Mittwoch, 7. April 2010

Über Montenegro

Bild: die Milleniums Brücke in Podgorica

Wenn man so alleine unerwegs ist, so ist man immer ein Ausseinseiter, ein Sonderling. Eine Tatsache, die sowohl Vorteile wie auch Nachteile mit sich bringt. Die Vorteile liegen auf der Hand, man kommt, alleine unterwegs, häufig in Kontakt mit Menschen und bezeugt man ein Interesse an diesen Kontakten, so entwickeln sich in diesen Gegenden, die ich bereise, daraus nicht selten höchst interessante Gespräche und das ein oder andere Mal sogar der Ansatz einer Freundschaft, welche aber in den allermeisten Fällen in dem Moment wenn sich die Wege wieder trennen, auflöst und in sphärische Höhen steigt. Die Nachteile des Alleine Unterwegs Seins müssen ebenfalls nicht aus der Luft gegriffen werden. Oftmals fehlt mir der mögliche Kontakt mit Menschen, die ähnlich aufgewachsen sind wie ich, die vielleicht auch die gleiche Sprache sprechen und die über gewisse Dinge auch meine Verwunderung teilen können.
Extrem erlebe ich das diese Tage in Podgorica wieder.

Hier angekommen erkundigte ich mich im Studentenheim nach der Möglichkeit eines Nachtlagers. Der Receptionist musste mir leider mitteilen, dass zur Zeit alle Betten belegt seien und er deshalb nichts für mich machen könne. Da meldete sich Harun zu Wort. Er sass auf dem Ledersofa im Aufenthaltsraum und meinte, ich könne doch bei ihm und seinem Bruder Haris im Zimmer unterkommen. Dankend nahm ich das Angebot an und so tauchte ich ein in das Studentenleben Podgoricas und erfahre dank den Studenten hier höchst interssantes über dieses Land.
Crna Gora oder Montenegro; der Schwarze Berg. So schwarz erlebe ich jedoch dieses Land nicht. Vor allem jetzt nicht, im Frühling, wenn die Wiesen und Felder rund um die zahlreichen Flussläufe herum in ein grün getaucht sind, welches in seiner Intensität beinahe schmerzhaft anzuschauen ist. Der Begriff "Berg" im Namen des Landes erscheint mir jedoch zutreffend; ausser an einigen Stellen in Küstennähe und den nicht wenigen wunderschönen Hochplateaus gibt es in diesem Land praktisch keine Flächen. Ein Mann in Bajovo Polje hat mir gesagt, dass das Land, würde man alle Berge und Hügel flach legen, auf eine Grösse von 800 000 Quadrat Kilometer käme... Die Landschaft formt den Menschen, so sagt man. Dies wird selbstverständlicherweise auch in diesem Land hier der Fall sein. Einige dieser "typischen" Bergler habe ich ja bereits kennen lernen dürfen. Hier in Podgorica erlebe ich nun einen weiteren Teil der Bevölkerung dieses Landes, jene 200 000 Menschen (einen Drittel der Bevölkerung dieses Landes!) welche die Hauptstadt Crna Goras bewohnen. Es sind vowiegend junge Menschen, die ich hier auf den Strassen antreffe. Jene eben, die in der Lebensweise ihrer Vorfahren in den heute grösstenteils unbewohnten und abgelegenen Dörfer keine Zukunft mehr finden. Von den Bewohnern der Küste weiss ich noch nichts zu sagen. Es würde mich interessieren, inwiefern sich ihre Lebensart von derjenigen der benachbarten Dalmatiner unterscheidet.

Als ich in Slowenien bei Natasa war, hörten wir im Radio eine Sendung über das Aufkommen der montenegrinischen Sprache. Ein Begriff welchen es bis anhin nicht gab, sprachen doch alle Montenegriner und Montenegrinerinnen selbstverständlicherweise serbisch. In der Tat wird meine Sprachkenntnis hier in Montenegro in jener Weise gerühmt, dass man mir sagt, dass ich gut serbisch spräche. Ich wollte von Harun wissen, ob es dieses montenegrinisch denn gäbe und er meinte lachend, dass einige Menschen hier zwar dieser Ansicht seien, dass dies jedoch völliger Blödsinn sei.
Im Allgemeinen scheint man sich hier mit der Loslösung von Serbien im Jahre 2005 schwer zu tun.Von vielen Menschen höre ich, dass Serbien und Montenegro noch immer ein Land sei, dass diese Separation nur von einiegn Politikern betrieben wurde und nicht wirklich der Vorstellung der Bevölkerung entspräche. Dies obwohl beim Referendum 2005 eine grosse Mehrheit sich für die Loslösung von Serbien ausgesprochen hat. Eine komplizierte Angelegenheit also; eine mehr in dieser Gegend...
Man muss bedenken, dass weit mehr Montenegriner und Montenegrinerinnen in Serbien leben als in Montenegro selbst (man spricht von 2 Millionen). Zahlreiche junge Leute gehen zum Studium nach Belgrad (so auch die drei Kinder von Milivoje und Jelena). Zahlreiche bedeutende Orte der slavisch-orthodoxen Kirche befinden sich in Montenegro und der serbische Nationaldichter Petar Petrovic Niegos liegt in Cetinje begraben. Rein sprachtechnisch versucht man dieses "Problem" wie folgt zu lösen: die Serben welche in Montengro, Bosnien oder Kroatien leben werden als "serbians" bezeichnet (eine englische Bezeichnung, denn ich weiss nicht ob es dafür einen deutschen Ausdruck gibt) und die Serben in Serbien als "serbs".
Auch Montenegro wurde ab der Mitte des 16. Jahrhunderts für lange Zeit vom ottomanischen Reich regiert. Viele Menschen hier mussten zum Islam übertreten. Heute sehe ich hier sehr wenige Überbleibsel dieser ottomanischen Vergangeheit (bisher habe ich noch keine Moschee gesehen). Auf meine Frage hin, wie denn in Montenegro die Religionszugehörigkeiten verteilt seien, sagte man mir, dass es auch hier wie in Bosnien, die verschiedensten Religionen gäbe. Nebst den mehrheitlich slavisch-orthodoxen Christen gäbe es eine bedeutende Minderheit von Muslimen. Und die vielen Albaner die hier leben? Dort scheint die Religion so eine Sache für sich zu sein, muslimisch zwar aber irgendwie doch nicht...

Albanien; das Land welches ich planmässig als nächstes bereisen möchte. Wenn ich den jungen Menschen hier sage, dass ich in Bälde gedenke, Albanien zu Fuss zu bereisen, so wollen mir alle davon abraten. Auf die Frage hin weshalb denn, kann mir niemand eine Antwort geben. Ich habe noch niemanden getroffen, der bereits in Albanien gewesen ist und doch scheinen alle bestens darüber informiert zu sein, wie die Menschen dort sind.
Ich muss gestehen; je mehr Menschen mir davon abraten nach Albanien zu gehen, desto mehr zieht es mich dorthin. Wir werden sehen.

Bild: auf dem Hochplateau überhalb des Tara Flusses

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