Freitag, 12. März 2010

Eurocrème

Gestern beim Mittagessen mit Mitarbeitern aus dem Laden kam es wieder zu einem Gespräch über Jugoslawien. Bereits von verschiedenen Seiten habe ich hier die Aussage gehört, dass Slowenien im nahen Ausland, vor allem in Österreich, noch immer als das ex-jugoslawische Land angeschaut wird, welches noch weit entfernt von Europa ist. Dass Slowenien seit Jahren Teil der Europäischen Union ist mindert diese Beurteilung nicht.
Und jetzt? Ist es etwas abwertendes ein ex-jugoslawisches Land zu sein? Muss man sich rechtfertigen?

Eine junge Frau, die auch im Laden arbeitet, warf die Frage auf, ob Slowenien Teil des Balkans sei. Natürlich, meinte eine andere Frau, und hoffentlich eine dritte. Sie jedenfalls wünsche sich eher dem Balkan zugeordnet zu werden als zuerst einmal als Teil der Europäischen Union verstanden zu werden, ergänzte die erste.

Die Europäische Union; seit nun bald 6 Jahren ist Slowenien ein Mitglied der grossen europäischen Familie und noch immer (oder immer wie mehr?) streiten sich hier die Geister darüber wo die Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft denn liegen. Der Beitritt hätte eine Art Nationalismus, welcher auch in Slowenien stärker vertreten gewesen sein, dämpfen können. Es gälte nun nicht mehr das Prinzip des Staates über allem. Für junge Menschen und vor allem für Studenten gäbe es nun ernsthafte Möglichkeiten im Ausland zu studieren oder sogar zu arbeiten.

Wir kamen auf Bosnien zu sprechen, nebst Albanien das einzige Land Südosteuropas, welches noch nicht von der Bewegungsfreiheit innerhalb der EU profitieren kann. Auch sonst ist das Land noch ziemlich wenig von der EU normisiert worden; eine Tasache die man wiederum sowohl als vorteil- oder nachteilhaft betrachten kann. Aus eigener Erfahrung konnte ich einen Vorteil selber benennen; in Sarajevo und wohl in jeder anderen bosnischen Stadt kann man heute einen Nagel oder Malerklebeband nach wie vor im Stadtzentrum kaufen, währenddem man in Maribor dafür mit dem Auto in den Baumarkt fahren muss.
Im Gespräch an diesem Mittag zeigte sich einmal mehr, dass eine Reise nach Bosnien für viele Menschen aus den ehemaligen jugoslawischen Republiken eine Art Reise in die Verganenheit darstellt.
In jeder Bäckerei in Sarajevo gibt es noch die Croissants mit der Eurocrème Füllung; eine Schokoladenmischung, die es seit Jahrzehnten gibt und welche jedes Kind in Jugoslawien kannte und liebte. Es ist zu befürchten, dass mit einem Beitritt zur EU auch die Eurocrème aus den Ablagen der Bäckereien verschwinden wird. Doch das Verschwinden der Eurocrème wird natürlich nicht der entscheidende Faktor sein, wenn über einen Beitritt zur EU debatiert wird. Denn höchstwahrscheinlich kann es für viele Menschen in Bosnien zur Zeit nur besser werden. Man wird es verkraften könen, in Zukunft den Nagel im Baumarkt besorgen zu müssen, vorausgesetzt man hat das Geld für den Kauf des Nagels.

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