Sonntag, 10. Januar 2010

Streunende Hunde


Streunende Hunde kommen in der Schweiz, soviel ich weiss, höchst selten vor.
Hier in Sarajevo sehe ich solche Hunde täglich.
Unvergesslich bleibt mir die Szene vor Augen, als eines abends, ich spazierte in Gedanken versunken zu meinem Haus zurück, eine Horde solcher Hunde mir entgegen gerannt kam. Irgendetwas musste sie bei ihrer täglichen Futtersuche im Müllcontainer aufgeschreckt haben. Ich wurde durch sie blitzartig aus meinen Tagträumen hinaus gerissen und wollte auch schon die Flucht ergreiffen, da waren sie bereits an mir vorbei gerannt. Es war ein archaisches Bild und es war ein ebenso archaischer Adrenalinschub der in mir hochkam. Mitten im Stadtzentrum.
Auf der Wanderung in den letzten Monaten bin ich hunderten von Hunden begegnet. Fast alle waren sie in ein Gehege eingesperrt, zum Glück dachte ich damals, und bellten uns zähnefletschend an. Es hatte etwas absurdes an sich, mit Pintaš durch kleine italienische Dörfer zu gehen und alle fünfzig Meter erneut ein Biest zu sehen, das sich regelrecht gegen den Zaun geworfen hat, nur um uns so nahe wie möglich zu kommen. Glücklicherweise nahm Pintaš all das gelassen und zeigte seinen Kollegen oftmals die kalte Schulter.
Hier in Sarajevo habe ich nun eine andere Spezies kennengelernt: die heimatlosen Kerle.
Am Anfang hatte ich Angst vor ihnen, sah vor meinem inneren Auge mein Hosenbein bereits zwischen den Reisszähnen hängen. Nun habe ich mich aber beruhigt, denn ich erkannte, mit welcher Demut diese Tiere durch die Strassen Sarajevos schleichen. Den Schwanz oft eingezogen, sieht man ihnen an, dass sie hier höchstens geduldet werden. Sie versuchen alles daran zu setzen, dass die Menschen ihnen keine üblen Geschichten anhängen können.
Gestern habe ich einem dieser Strassenhunde zugesehen, wie er an die Grenze des möglichen gegangen ist. Einen Abfallsack im Maul nach sich ziehend, schlich er, aus einer Seitengasse hinaus, auf den Gehsteig der Hauptstrasse mitten im Konsumzentrum der Stadt. Ein unwiderstehlicher Duft musste diesem Abfallsack entrstömt sein, denn das Tier machte, ungeachtet der zahlreichen Passanten die an ihm vorbei eilten, sich daran, die Wundertüte zu zerreissen. Ich sah bereits schwere Winterstiefel die nach dem Tier treten würden, doch nichts dergleichen geschah.
Vor heimatlosen Hunden habe ich nun keine Furcht mehr. Es kommt sogar vor, dass ich mich bei dem Gedanken ertappe, einem dieser Tiere ein Zuhause anbieten zu wollen. Dass dies ein äusserst törichter Gedanke ist, wird mir oft bereits im selben Moment bewusst.

Ich kann es aber nicht verneinen, dass ich diese streunenden Hunde mag. Ihnen gebührt mein Respekt; denn im täglichen Kampf ums Überleben strahlen sie, trotz der eben erwähnten Demut, eine erstaunliche Würde aus.

2 Kommentare:

  1. Hermanito, das wäre vielleicht eine Idee wert: Du könntest doch irgendwo einen Hochsitz einrichten, von dem aus man, Bier trinkend, beim Einnachten den Hunden zusehen könnte, ich würde emel gerne mit dir dort Bier trinken, auch jetzt gerade. Ich hatte ähnliche Ideen schon anderswo, Richtung Ittigen gibt es eine Fussgänger- und Radüberführung, Bank existiert schon, von dort gibt es einen schönen Blick auf die Autobahn. Oder in Berlin gab es eine alte Autorennstrecke mit tollen Tribünen, hat mich auch inspiriert. Und so viel mehr, grüsse mir jedenfalls die Hunde, bittet Stefan

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  2. Lieber Stefan, gerade eben, habe ich zwecks Dokumentation meines Hunde-Eintrags einen solchen Streuner verfolgt um ihn vors Visier meiner Kamera zu bekommen. Das ist gar kein einfaches Unterfangen, die sind dermassen glitschig diese Hunde, da kommt man kaum ran. Der mit dem Hochsitz ist aber nicht schlecht, das würde deine einfach einen Hochbierstand geben. An der Treppe müsste man dann aber auch einer jener Kleber anheften, die hier überall an den Eingängen der offiziellen Gebäuden kleben: Waffen verboten.

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