ziemlich egal sei. Etwas weniger gleichgültig gegenüber meiner Bitte waren eine Gruppe von Frauen mittleren Alters welche mich auch prompt an ihren Tisch beriefen. Es fielen die Worte Ciganj, Zigeuner, ich solle aufpassen, denn schliefe ich im Zelt könnten sie mir mein Fahrrad stehlen (das Verb stehlen kann man so wunderbar nonverbal ausdrücken ohne dabei irgendwelche Missverständnisse zu produzieren). Es fiel nun ein weiteres Wort das ich verstand- Diesmal auf deutsch: Zimmer frei! Eva machte mir dieses Angebot und auf einen Zettel schrieb sie den Betrag: 6 Euro, inklusive HamHam, was ich als Angebot eines Nachtessens zu deuten verstand. Rasch wurde das Geschäft abgeschlossen und so machten sich Eva, ihre Freundin Sabina und ich bald darauf auf den Weg zu Evas Haus.
Es war eines jener typischen ungarischen Langhäuser, wie auch anders in einem typisch ungarischen Langdorf, und, wie ich später feststellen durfte, war auch die Inneneinrichtung typisch ungarisch. Die Ungaren scheinen eine Vorliebe für alten Kitsch zu haben und wer von euch bereits einmal die Eispaläste am freiburgischen Blausee besucht hat, weiss genau wovon ich spreche. Das Haus ist keineswegs mit Ramsch überladen, vielmehr scheint es als ob die wenigen Dinge, welche die Wände zieren oder am Rande der Regale stehen, seit Jahrzehnten ihren festen Platz hätten und nur ab und zu zum leichten Entstauben von ihrem angestammten Platz entfernt würden. Unter diesen Gegenständen befinden sich sowohl Plastikblumen wie auch Plüschtiere oder vergilbte Audiokassetten. Eva schlug einige Eier in die Pfanne und wir assen Beide mit grossem Appetit und spülten das Nachtessen mit einem Glas Weisswein hinunter. Das Haus von Eva besass vier Räume, ihre Söhne waren ausgezogen und lebten in Pecs, ihr Mann vor Jahren verstorben. Was mich überraschte; es gab nur ein grosses Bett im ganzen Haus und dieses bereitete Eva ganz offensichtlich für mich her.
Ich versuchte sie zu fragen wo sie denn zu schlafen gedenke, aber das Geschoss meiner Worte flog meilenweit am Ziel vorbei; es war unmöglich sich zu verständigen, denn Eva winkte immer wieder lachend ab. Schliesslich genoss ich eine warme Dusche in Evas Bad und als ich frisch geputzt das Schlafzimmer betrat lag Eva bereits im Bett, rauchte eine Zigarette, trank weiterhin Weisswein und naschte Chips, welche sie in der Bar erstanden hatte. Sie hob mir meine Decke hoch und ich schlüpfte ins Bett. So war das also gedacht; ein halbes Bett war frei und nicht ein ganzes Zimmer. Eva bot mir noch eine Zigarette an aber mir war es nicht nach rauchen zu Mute. Ich musste mich erst einmal mit dem Gedanken abfinden, dass ich in dieser Nacht das Bett mit Eva teilen würde. Bald aber drehte ich mich lachend zur Seite und schlief ein. Ich habe nicht gut geschlafen in dieser Nacht, es war heiss, Eva schnarchte und mir schien, als schwebe der Rauch der Zigaretten immer noch kanpp über meinem Kissen.
Am nächsten Morgen gab es einen stärkenden Kaffee und mit einer Umarmung verabschiedete ich mich von Eva und ihrer Freundin Sabina. So sehen also ungarische Zimmer frei aus, dachte ich bei mir, als mich die Landstrasse am frühen Morgen wieder mit offenen Armen empfing.

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